Be
25. Professernhandi
Saila, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Sule. Kom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gowähr).
Ausschnitt aus:
Eingel Tugbiatt, Pag
vom:
972
Vorträge.
„Professor Bernhardi“.
(Vorlesung durch Ferdinand Onno.]
Die Lese= und Redehalle deutscher Studenten
hat ihren vielfachen Verdiensten um das geistige
Leben des, deutschen Prag ein neues hinzugefügt: sie
hat das letzte Bühnenwerk Arthur Schnitzlers,
dessen Aufführung in Oesterreich verboten wurde,
unserem Publikum vermittelt, indem sie Ferdinand
Onno zur Rezitation der Komödie einlud. Da
über die gleiche Veranstaltung in Wien erst vor
wenigen Tagen an dieser Stelle ausführlich be¬
richtet wurde, erübrigt es sich, das Werk nochmals
zu besprechen. Nur soviel sei bemerkt, daß dieses
Stück eines der an Reflexionen ärmsten unter
Schnitzlers Dramen ist. Den breitesten Raum nimmt
die bis ins feinste Detail realistisch ausgeführte,
für den Oesterreicher besonders reizoolle Schilderung
der wunderlichen Konflikte ein, die sich aus dem
Zusammentreffen von Gegensätzen der Weltanschau¬
ung, Brotneid Professoren=Intriguen ergeben. Die
breite Exposition und die ersten Akte des Stücks
bringen lediglich äußere Handlung; aber der Schluß
ist echter Schnitzler. Schon im Gespräch zwischen
Bernhardi und dem Pfarrer fällt manches klug
überlegte Wort; vollends der letzte Akt ist voll iro¬
nischer Weltkenntnis und Weisheit. Die Figur des
Hofrats im Unterrichtsministerium, der Beamten
und Anarchist zugleich ist, die Dialektik des Mini¬
sters, der Entschluß Bernhardis, auf die Rovision
seines Prozesses zu verzichten, nur um mit diesen
fremden, unbequemen Dingen sich nicht mehr ab¬
geben zu müssen, das alles ist tiefes und unerbitt¬
liches Erfassen resignierter Wahrheiten, dichterische
Ausprägung österreichischer Stimmungen, wie denn
das ganze Werk echt österreichisch und wohl nur
für den Oesterreicher ganz verständlich ist.
Die Vorlesung fand im Spiegelsaal des
Deutschen Hauses statt, den das Publikum bis auf
das letzte Plätzchen füllte und das Wiedersehen mit
Ferdinand Onno gestaltete sich sehr herzlich. Es
läßt sich nicht leugnen, daß es etwas ungemein
Mißliches ist, ein Drama und noch dazu eines, in
dem so viele Personen sprechen, vorzulesen; aber
die nervöse Lebendigkeit Onnos überwand diese
Schwierigkeit und brachte das Werk zu voller Wir¬
kung. Kürzungen am rechten Ort trugen dazu bei,
daß die Rezitation nicht durch übermäßige Länge
ermüdete. Gespannt und freudig folgte das Publi¬
kum der Darbietung, für die es am Schluß durch
stürmischen Beifall dankte.
(Die Frau und der Staat.) Vortragszytlus
des deutschen Vereins „Frauenfortschritt“. Heute
Mittwoch, 4. Dez., findet um 7 h abends im Säulen¬
saale des Deutschen Hauses der 3. Vortrag im Zyklus
statt. Universitätsprofessor Dr. Adolf Zycha spricht
über „Die Frau und das deutsche Recht". Karten zu
und 1 K sind in den Buchhandlungen C. Calve
(Kl. Ring), Neugebauer (Graben), Andrée (beim
Pulverturm) im Verein „Frauenfortschritt, Krakauer¬
gasse 20, und abends an der Kassa zu haben.
box 30/3
—.
vm. — i#te Die rackel, Wien
Aus-dem Tagebuch einer Verlorenen
Die liberale Presse wird hin und wieder sentimental darüber,
daß sie eine Gefallene ist., Gelegenheit bietet der Besuch eines
warmfühlenden Herrn wie es etwa der Dichter des -Professor
Bernhardis ist, Er scheinteihr zuzüreden, Er wird sozial mit ihr.
Er deckt Ubelstände auf. Er legt die Sonde an. Da macht sie dann
Inhaltsangaben, die wie Geständnisse sind. Da beweint sie ihr
elendes Glück und verflucht das Schicksal, das sie gezwungen hat,
sich allen den schmutzigen Kerlen hinzugeben, in den Personal¬
nachrichten und überhaupt. Hat man jahraus jahrein nichts anderes
gehört als: Gehst mit, schwarzer Dokter? Oder: Schöner Herr
Professor, kommen S’ her in die kleine Chronik, wir werden sich
gut amüsieren — so liest man jetzt plötzlich:
Professorzunft.... eine bedenkliche Clique allzu strebsamer junger
Dozenten.. Da ist der Salonprofessor .. der überzeugte Jude, den
zeitlebens die übertriebene Antisemitenriecherei quält, und zu ihnen tritt
der Mann, dessen Gattin den Lebenswunsch nicht unterdrücken kann,
an ihrem Geburtstag Hofrätin zu werden. Auch sonst fehlt es nicht an
überzeugten Anhängern der Lebensanschauung von der „selbstlosen
Gemeinheit“ das heißt Leute, die gemein sind oline Grund, ohne Zweck,
sogar ohne einen Vorteil.... Die Fürstin Stixenstein legt das Ball¬
protektorat nieder .... Und es gibt sogar auch Leute, die Geld dafür
hergeben, die es aber freilich nicht täten, wenn eben kein Prinz und
kein Bischof Kuratoren wären
Wie, das gibts? Und von wessen Gnade lebt diese ganze
Gesellschaft, für deren Abkonterfeiung in einem dürftigen Schlüssel¬
stück der warmfühlende Doktor gepriesen wird? Wer zieht die
bedenkliche Chque groß? Wer vertritt die Uberzeugung des
Juden, den die übertriebene Antisemitenriecherei quält, wer
die Interessen der Dame, die an ihrem Geburtstag Hofratsgattin
werden will (der kaiserliche Rat tuts nicht mehr), wer die Lebens¬
anschauung der selbstlosen Gemeinheit? Wer hat die alleinige
journalistische Vertretung der Fürstin Stixenstein übernommen?
Wer nennt alle Schmarotzer, die nur wohltun, wenn ein Prinz
dabei ist? Wer läßt keinen, der zahlt, unbefriedigt von hinnen?
Eben die, die hinterdrein Anwandlungen von Sentimentalität hat,
wenn so ein feiner Herr wie der Schnitzler kommt, der von der
Presse gar nichts verlangt, dem sie aber dafür alles gibt, weils
er sozial gesinnt ist, und besonders jetzt, wo er saus dem weiten
Land der Seele- (hat ihn schon) den Weg gefunden, nein, sich
40
gebahnt hat zu den Probiemen der Gegenwart, nämlich zu einem
Stück gegen die Christlichsozialen, in welchem von den Vertretern
entgegengesetzter Weltanschauungen die geistigen Waffen gekreuzt
werden“. Und weil er ausgerechnet die Leute tüchtig durchhechelt,
beleuchtet, unter die Lupe nimmt, die man tagtäglich nennen muß.
Aber auch dem Buchhändler Hugo Helfer gebührt Dank für
das geschickte Arrangement der Vorlesung.
25. Professernhandi
Saila, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Sule. Kom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gowähr).
Ausschnitt aus:
Eingel Tugbiatt, Pag
vom:
972
Vorträge.
„Professor Bernhardi“.
(Vorlesung durch Ferdinand Onno.]
Die Lese= und Redehalle deutscher Studenten
hat ihren vielfachen Verdiensten um das geistige
Leben des, deutschen Prag ein neues hinzugefügt: sie
hat das letzte Bühnenwerk Arthur Schnitzlers,
dessen Aufführung in Oesterreich verboten wurde,
unserem Publikum vermittelt, indem sie Ferdinand
Onno zur Rezitation der Komödie einlud. Da
über die gleiche Veranstaltung in Wien erst vor
wenigen Tagen an dieser Stelle ausführlich be¬
richtet wurde, erübrigt es sich, das Werk nochmals
zu besprechen. Nur soviel sei bemerkt, daß dieses
Stück eines der an Reflexionen ärmsten unter
Schnitzlers Dramen ist. Den breitesten Raum nimmt
die bis ins feinste Detail realistisch ausgeführte,
für den Oesterreicher besonders reizoolle Schilderung
der wunderlichen Konflikte ein, die sich aus dem
Zusammentreffen von Gegensätzen der Weltanschau¬
ung, Brotneid Professoren=Intriguen ergeben. Die
breite Exposition und die ersten Akte des Stücks
bringen lediglich äußere Handlung; aber der Schluß
ist echter Schnitzler. Schon im Gespräch zwischen
Bernhardi und dem Pfarrer fällt manches klug
überlegte Wort; vollends der letzte Akt ist voll iro¬
nischer Weltkenntnis und Weisheit. Die Figur des
Hofrats im Unterrichtsministerium, der Beamten
und Anarchist zugleich ist, die Dialektik des Mini¬
sters, der Entschluß Bernhardis, auf die Rovision
seines Prozesses zu verzichten, nur um mit diesen
fremden, unbequemen Dingen sich nicht mehr ab¬
geben zu müssen, das alles ist tiefes und unerbitt¬
liches Erfassen resignierter Wahrheiten, dichterische
Ausprägung österreichischer Stimmungen, wie denn
das ganze Werk echt österreichisch und wohl nur
für den Oesterreicher ganz verständlich ist.
Die Vorlesung fand im Spiegelsaal des
Deutschen Hauses statt, den das Publikum bis auf
das letzte Plätzchen füllte und das Wiedersehen mit
Ferdinand Onno gestaltete sich sehr herzlich. Es
läßt sich nicht leugnen, daß es etwas ungemein
Mißliches ist, ein Drama und noch dazu eines, in
dem so viele Personen sprechen, vorzulesen; aber
die nervöse Lebendigkeit Onnos überwand diese
Schwierigkeit und brachte das Werk zu voller Wir¬
kung. Kürzungen am rechten Ort trugen dazu bei,
daß die Rezitation nicht durch übermäßige Länge
ermüdete. Gespannt und freudig folgte das Publi¬
kum der Darbietung, für die es am Schluß durch
stürmischen Beifall dankte.
(Die Frau und der Staat.) Vortragszytlus
des deutschen Vereins „Frauenfortschritt“. Heute
Mittwoch, 4. Dez., findet um 7 h abends im Säulen¬
saale des Deutschen Hauses der 3. Vortrag im Zyklus
statt. Universitätsprofessor Dr. Adolf Zycha spricht
über „Die Frau und das deutsche Recht". Karten zu
und 1 K sind in den Buchhandlungen C. Calve
(Kl. Ring), Neugebauer (Graben), Andrée (beim
Pulverturm) im Verein „Frauenfortschritt, Krakauer¬
gasse 20, und abends an der Kassa zu haben.
box 30/3
—.
vm. — i#te Die rackel, Wien
Aus-dem Tagebuch einer Verlorenen
Die liberale Presse wird hin und wieder sentimental darüber,
daß sie eine Gefallene ist., Gelegenheit bietet der Besuch eines
warmfühlenden Herrn wie es etwa der Dichter des -Professor
Bernhardis ist, Er scheinteihr zuzüreden, Er wird sozial mit ihr.
Er deckt Ubelstände auf. Er legt die Sonde an. Da macht sie dann
Inhaltsangaben, die wie Geständnisse sind. Da beweint sie ihr
elendes Glück und verflucht das Schicksal, das sie gezwungen hat,
sich allen den schmutzigen Kerlen hinzugeben, in den Personal¬
nachrichten und überhaupt. Hat man jahraus jahrein nichts anderes
gehört als: Gehst mit, schwarzer Dokter? Oder: Schöner Herr
Professor, kommen S’ her in die kleine Chronik, wir werden sich
gut amüsieren — so liest man jetzt plötzlich:
Professorzunft.... eine bedenkliche Clique allzu strebsamer junger
Dozenten.. Da ist der Salonprofessor .. der überzeugte Jude, den
zeitlebens die übertriebene Antisemitenriecherei quält, und zu ihnen tritt
der Mann, dessen Gattin den Lebenswunsch nicht unterdrücken kann,
an ihrem Geburtstag Hofrätin zu werden. Auch sonst fehlt es nicht an
überzeugten Anhängern der Lebensanschauung von der „selbstlosen
Gemeinheit“ das heißt Leute, die gemein sind oline Grund, ohne Zweck,
sogar ohne einen Vorteil.... Die Fürstin Stixenstein legt das Ball¬
protektorat nieder .... Und es gibt sogar auch Leute, die Geld dafür
hergeben, die es aber freilich nicht täten, wenn eben kein Prinz und
kein Bischof Kuratoren wären
Wie, das gibts? Und von wessen Gnade lebt diese ganze
Gesellschaft, für deren Abkonterfeiung in einem dürftigen Schlüssel¬
stück der warmfühlende Doktor gepriesen wird? Wer zieht die
bedenkliche Chque groß? Wer vertritt die Uberzeugung des
Juden, den die übertriebene Antisemitenriecherei quält, wer
die Interessen der Dame, die an ihrem Geburtstag Hofratsgattin
werden will (der kaiserliche Rat tuts nicht mehr), wer die Lebens¬
anschauung der selbstlosen Gemeinheit? Wer hat die alleinige
journalistische Vertretung der Fürstin Stixenstein übernommen?
Wer nennt alle Schmarotzer, die nur wohltun, wenn ein Prinz
dabei ist? Wer läßt keinen, der zahlt, unbefriedigt von hinnen?
Eben die, die hinterdrein Anwandlungen von Sentimentalität hat,
wenn so ein feiner Herr wie der Schnitzler kommt, der von der
Presse gar nichts verlangt, dem sie aber dafür alles gibt, weils
er sozial gesinnt ist, und besonders jetzt, wo er saus dem weiten
Land der Seele- (hat ihn schon) den Weg gefunden, nein, sich
40
gebahnt hat zu den Probiemen der Gegenwart, nämlich zu einem
Stück gegen die Christlichsozialen, in welchem von den Vertretern
entgegengesetzter Weltanschauungen die geistigen Waffen gekreuzt
werden“. Und weil er ausgerechnet die Leute tüchtig durchhechelt,
beleuchtet, unter die Lupe nimmt, die man tagtäglich nennen muß.
Aber auch dem Buchhändler Hugo Helfer gebührt Dank für
das geschickte Arrangement der Vorlesung.