II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 170

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sschnitt aus:
oPn 10 Abendblatt
mn:
Die Aufführung von Schnitzlers „Professor
Hernhardi“ in Pregburg — unkerbreldt?
Wir haben im Morgenblatte einem Telegramm
unseres Preßburger Korrespondenten Raum gegeben,
das die Nachricht brachte, daß die in Preßburg am
1. Mai geplante Aufführung von Schnitzlers
„Professor Bernhardi“ unterbleiben wird.
Das Preßburger Theaterkomitee soll dieses Ver¬
bot damit begründet haben, das Preßburger
Theater sei für das Preßburger Publikum
da und durch die Heranziehung einer fremden Gesell¬
schaft und durch die Uebergabe des Theaters an
geladene Gäste merde das Preßburger Publikum aus¬
gesperrt. Dieses Telegramm hat in Wien in literari¬
schen und künstkerischen Kreisen große Bewegung
hervorgerufen.
Wie wir hören, hat sich der Vertreter der Freien
literarischen Gruppe in Wien, Buchhändler Hugo
Heller, nach Preßburg begeben, um eine Reassu¬
mierung des vom Theaterkomitee gefaßten Be¬
schlusses zu erwirken.
Es haben Konferenzen mit den dortigen
Funktionären stattgefunden und es gelang, den
Bürgermeister zu bestimmen, für heute mittags eine
neuerliche Sitzung des Theaterkomités in Preßburg
einzuberufen, dem die Aufgabe zufallen soll, eine
neue Entscheidung zu treffen. Es ist also immerhin
möglich daß eine Reassumierung des ablehnenden
Beschlusses eintritt und daß dennoch die Aufführung
ermöglicht wird. Sämtliche Sitze zu dieser Aufführung
sind bereits vergriffen.
Es sei noch bemerkt, daß die Wiener freie
literarische Gruppe dem Preßburger Publikum eine
Anzahl von Sitzen zu dieser Aufführung zur Ver¬
fügung gestellt hat. Es wird also damit der Einwurf
der Aussperrung des Preßburger Publikums voll¬
ständig hinfällig. Außerdem hat die Freie literarische
Gruppe zu Gunsten der Armen von Preßburg einen
Betrag von 200 K. gewidmet.
Es scheint, daß es sich bei diesem Verbote nicht
41.
#tgeschützte Aussperrung des Pre߬
allein um
burger Publikums, sondern um Motive gehandelt hat,
die mit den Tendenzen der Dichtung „Professor
Bernhardi“ im Zusammenhang stehen.
Von einem hervorragenden Mitgliede der Freien
literarischen Gruppe gehen uns folgende ergänzende,
sehr interessante Mitteilungen zu: Das vom Theater¬
komitee in
Preßburg erlassene Verbot von
„Professor Bernhardi“ dürfte aller Wahr¬
scheinlichkeit nach seinen Grund in einer heftigen
Agitation haben, die sich seit einigen Tagen
in Preßburg bemerkbar machte. Man hat darauf
hingewiesen, daß Preßburg nicht der Ort sei
um eine in Wien von der Zensur verbotene Komödie
zur Aufführung zu bringen. Dagegen wurde von
anderer Seite geltend gemacht, daß das Berliner
Kleine Theater seit ungefähr zwei Wochen in Buda¬
pest Aufführungen der genannten Dichtung veran¬
staltet, die sich eines großen Zulaufes erfreuen. Letzten
Sonntag hat sogar Graf Apponyi einer Vorstellung
in Budapest anaewohnt. Es wäre also jedenfalls

#merkwürdig, daß man die Aufführung desselben
Werkes in Budapest gestattet, in Preßburg aber
verbietet.
Das von uns im Morgenblatte gemeldete
Gastspiel Harry Waldens im Burgtheater
wird aller Wahrscheinlichkeit nach Ende Mai be¬
ginnen. Vorher geht „Kriemhilds Nache“ in
der schon gemeldeten Neubesetzung in Szeue. Die
geplante Aufführung von Herbert Eulenbergs
„Belinde“ dürfte auf die nächste Saison ver¬
schoben werden. Was die
Gastspielrollen
Waldens betrifft,
ist
eine
Ent¬
scheidung noch nicht getroffen. Wahrscheinlich wird
er in klassischen Werken, sowie in modernen Stücken
auftreten, das beweist die Tatsache, daß er an sechs
Abenden gastieren wird. Man will den Künstler in
den verschiedensten Rollen zeigen. Als Kainz ans.
Burgtheater kam, ging seinem Engagement ein fünf¬
maliges Gastspiel voraus. Walden soll bereits am
1. September in den Verband des Burgthegters
treten.
Ausschnitt an
i1o Freie Presse, Wien
20 Ap
vom:
H11913
##shültiges Verbot der Aufführung dee
„Professor Bernhardi“ in Preßburg.
Wien, 29. April.
Das Theaterkomitee in Preßburg hat nunmehr in einer
heute mittag abgehaltenen Sitzung das Verbot der
Preßburger Aufführung von Artur Schnitzlers
„Professor Bernhardi“ definitiv
aus.
gesprochen, so daß die für den 1. Mai geplante Vor¬
stellung des Berliner Kleinen Theaters nicht statt
finden kann.
Wie wir bereits im heutigen Morgenblatt mitgeteil
haben, wurde schon gestern im Preßburger Theaterausschusse
erklärt, daß das Stadttheater in erster Linie den Interessen
des Preßburger Publikums zu dienen habe und es daher
unzulässig erscheine, für eine geschlossene Gesellschaft dor
Vorstellungen zu veranstalten.
In Ergänzung zu dieser
Darstellung erhalten wir nun noch folgende Mitteilungen:
Seit vier Wochen wußte man in Preßburg, daß die
in Wien von der Zensur verbotene Aufführung vor
Schnitzlers „Professor Bernhardi“ dort am 1. Mai stattfinden
soll, und von keiner Seite wurde irgendwelcher Widerspruck
erhoben. Es lag wohl auch gar kein Anlaß zu einem
solchen Widerspruch seitens des Preßburger Publikums vor, de
sich ja die Preßburger Theaterbesucher ebensogut wie die
Wiener Gäste Sitze zu der Aufführung besorgen konnten,
was auch reichlich geschehen ist. Außerdem war ungefähr der
dritte Teil des Theaterraumes dem Preßburger Publikum zur
Verfügung gelassen worden.
Um so größer war die Ueberraschung des Direktors
Barnowski, der gestern von Budapest nach Preßburg
kam, als ihm mitgeteilt wurde, daß sich im Theaterkomite
Stimmen gegen die Zulassung der Aufführung erhober
hätten. Tatsächlich hatte zuerst ein Mitglied des Komitees in
dieser Sitzung Bedenken darüber geäußert, daß das Theater
von einer geschlossenen Gesellschaft okkupiert werden sollte
Dies gab einigen anderen Herren Anlaß, gegen das Stück
überhaupt zu protestieren, es als „religionsfeindlich und un
christlich“ zu bezeichnen. Ein anderes Mitglied machte zuden
die Bemerkung, daß man schon aus Courtoisie gegen die
Wiener Behörden die Vorstellung nicht zulassen sollte.
Herr Hugo Heller als Arrangeur der Veranstaltung eilt
daraufhin sofort von Wien nach Preßburg und erreichte, nach
dem er abermals nachgewiesen hatte, daß den Wünschen des
Preßburger Publikums im weitesten Ausmaße werde Rech¬
nung getragen werden, daß das Theaterkomitee heute aber¬
mals zu einer Sitzung zusammentrat, um nochmals einen Be¬
schluß zu fassen. In dieser Sitzung wurde nun mit sieben
gegen fünf Stimmen das Verbot aufrecht¬
erhalten.
In Leitmeritz, wo dieser Tage eine Vorlesung des
Stückes hätte stattfinden sollen, wurde diese von der Bezirks¬
hauptmannschaft ebenfalls verboten. Die Begründung des
Leitmeritzer Verbotes ist nahezu wörtlich gleichlautend mit der
Begründung, mit der das Ministerium des Innern den
Rekurs gegen das Verbot der Wiener Zensur verworfen hatte.