II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 179

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25. Professer Berna
Ausschnitt Wrener Montags Journal, Wien
54. MAl 19 /6
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gen Dentisten, vor einigen Jahren bei Ronacher die „Miß
Tritsch=Tratsch.
Gibbs“ gesungen hat? Und getanzt, so famos getanzt, daß
„Hm? Ja, ich seh'sIhnen an, lieber Freund, daß Sie
sie ihrem Lehrer, dem Fred Wright alle Ehre machte. Der
heute wenig Lust zu Theatertratsch zeigen. Denken S' Ihnen,
fand solchen Gefallen an dem jungen, sich so naiv gehabenden
was muß das für keine Zeit ssein, wenn wir Frauenzimmer
Mädel, daß er sie veranlaßte, mit ihm nach England und
sogar die Journale von vorne Aesen, regelrecht von vorn, statt
Amerika zu gehen, sich in der Tanzkunst und englischen Sprache
wie sonst zuerst den Gerichtssaal oder die Korrespondenzen,
zu vervollkommnen und als Operettensoubrette großen Stils zu
dann das Theaterrepertoire und im besten Fall ganz zum
gastieren? Sie glauben wohl, daß die kleine Ronacherdame,
Schluß ein bißl Lokalbericht. Ich bitt' Sie, die Extraausgaben
die so geschickt hopste und so geschickt (die ungetaufte Jüdin) ein
und fetten Lettern, das rüttelt einen schon auf. Und wo doch
Frau von Pollak=großes Kreuz um den Hals trug, auf irgend¬
sogar die kleinste Choristin klagt, sie hätt' eine solche Angst,
einer Schmiere geendet hat? Nein, sie ist heute die Sensation
daß ihr Alter, der doch bei der Reserve is, jeden Tag die Ein¬
von Amerika, die Reporter fahren ihr meilenweit entgegen,
berufung erwart'! Da werden sogar Nähmadeln von der vierten
sie zu interviewen, die Blätter bringen spaltenlange Beschrei¬
Galerie auf einmal politisch reif und die koketten Halbweiber,
bungen ihrer Persönlichkeit, ihrer Toiletten, sie bezieht jetzt
die was sich Operettenbonvivants nennen, fangen an zum
120.000 Dollars Jahresgage, ist kühl bis ans Herz hinan und
Kannegießen und spüren den Ernst des Augenblicks. Von den
sieht gerade deshalb Millionäre zu ihren Füßen liegen. Und
Hoftheatern will ich gar net erst reden, wo einen doch die k. k.
als ihr Entdecker, als er davon las, ihr einen Gratulations¬
Atmosphäre von selbst großösterreichisch fühlen laßt. Da tritt brief sandte, schrieb sie dem Zahnarzt zurück: „Du ziehst in
sogar die Frage der Direktionsbesetzung zurück.“
Wien, ich in Amerika. Aber mein Geschäft ist das bessere!“
„In einer Villa im Cottage hat die Kriegsgefahr beson¬
— Na, das will ich meinen ...
ders erhebend oder deprimierend gewirkt. Weil nämlich Herr
Paulsen gegenwärtig der markanteste Vertreter der österreichi¬
schen Wehrmacht innerhalb des Burgtheaterensembles ist. Reichs¬
deutsche haben wir dort genug und solche, deren Lebensalter
sie längst zur Landsturmgrenze geführt hat. Aber der fesche
Offizier, der „in Betracht kommt“, der Reservelentnant mit
der besten Konduite, die sich denken läßt, das ist der nämliche
Paulsen, auf dessen Schultern gerade jetzt das laufende Re¬
pertoirestück und manche andere für den Spielplan wichtige
Partie ruht. Korff ist gegangen und sein Repertoire ist nar
nicht vom Nachfolger übernommen und Paulsen könnte auch
jeden Tag den Marschbefehl erhalten! Gewiß keine kleine Sorge
für Herrn Thimig und erst recht nicht für die Gattin des
Künstlers, deren Rekonvaleszenz durch das Damoklesschwert be¬
trächtlich verzögert worden ist. Uebrigens sind es erst wenige
Jayre her, daß die Hofbühne aus einem ähnlichen Grunde
Herrn Paulsen einen längeren Urlaub gegeben hat: zur Ab¬
leistung seines Einjährig=Freiwilligen=Präsenzdienstes nämlich.
Der damals engagierte Liebhaber Herr Wanka und ein auberer
Kollege mußten förmlich über Nacht den Rollenkreis Paulsens¬
übernehmen, der später, zum Fähnrich avanciert, sich aus dem
Stehparterre mehrmals gut gelaunt die Vorstellungen ansah.
Hoffentlich bemächtigt sich die partielle militärische Bereitschaft
diesmal nicht auch seiner Person, so daß Regiekollegium und
Gattin ruhig bleiben können. Es genügt ihr, eine Künstlerin
zu sein und glückliche Frau dazu. Nach einer „Gattin des
Kommandeurs“ irägt sie keine Gelüste.“
„Weil Sie gerade vom Burgtheater reden, möchte ich mire
in Anbetracht gewisser auf die Hoftheater bezüglicher Gerüchte
eine Feststellung erlauben. Reformen sollen bevorstehen in
der Richtung, daß in Wien ein Generaldirektor für beide Hof¬
theater mit je einem Beirat für Burg und Oper ernannt
würde. Möglich, daß hier der Wunsch wieder einmal der
Vater des Gedankens war. Ich aber kann, auf Grund von
Erklärungen von maßgebender Seite erklären, daß hier wieder
Leute das Gras haben wachsen hören. Mit demselben Rechte,
und dem gleichen Tonfall könnte eine andere Version ver¬
lautbart werden, wonach „der Fürst“ die alte Zwischeninstanz
der Generalintendantur wieder herzustellen vorgeschlagen hat.
Speziell das mit Baron Weckbecker ist eine Kombination; nichts
weiter. Er ist einer der kunstsinnigsten und gebildetsten unter
den Hofbeamten und hat in Opernkreisen und in der Aristo¬
kratie großen gesellschaftlichen Anhang; das ist vorläufig alles.
Im Kämmereramt ist er einfach nicht zu entbehren, kein Bild,
keine Münze und Medaille wird vom kunsthistorischen Museum
erworben, ohne daß er sein Votum abgibt. Für diesen Teil
des Hofdienstes ist weit und breit kein ebenbürtiger Mann
zu finden. Man lächelt bei dem Gedanken, ein Revirement
vornehmen zu sollen. Eigentlich schade, denn mit ihm zöge
eine modern denkende, im besten Sinne liberale Persönlichkeit 1
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