II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 198

Nr. 17399
29. November 1912
(Neue Freie Presse.
Wien, Freitag
ngst, daß ihn die Snobs einen Kontrapunkt. Worauf ihm freilich die hübsche Antwortf geschaffen hatte und daß er sie frisch und lebendig be¬
handelte. Die seine Zeichnung mancher Figur wurde ebenso
zuteil wird, daß dies nur solange der Fall sei, bis einer
unten, niemals und nirgends
gewürdigt wie der amüsante, stellenweise geistreiche Dialog,
komme, dem wieder einmal eine Melodie einfalle. Aber
nd Lügen das Feld zu räumen.
wie überhaupt der große Erfolg, den das Stück gefunden
der Minister läßt sich durch solche Einwände nicht irre¬
fessor aus der Welt, in der man
hat, vor allem wohl darin seinen Grund hat, daß
egen den „nihilistischen Hochmut machen. Arbeiten, Leisten, das bezeichnet er als seine Welt¬
beinahe das Lustspiel ist, das man seit langem von Artur
acht und erklärt, Glaube und
anschauung, und dieser Forderung gegenüber muß alles
in den Hintergrund treten. Darum ist er auch stets zu
sehr gut. Wissenschaft ohne
Was die schauspielerischen Leistungen anbelangt, war
Konzessionen bereit, zu so ausgiebigen Konzessionen, daß
etwas unsichere Angelegenheit,
es ein Ehrenabend für das Kleine Theater, das nahezu
ge fehle. Neben dem nationalen
er schließlich der Minister für Kultus und Konkordat ge¬
allen Anforderungen genügte, die das figurenreiche Stück
klerikale Streber und der
nannt wird. Vorderhand stellt er sich auf die Seite Bern¬
von der Darstellung verlangt, und das in den Dienst der
zeitlebens die übertriebene
hardis, dem er freilich nachsagt, daß ihm der Blick fürs
Novität Einzelnleistungen und ein Ensemblespiel stellte,
und zu ihnen tritt der Mann,
Wesentliche fehle, ohne den alle Ueberzeugungstreue doch
wie dies kaum ein anderes Berliner Theater zuwege¬
wunsch nicht unterdrücken kann, nur Rechthaberei bleibe. Er wünscht zunächst, daß ihm die
gebracht hätte. Freilich ließ gerade der Vertreter des Pro¬
frätin zu werden. Auch sonst
Interpellation im Parlament erspart werde, redet auch
fessors Bernhardi, Herr Bruno Decarli, zu wünschen
kugten Anhängern der Lebens=] seinerseits Bernhardi zu, eine Erklärung abzugeben. Aber
übrig. Er war etwas gar zu deklamatorisch und schuf
stlosen Gemeinheit“, das heißt da er von jenem kleinen Kuhhandel hört, der Bernhardi
keine sehr sympathische Figur, woran allerdings wohl auch
zugemutet wurde, ändert er plötzlich seine Auffassung,
hne Grund, ohne Zweck, sogar
der Autor schuld sein mag. Denn gerade gegen die Figur
ge¬
denn jetzt fürchtet er die Interpellation nicht mehr und
Das Haupt dieser
des Helden in diesem Drama sind die meisten Einwen¬
Professor Bernhardi. Das
glaubt, der Klerikalen Herr zu werden, wenn er von
dungen zu erheben. Eine Meisterleistung war der Kaplan
Leitung über die ärgsten Fähr¬
der parlamentarischen Tribüne die Gesinnungslosigkeit
des Herrn Abel, die wieder einmal die vornehme Kunst
sten Kinderkrankheiten hinaus¬
aufdecken wird, die man von Bernhardi als Preis ver¬
dieses Schauspielers zeigte, die den besten Burgtheater¬
Protektorin, eine hochadelige
langte.
traditionen entspricht. Von großer Naturtreue war der
Hand über Bälle hält, die zu
Dazu kommt es aber nicht. Denn da der Minister
klerikale Professor Ebenwald, den Herr Klein=Rohden
et werden, und ein Kuratorium,
im Parlament die Interpellation beantwortet, spürt er
spielte. Hans Salsner gab den Professor Pflug¬
n Bischof, ein Bankdirektor und
plößlich mit seinem feinen Instinkt für die Massen¬
feldner, den alten Achtundvierziger, warmherzig und
s gibt sogar reiche Leute, die
stimmungen, daß das Haus auf seiten der Inter¬
sympathisch. Den Unterrichtsminister spielte Max Landa
es aber freilich nicht täten, wenn
pellanten stehe. Er kommt von seinem Thema ab, spricht
so, daß die feine satirische Zeichnung der Figur zur vollen
kein Bischof Kuratoren wären.
von der Notwendigkeit der religiösen Erziehung und
Geltung kam. Der anarchistische Hofrat im letzten Akt
die nur gelegentlich gestört endigt, vielleicht zu seiner eigenen Ueberraschung, mit der
freilich, der unter den Wiener Figuren dieses Stückes eine
Personalfragen handelt und nicht Mitteilung, daß er sich mit seinem Ministerkollegen von
der allerwienerischsten ist, hätte unbedingt auch eines
uffassung Bernhardis sich bekehren der Justiz ins Einvernehmen gesetzt habe, ob dem Pro¬
Wiener Darstellers bedurft, obwohl Max Adalbert
Posten dem Tüchtigsten gebühre,
fessor Bernhardi nicht der Prozeß wegen Religionsstörung
sein Möglichstes tat.
auf, als der Professor mit der
gemacht werden soue. Und dieser Prozeß wird tatsächlich
Es gab Beifall nach jedem Akt, manchmal sehr
Da liegt auf einer Abteilung durchgeführt, die Anklage lautet noch dazu auf Verbrechen
starken Beifall, und der Dichter, welcher der Vorstellung,
achtzehnjähriges Mädchen. Sie
und die Geschwornen finden Bernhardi schuldig, trotzdem
beiwohnte, konnte mehrmals vor dem Vorhang erscheftien.
Etsein, möchte aufstehen, spazieren
der Psarrer vor Gericht seine Ueberzeugung ausspricht,
gesund und ist doch eine Tod¬
das Verhalten des Angeklagten sei keineswegs von osten¬
Völlig ahnungslos ist sie in
tativ=feindl.cher Absicht gegen die katholische Kirche geleitet
befangen, daß in der nächsten
gewesen. Als der verurteilte Bernhardi in seine Wohnung
nahe steht, erscheinen wird, um
heimkehrt, da erscheint der Geistliche bei ihm, um sich mit
wieder mit sich zu nehmen ins
ihm auszusprechen. Und es ist eine der tiefsten
An das Sterbelager dieses
Szenen in dem Schnitzlerschen Werk, in der die
ttbar verloren ist und sich
beiden Vertreter entgegengesetzter Weltanschauungen
Priester mit den Tröstungen
die geistigen Waffen kreuzen, und die schließlich
und Bernhardi meint, es
damit endet, daß der Priester zu seiner Religion
möchte er sagen kein
sich bekennt, die ihm gebietet, auch die zu lieben, die ihn
llte man sie aus ihrem letzten
hassen, während der Arzt seine Weltanschauung rühmt,
tiester zögert. Er fragt, ob die
vie von ihm heischt, auch dort zu verstehen, wo er nicht
i, daß sein Erscheinen den Ver¬
verstanden werde. Bernhardi geht in das Gefängnis.
ungünstiger Weise beschleunigen
Aber schon deutet sich bei ihm der innere Umschwung an,
e noch zu retten ist, dann will
der sich während der Kerkerhaft vollendet. Er will nicht,
er wenn sie unbedingt verloren
daß seine Sache ein Politikum werde. Davor flüchtet er
seinem Recht, beharrt er auf der
sich eigentlich in die Zelle. Seine Lebensaufaabe ist es,
Denn was ein glücklsches Sterben
Leute gesund zu machen oder ihnen wenigstens einzu¬
Anschauung und die des Pro¬
reden, daß er es könne. Eine politische Affaire will er
useinander. Bernhardi verwehrt
aus seiner Angelegenheit nicht machen lassen. Das würde
an das Bett der Kranken zu
s Wohl seines Patienten bis zur ihn zu einer Rolle verführen, zu der er sich gar nicht
t bleibe, und er rührt leicht mit tauglich fühlt, weil es eben nur eine Rolle wäre. Darum
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