Nerr Heller — zu Rilfe!
(Preßburg kontra Schnitzler.)
Preßburg war mir schon vorher durch
seine wirklich delikaten Mohn= und Nußbeugel
außerordentlich sympathisch.
Seit gestern aber, da sich die Stadt gegen
den Kultureinbruch des geschäftskundigen
Buchhändlers Heller wehrte und infolge einer
kommunalen Entscheidung das Geld für die
bereits gelösten Karten zu „Professor Bern¬
hardi“ zurückgegeben werden muß, seit ge¬
stern verehre ich direkt diese Stadt, die so
deutlich sich gegen die Hellers und Bar¬
nowskis, gegen diese unter der Maske einer
freien literarischen Gruppe mit Literatur spe¬
kulierenden Firma erklärt hat.
Herr Heller ist so ziemlich die charakteristi¬
scheste Erscheinung in unserer gewiß an un¬
möglichen Gestalten und Fratzenphysiogno¬
mien nicht armen Wiener Stadt.
Lieber sitze ich den ganzen Abend in einem
Theater, dessen Parterre aus lauter jungöster¬
reichischen und Jungwiener Literaten und
Schriftstellern besteht, lieber höre ich vier Akt
„Siegfried Geyer“ verschärft durch die Lektüre
einer feuilletonistischen Würdigung in der
„Wiener Zeitung“, alles zöge ich freudiger
dem Vorschlage vor, dem Buchhändler Heller
meine Bekanntschaft mit irgend einem ver¬
botenem Stück zu verdanken.
Verbotene Stücke sind die Spezialität die¬
ses Herrn. Mit verbotenen Ansichtskarten
zu hausieren, das wäre sicherlich nicht stan¬
desgemäß, so wählt man die Veranstaltung
verbotener Stücke, und was heute Wedekind
heißt, kann morgen Schnitzler sein, die Haupt¬
sache bleibt, daß der Mann ein Stück ge¬
schrieben hat, das verboten wurde. Nun hat
die Repräsentanz der Stadt Preßburg mit
rauher Hand in ein Geschäft eingegriffen, das
sich allem Anscheine nach fast ebenso glän¬
zend rentiert hätte, wie die Aufführung der
Wedekindschen „Büchse der Panktora“ Sie
hat in der richtigen Erkenntnis, daß das
Stadttheater in Preßburg in erster Linie für
die Preßburger und nicht für Herrn Heller
erbaut wurde, die geplante einmalige Auf¬
führung des „Professor Bernhardi“
verboten und da hat man mit einem Male
etwas von einer „freien literarischen Gruppe“
gehört, von der man erst etwas wußte, bis
Herr Heller, nach der Meldung der „Neuen
Freien Presse“ nach Preßburg eilte und es
durchsetzte, daß die Bürgerschaft mit 7 gegen
5 Stimmen endgiltig die Aufführung des
Schnitzlerschen „Professor Bernhardi“
untersagte. Ich kenne diese freie literarische
Gruppe nicht und weiß auch nicht, aus wem
sie mit Ausnahme des Herrn Heller besteht,
aber ich habe sie im dringenden Verdacht, daß
sie die nichtprotokollierte Agentur der Buch¬
handlung Heller darstellt, die um die Literatur
unserer Zeit sich Verdienste erwirbt, welche
man in Prozente ausdrücken kann. Auf lite¬
rarisch heißt das — Kulturförderung.=
Aussohnitt aus: Der Morgen Wien
D. MAal 197
vom:
Eine Freudendotschaft in düsteren Tagen! Er steht noch
fest, der alte Staat. Mehr noch: eine neue Zeit bricht an.
Österreich und Ungarn so einig wie noch nie!!
Der „Professor Bernhardi“ ist auch in Preßburg verc#
boten worden.
Ausschnitt aus: Salzburger Chronik
5 HA1 1913
Salzburg
vom:
„Professor Berkhakdi“. Die Preßburger
slätter heben lobend das Verhalten Direktor
Flasels in dem Streitfall hervor, welcher
fort durch die von Budapester und Wiener Ju¬
zen betriebene Aufführung des Schnitzler'schen
Machwerkes entstanden war. Die Preßbur¬
iger haben nichts verloren, daß sie den „Pro¬
fessor Bernhardi“ nicht kennen gelernt haben.
Das beweist uns der gewiß nicht antisemitische
und „klerikale“ Kritiker Dr. Robert Hirsch¬
seld in einem Feuilleton, welches sich im
jüdischen „Neuen Wiener Tagblatt“ findet.
=Darin heißt es: „Es gibt auch eine innere Zen¬
#fur, die dem Gemüte die Teilnahme an einem
Werke verbietet. Diesainnere Zensur ist stärker
Sals die gewaltsame##, weil sie aus dem
Seite 3“
4. Mill
ästhetischen Urteil fließt, das keinen Einspruch
v.
gestattet. Mein Geschmacksurteil ließe sich in
einem Sonderzuge nicht entführen; es steht auf
dem heimischen Boden so fest wie auf jedem an¬
deren und erstrebt kein Asyl im Lande der Ma¬
gyaren. Von sittlichen Werten zunächst ganz ab¬
gesehen, gilt mir in der inneren Anschauung
die Komödie „Professor Bernhardi“ als Ver¬
stoß gegen den künstlerischen Ge¬
schmack. Wir sind vor ein Problem gestellt,
das dem Gläubigen nichts weniger denn als
Problem erscheint und als sakramentaler Be¬
standteil der Religion vor der weiteren ko¬
mödienhaften Erörterung, wie sie dem
Antor des „Professor Bernhardi“ beliebte, vor
dem Kulissenzauber, vor der Verpöbelung
durch unreife Galeriebesucher be¬
hütet werden müßte. Man mag ungläubig sein
und freien Sinnes nach Toleranz rufen — die
wahrhaft tolerante Menschlichkeit bewährt
sich doch vor allem darin, daß ins Gehege einer
Religionsgemeinschaft nicht irgendwie einge¬
eingebrochen wird — am wenigsten auf dem
Theater, das keine gesetzgebende Stelle und nicht
der Ort für Religionsverbesserer ist.“ — Auch
in Leitmeritz, wo diese jüdische Komödie vor¬
gelesen werden sollte, hat die Bezirkshaupt¬
mannschaft dagegen ein Verbot erlassen.
—.—
(Preßburg kontra Schnitzler.)
Preßburg war mir schon vorher durch
seine wirklich delikaten Mohn= und Nußbeugel
außerordentlich sympathisch.
Seit gestern aber, da sich die Stadt gegen
den Kultureinbruch des geschäftskundigen
Buchhändlers Heller wehrte und infolge einer
kommunalen Entscheidung das Geld für die
bereits gelösten Karten zu „Professor Bern¬
hardi“ zurückgegeben werden muß, seit ge¬
stern verehre ich direkt diese Stadt, die so
deutlich sich gegen die Hellers und Bar¬
nowskis, gegen diese unter der Maske einer
freien literarischen Gruppe mit Literatur spe¬
kulierenden Firma erklärt hat.
Herr Heller ist so ziemlich die charakteristi¬
scheste Erscheinung in unserer gewiß an un¬
möglichen Gestalten und Fratzenphysiogno¬
mien nicht armen Wiener Stadt.
Lieber sitze ich den ganzen Abend in einem
Theater, dessen Parterre aus lauter jungöster¬
reichischen und Jungwiener Literaten und
Schriftstellern besteht, lieber höre ich vier Akt
„Siegfried Geyer“ verschärft durch die Lektüre
einer feuilletonistischen Würdigung in der
„Wiener Zeitung“, alles zöge ich freudiger
dem Vorschlage vor, dem Buchhändler Heller
meine Bekanntschaft mit irgend einem ver¬
botenem Stück zu verdanken.
Verbotene Stücke sind die Spezialität die¬
ses Herrn. Mit verbotenen Ansichtskarten
zu hausieren, das wäre sicherlich nicht stan¬
desgemäß, so wählt man die Veranstaltung
verbotener Stücke, und was heute Wedekind
heißt, kann morgen Schnitzler sein, die Haupt¬
sache bleibt, daß der Mann ein Stück ge¬
schrieben hat, das verboten wurde. Nun hat
die Repräsentanz der Stadt Preßburg mit
rauher Hand in ein Geschäft eingegriffen, das
sich allem Anscheine nach fast ebenso glän¬
zend rentiert hätte, wie die Aufführung der
Wedekindschen „Büchse der Panktora“ Sie
hat in der richtigen Erkenntnis, daß das
Stadttheater in Preßburg in erster Linie für
die Preßburger und nicht für Herrn Heller
erbaut wurde, die geplante einmalige Auf¬
führung des „Professor Bernhardi“
verboten und da hat man mit einem Male
etwas von einer „freien literarischen Gruppe“
gehört, von der man erst etwas wußte, bis
Herr Heller, nach der Meldung der „Neuen
Freien Presse“ nach Preßburg eilte und es
durchsetzte, daß die Bürgerschaft mit 7 gegen
5 Stimmen endgiltig die Aufführung des
Schnitzlerschen „Professor Bernhardi“
untersagte. Ich kenne diese freie literarische
Gruppe nicht und weiß auch nicht, aus wem
sie mit Ausnahme des Herrn Heller besteht,
aber ich habe sie im dringenden Verdacht, daß
sie die nichtprotokollierte Agentur der Buch¬
handlung Heller darstellt, die um die Literatur
unserer Zeit sich Verdienste erwirbt, welche
man in Prozente ausdrücken kann. Auf lite¬
rarisch heißt das — Kulturförderung.=
Aussohnitt aus: Der Morgen Wien
D. MAal 197
vom:
Eine Freudendotschaft in düsteren Tagen! Er steht noch
fest, der alte Staat. Mehr noch: eine neue Zeit bricht an.
Österreich und Ungarn so einig wie noch nie!!
Der „Professor Bernhardi“ ist auch in Preßburg verc#
boten worden.
Ausschnitt aus: Salzburger Chronik
5 HA1 1913
Salzburg
vom:
„Professor Berkhakdi“. Die Preßburger
slätter heben lobend das Verhalten Direktor
Flasels in dem Streitfall hervor, welcher
fort durch die von Budapester und Wiener Ju¬
zen betriebene Aufführung des Schnitzler'schen
Machwerkes entstanden war. Die Preßbur¬
iger haben nichts verloren, daß sie den „Pro¬
fessor Bernhardi“ nicht kennen gelernt haben.
Das beweist uns der gewiß nicht antisemitische
und „klerikale“ Kritiker Dr. Robert Hirsch¬
seld in einem Feuilleton, welches sich im
jüdischen „Neuen Wiener Tagblatt“ findet.
=Darin heißt es: „Es gibt auch eine innere Zen¬
#fur, die dem Gemüte die Teilnahme an einem
Werke verbietet. Diesainnere Zensur ist stärker
Sals die gewaltsame##, weil sie aus dem
Seite 3“
4. Mill
ästhetischen Urteil fließt, das keinen Einspruch
v.
gestattet. Mein Geschmacksurteil ließe sich in
einem Sonderzuge nicht entführen; es steht auf
dem heimischen Boden so fest wie auf jedem an¬
deren und erstrebt kein Asyl im Lande der Ma¬
gyaren. Von sittlichen Werten zunächst ganz ab¬
gesehen, gilt mir in der inneren Anschauung
die Komödie „Professor Bernhardi“ als Ver¬
stoß gegen den künstlerischen Ge¬
schmack. Wir sind vor ein Problem gestellt,
das dem Gläubigen nichts weniger denn als
Problem erscheint und als sakramentaler Be¬
standteil der Religion vor der weiteren ko¬
mödienhaften Erörterung, wie sie dem
Antor des „Professor Bernhardi“ beliebte, vor
dem Kulissenzauber, vor der Verpöbelung
durch unreife Galeriebesucher be¬
hütet werden müßte. Man mag ungläubig sein
und freien Sinnes nach Toleranz rufen — die
wahrhaft tolerante Menschlichkeit bewährt
sich doch vor allem darin, daß ins Gehege einer
Religionsgemeinschaft nicht irgendwie einge¬
eingebrochen wird — am wenigsten auf dem
Theater, das keine gesetzgebende Stelle und nicht
der Ort für Religionsverbesserer ist.“ — Auch
in Leitmeritz, wo diese jüdische Komödie vor¬
gelesen werden sollte, hat die Bezirkshaupt¬
mannschaft dagegen ein Verbot erlassen.
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