II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 199


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25. Professor Bernhand i
Ausschnitt auss. Dio Wage.
Wien
30 N0N 1612
vom:
1106
Arthur Scnfglers rasesion Bernhardi“
Erstvorlesung durch den Schauspieler Ferdinand Onno im Festsaal des
Ingenieur= und Architektenvereines am 28. November.
Man kennt die Vorgeschichte dieser Vorlesung. Das Deutsche
Volkstheater hatte das Drama zur Aufführung erworben, die
Zensurbehörde nach Anhörung des Zensurbeirates die Aufführung
verboten und das Ministerium als Brufungsinstanz das
Verbot bestätigt. Da man also —vorläufig — auf eine Bühnen¬
darstellung verzichten muß, entstand in einem hellen Kopse der
Gedanke, das Werk durch eine öffentliche Vorlesung weiteren
Kreisen bekannt zu machen. Nun, Österreich ist darob nicht
zugrunde gegangen, der Staat und die Kirche bestehen ruhig
weiter und sie wären wohl auch durch eine Theateraufführung
nicht in ihrem Bestande erschüttert worden.
Das Unternehmen brachte — dies sei vorweg festgestellt —
einen vollen Erfolg. Herr Onno entledigte sich seiner Aufgabe in
meisterlicher Weise: seine reiche Charakterisierungskunst, der edle
Ton seines Organes, das Feuer einer echten Begeisterung, das
aus seinen Augen leuchtete, bereiteten den mächtig ergriffenen Zu¬
hörern das Fest einer künstlerischen Darbietung, die den szenischen
Apparat der Bühne fast unschwer vermissen ließ, und Beifalls¬
stürme durchbrausten den dichtgefüllten Saal, wie wir sie „in
diesem Winter unseres Mißvergnügens“ an den eigentlich der
dramatischen Kunst geweihten Stätten noch nicht zu hören bekamen.
Die Dichtung selbst scheint uns eine der wirkungsvollsten,
die Schnitzler je gelang. Es sind Worte darin von markigem
Klange, von einer gewitterhaften Wucht des Ausdruckes, von
einer leidenschaftlich=schmerzlichen Bewegung, die man bisher in
keinem Bühnenwerk des Dichters vernommen und die nur wie
aus einer vulkanischen Entladung jahre=, jahrzehntelang unter¬
drückter innerer Empörung erklärt werden können. Aber es fehlen
auch die an Schnitzler mehr gewohnten ironischen Lichter nicht,
die wie rasche Blitze über den Horizont hinzucken, und es fehlt
vor allem auch nicht die tiefe, herzliche Rührung, in die das
Pathos leidenschaftlicher Spannung sich löst, wie in einen segnenden
Gewitterregen.
So kann man mur immer wieder bedauern, daß allzu große
Angstlichkeit diesem bedeutenden Kunstwerk die ihm gebührende
Wirkung von der Bühne herab — vorläufig — versagt hat. Aber
unsere dramatische Produktion ist an ähnlichen Gaben nicht so
reich, daß man auf die Dauer, ja auch nur auf längere Zeit
dieses von lebendigstem Leben erfüllte Werk im Theater wird
missen wollen, wird missen können. Ein längeres Verbot wird
seine Wirkung nur steigern, und man kann der Zensurbehörde
keinen besseren Rat geben, als sich den berechtigten Forderungen
der Zeit nicht eigensinnig zu entziehen.
B
uuslienangabe chne Grwan).
Ausschnitt aus: NEICHSPOST, WIEN
N 11 1912
vom:
Gee
anelen
Cheater, Kunst, Musik.
— Professor Bernkardi“. Die Aufführung dieses
vom
leuen Schausvieles von Artur Schnißler.
Buratheater zurückgewiesen, vom Deutschen Voltskheater
jedoch angenommen wurde, wurde bekanntlich von der
Zensur verboten. Am Donnerstag las nun der Schau¬
spieler Ferdinand Onno große Teile dieses Dramas im
Festsaale des Ingenieur= und Architektenvereines vor und
erntete für seine wahrhaft großartige Rezitationskunst
Auf das Stuck, das schon so viel vop¬

reichen Beifall.
sich reden gemacht hat, werden wir morgen eingeh#nld
zurückkommen
isschnitt aus:
Osterreich. Volkszeitlung, Wita
11. 197
Mm. Sernenung
— Ferdinand Onno vom Deutschen Volkstheaterlask
vorgestern abends im Saale des Ingenieur= und
Architektenvereins die jüngste dramatische Schöpsung
Artur Schnitzlers, die fünfaktige Komödick
„Profekfor Vernhärdi“, deren Aufführung im
Deutschen Volkstheater durch die Zensur verboten worden
war. Das Grundthema des Stückes ist ein Gewissens¬
problem, bei dem ein Mann der medizinischen Wissen¬
schaft, Professor Bernhardi, und der Pfarrer Franz
Reder einander gegenüberstehen. Bernhardi ist Direktor
des Elisabethinums, in dem ein junges Mädchen im
Sterben liegt. Dieses Mädchen befindet sich noch bei
vollem Bewußtsein und glaubt an ihre Rettung, und
Bernhardi verweigert dem Pfarrer den Eintritt zur
Sterbenden. Bernhardi ist ein lächelnder Philosoph. Die
Figuren des Stückes sind durchweg trefflich charakterisiert,
der Dialog geistreich. Das Publikum dankte dem Vor¬
An dem
tragenden durch stürmischen Beifall.
gleichen Abend sand im Berliner Kleinen Theater
die Uraufführung von Schnitzlers Komödie mit überaus
lebhaftem Erfolg statt.