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25 PrBernhandi
Wechselbalg in Grund und Boden
verdammt. Das wird wohl zutref¬
sen, daß sie nicht ein Idealbild der
Geechtrigkeit ist, aber die Regierung
in Wien mußte das doch auch wissen.
Sie hat sich dafür eingesetzt, um die
Ruthenen wenigstens auf einem Ge¬
biete teilweise zu befriedigen und daß
dies mindestens schon aus Gründen
der auswärtigen Politik dringend
nötig ist, ist ja zur Genüge be¬
kannt. Wie ist es dann möglich, daß
die Bischöfe, auf die die Regierung
einzuwirken mancherlei Möglichkeit
hat, vorangehen konnten, um die
Resorm zu vereiteln? Oder wenn ihr
Wille nicht zu beugen war, mußte
man doch im Ministerratspräsidium
wissen, daß die Sache nicht zu ma¬
chen sei, und dann war es besser,
die Wahlreform nicht einzubringen
und dieses skandalöse Bekenntnis zur
Ohnmacht zu vermeiden. Wenn jetzt
der Ministerpräsident mit den pol¬
nischen Parteien verhandelt und selbst
der Nuntius bemüht wird, so macht
das den Eindruck, als ob Galizien
außerhalb Oesterreichs läge und man
mit einem fremden Staat verhandle.
Der Vorgang zeigt in erschreckender
Weise die Folgen der Politik gegen¬
über Galizien seit jenem verhängnis¬
vollen Tage, wo der liberale Mi¬
nister Has¬
AicheMuts¬
spina¬
Publikum strömt an einem Sonntagsmorgen aus den Schlafzimmern
des Franz Josefskai auf das zum Greifen nahe Schiff, die Matrosen,
die noch nie bei einer Volkstheaterpremiere waren, werden ohn¬
mächtig, Heller ermuntert sie von der Kommandobrücke, der
Fortschritt geht Volldampf voraus, Vorurteile werden über Bord
geworfen, man erlebt das Fahrwasser als Phrase und bis zur
Einfahrt in den Hafen vergeht die Zeit mit Lotselachs. Sie
kennen Preßburg. Sonst ziehen sie als Logenbrüder dahin, mit den
Logenschwestern, diesmal als Parkettbesucher. Sonst sind sie ein
nichtpolitischer Verein, diesmal gehn sie protestieren gegen die
Reaktion. Die Polizeihunde haben Feinde, das ist eine Mischpoche
von schlechtrassigen Bernhardinern, die bis Preßburg äußerln
gehen, wenn es in Wien nicht erlaubt, ist. Die Brüder von
S. Bernhardi wissen schon was sie tun. Es ist eine Flotten¬
demonstration der Kultur, für die ein Heller einen Kreuzer aus¬
rüstet, um einen Gulden zu verdienen. Man wird ein Komitee zum,
Schutze der Zensur gegen Ausbeutung ins Leben rufen müssen:
Am Jahrestag der -Titanics vermißt sich die Gewinnsucht, die sich
für die Kultursucht ausgibt, ein Schiff mit allem Komfort der
Reklame vom Stapel zu lassen. Wenn dieses Unternehmen gelingt, so
bedeutet es die größte Schiffskatastrophe, die die Welt bisher
erlebt hat... Es ist ins Wasser gefallen. Die Intellektuellen werden
einwaggoniert und so der äußerste Skandal verhütet. Das
schwimmende Volkstheaterparkett wird in der Sage weiterleben;
den Donaunixen, die so oft den Anblick der Freiheit erdulden
müssen, ist es erspart geblieben, zu erfahren, wie die Kultur aussieht.
Nachschrift: Auch mit der Eisenbahn gehts nicht. Preßburg will
nicht, wiewohl sich die Kultur, um Eingang zu finden, auf die
magyarische Ritterlichkeite berief und wiewohl sie versicherte, das
Preßburger Verbot schädige „die ideellen und materiellen Interessen
hunderter Wiener Kunstfreunde und Preßburger Bürgere. Was
nun die ideellen Interessen der Wiener Kunstfreunde anlangt, die
nicht nach Preßburg fahren können, so gibts da allerdings keine
Remedur, umsoweniger als auch der Concordiaball abgesagt ist.
Aber die materiellen Interessen, die sind in diesem kriegerischen Jahr
ohnedies schon so schwer geschädigt, daß der Verlust des
Professor Bernhardis kaum mehr gespürt werden dürfte. Nur nicht
übertreiben! Die Wiener Kunstfreunde und die Preßburger Bürger
sind ja übel dran, gewiß. Aber was sollen denn erst die Juden
in Saloniki sagen?
liegt die Geltungs= und Bündnis¬
fähigkeit; und so wenig man be¬
streiten wird, daß der Trialismus
beides schwächen, kann man auch be¬
haupten, daß ein „Unismus“ es
stärken würde. Dann wird verschie¬
dentlich Kaiserfeld als Kronzeuge für
den Dualismus zitiert; aber nicht
das ist wichtig, wie Kaiserfeld über
den Dualismus gedacht hat, sondern
wie führende ungarische Staatsmän¬
ner über ihn denken. Nun kommt
aber die Hauptsache. Dobernig fin¬
det den Dualismus reformbedürftig
und er schlägt vor, den Delegationen“
Vertreter Bosniens zuzuziehen unde
diese selbst zu einem „gemeinsamen.
Staatsrat“ auszugestalten. „Ein „ge¬
meinsamer Staatsrat“ wäre das
Reichsparlament und die Vertretung“
aller Nationen — ein Schutz gegen
alle zentrifugalen Kräfte, die mit dem
Zerfall der Monarchie rechnen.“ Ja,
das täte uns wirklich so gut, wie
einem bleichsüchtigen Kinde der Le¬3
berthran. Und doch gibt es Kinder,
die ihn nicht schlucken wollen. Und —
solche Kinder sind nun einmal die Ma¬
gyaren, die schon das Wort „Reich“ —
in Krämpfe verfallen läßt.
Damit kann die vom Abgeordne¬
ten Dobernig eingeleitete deutsch=
magyarische Verständigungsaktion
wohl als begraben gelten, was kein
Unglück ist; Dobernig selbst sieht #
voraus, daß seine „ketzerischen Ge¬*
danken in Ungarn wenig Gegenliebega
finden werden.“ Vielleicht veröffent= P
licht er einmal die magyarischen a
Antworten auf seine Vorschläge. Dies
ungarische Justiz macht übrigens zur
Zeit gerade die Musik zum Begräb=*
nis der deutsch=magyarischen Verstän¬
digung: der Gastwirt Heß in Neu=I
satz wird vom höchsten Gericht des
Landes zu 14 Tagen Gefängnis ver¬g)
urteilt, weil Müller=Guttenbrunnsg
„Götzendämmerung“ in seinem Be¬
sitze gefunden wurde, und der Schrift¬
leiter Welker in Czerwenka, auch ein
„Pangermane“ erhält wegen angeb¬
licher Verleitung zur Auswanderung
sechs Monate Gefängnis und 1000
KIOIEIe
Arthur Sch
mag ein
hutes oderemeschleites Ss
len, es gehört nun einmal zu den
Kulturgeboten des literarischen Jung¬
bien, die Aufführung unter allen
Umständen durchzusetzen, und die
n
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Wechselbalg in Grund und Boden
verdammt. Das wird wohl zutref¬
sen, daß sie nicht ein Idealbild der
Geechtrigkeit ist, aber die Regierung
in Wien mußte das doch auch wissen.
Sie hat sich dafür eingesetzt, um die
Ruthenen wenigstens auf einem Ge¬
biete teilweise zu befriedigen und daß
dies mindestens schon aus Gründen
der auswärtigen Politik dringend
nötig ist, ist ja zur Genüge be¬
kannt. Wie ist es dann möglich, daß
die Bischöfe, auf die die Regierung
einzuwirken mancherlei Möglichkeit
hat, vorangehen konnten, um die
Resorm zu vereiteln? Oder wenn ihr
Wille nicht zu beugen war, mußte
man doch im Ministerratspräsidium
wissen, daß die Sache nicht zu ma¬
chen sei, und dann war es besser,
die Wahlreform nicht einzubringen
und dieses skandalöse Bekenntnis zur
Ohnmacht zu vermeiden. Wenn jetzt
der Ministerpräsident mit den pol¬
nischen Parteien verhandelt und selbst
der Nuntius bemüht wird, so macht
das den Eindruck, als ob Galizien
außerhalb Oesterreichs läge und man
mit einem fremden Staat verhandle.
Der Vorgang zeigt in erschreckender
Weise die Folgen der Politik gegen¬
über Galizien seit jenem verhängnis¬
vollen Tage, wo der liberale Mi¬
nister Has¬
AicheMuts¬
spina¬
Publikum strömt an einem Sonntagsmorgen aus den Schlafzimmern
des Franz Josefskai auf das zum Greifen nahe Schiff, die Matrosen,
die noch nie bei einer Volkstheaterpremiere waren, werden ohn¬
mächtig, Heller ermuntert sie von der Kommandobrücke, der
Fortschritt geht Volldampf voraus, Vorurteile werden über Bord
geworfen, man erlebt das Fahrwasser als Phrase und bis zur
Einfahrt in den Hafen vergeht die Zeit mit Lotselachs. Sie
kennen Preßburg. Sonst ziehen sie als Logenbrüder dahin, mit den
Logenschwestern, diesmal als Parkettbesucher. Sonst sind sie ein
nichtpolitischer Verein, diesmal gehn sie protestieren gegen die
Reaktion. Die Polizeihunde haben Feinde, das ist eine Mischpoche
von schlechtrassigen Bernhardinern, die bis Preßburg äußerln
gehen, wenn es in Wien nicht erlaubt, ist. Die Brüder von
S. Bernhardi wissen schon was sie tun. Es ist eine Flotten¬
demonstration der Kultur, für die ein Heller einen Kreuzer aus¬
rüstet, um einen Gulden zu verdienen. Man wird ein Komitee zum,
Schutze der Zensur gegen Ausbeutung ins Leben rufen müssen:
Am Jahrestag der -Titanics vermißt sich die Gewinnsucht, die sich
für die Kultursucht ausgibt, ein Schiff mit allem Komfort der
Reklame vom Stapel zu lassen. Wenn dieses Unternehmen gelingt, so
bedeutet es die größte Schiffskatastrophe, die die Welt bisher
erlebt hat... Es ist ins Wasser gefallen. Die Intellektuellen werden
einwaggoniert und so der äußerste Skandal verhütet. Das
schwimmende Volkstheaterparkett wird in der Sage weiterleben;
den Donaunixen, die so oft den Anblick der Freiheit erdulden
müssen, ist es erspart geblieben, zu erfahren, wie die Kultur aussieht.
Nachschrift: Auch mit der Eisenbahn gehts nicht. Preßburg will
nicht, wiewohl sich die Kultur, um Eingang zu finden, auf die
magyarische Ritterlichkeite berief und wiewohl sie versicherte, das
Preßburger Verbot schädige „die ideellen und materiellen Interessen
hunderter Wiener Kunstfreunde und Preßburger Bürgere. Was
nun die ideellen Interessen der Wiener Kunstfreunde anlangt, die
nicht nach Preßburg fahren können, so gibts da allerdings keine
Remedur, umsoweniger als auch der Concordiaball abgesagt ist.
Aber die materiellen Interessen, die sind in diesem kriegerischen Jahr
ohnedies schon so schwer geschädigt, daß der Verlust des
Professor Bernhardis kaum mehr gespürt werden dürfte. Nur nicht
übertreiben! Die Wiener Kunstfreunde und die Preßburger Bürger
sind ja übel dran, gewiß. Aber was sollen denn erst die Juden
in Saloniki sagen?
liegt die Geltungs= und Bündnis¬
fähigkeit; und so wenig man be¬
streiten wird, daß der Trialismus
beides schwächen, kann man auch be¬
haupten, daß ein „Unismus“ es
stärken würde. Dann wird verschie¬
dentlich Kaiserfeld als Kronzeuge für
den Dualismus zitiert; aber nicht
das ist wichtig, wie Kaiserfeld über
den Dualismus gedacht hat, sondern
wie führende ungarische Staatsmän¬
ner über ihn denken. Nun kommt
aber die Hauptsache. Dobernig fin¬
det den Dualismus reformbedürftig
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diese selbst zu einem „gemeinsamen.
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meinsamer Staatsrat“ wäre das
Reichsparlament und die Vertretung“
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alle zentrifugalen Kräfte, die mit dem
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das täte uns wirklich so gut, wie
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die ihn nicht schlucken wollen. Und —
solche Kinder sind nun einmal die Ma¬
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in Krämpfe verfallen läßt.
Damit kann die vom Abgeordne¬
ten Dobernig eingeleitete deutsch=
magyarische Verständigungsaktion
wohl als begraben gelten, was kein
Unglück ist; Dobernig selbst sieht #
voraus, daß seine „ketzerischen Ge¬*
danken in Ungarn wenig Gegenliebega
finden werden.“ Vielleicht veröffent= P
licht er einmal die magyarischen a
Antworten auf seine Vorschläge. Dies
ungarische Justiz macht übrigens zur
Zeit gerade die Musik zum Begräb=*
nis der deutsch=magyarischen Verstän¬
digung: der Gastwirt Heß in Neu=I
satz wird vom höchsten Gericht des
Landes zu 14 Tagen Gefängnis ver¬g)
urteilt, weil Müller=Guttenbrunnsg
„Götzendämmerung“ in seinem Be¬
sitze gefunden wurde, und der Schrift¬
leiter Welker in Czerwenka, auch ein
„Pangermane“ erhält wegen angeb¬
licher Verleitung zur Auswanderung
sechs Monate Gefängnis und 1000
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len, es gehört nun einmal zu den
Kulturgeboten des literarischen Jung¬
bien, die Aufführung unter allen
Umständen durchzusetzen, und die
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