II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 201


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25. Porernhandi
(Qusllonangabe ohne Gewähr).
BOHEMIA, PRAG
0C7.1972.

Ein Zusammenstoß von Tendenzen, aber kein
Tendenzstück, in dem Schnitzler dessen, was wir an
Theater und Kunst.
ihm lieben, der seinen und feinsten Dialektik sich be¬
gäbe. Wohl steigt die Entwicklung bis zur Hälfte des
Verlaufs in gerader Linie an, wohl zieht sie uns
Schnitzlers „Professor Bernhardi.“
hinein in Diskussionen und politisch=ethische Kon¬
traste, und wohl hat Bernhardi zu allem von Schnitz¬
Vorlesungdurch Ferdinand Onno.
ler ein besonderes Kennzeichen erhalten: daß er
Im Spiegelsaal des Deutschen Hauses hat
Jude ist. Aber die Linie wird gebrochen. Der anti¬
gestern ein Theaterereignis außerhalb der Bühne
klerikale Gelehrte wird zum isolierten Mann, zum
stattgefunden. Als Gast der Lese= und Redehalle
Volksfeind. Nicht bloß der Schicht zu Gefallen, die
deutscher Studenten brachte Ferdinand Onno,
Schnitzler ehedem mit dem Professor Adolf Losatti
ähnlich wie in Wien, die von der Zensur verbotene
im „Vermächtnis“, dem scharfen Wesensbild des
Aerztekomödie Schnitzlers zum Vortrag. Und mag
jüdisch=wienerischen Altliberalismus, getroffen hat,
auch die Rezitation eines jeden auf unmittelbare
ist der Chorus von Bernhardis ärztlichen Kollegen
Gegenwart abzielenden Werkes nur ein Notbehelf
abgeschildert; auch die Löwenstein, Adler und Wenger
sein, hier wurden die Hörer durch einen Künstler
sind nicht retouchiert. Und eine Szene wie die zwi¬
von Rang entschädigt, der allem das Tempo eines
schen Bernhardi und dem Psarrer hebt das Ganze
mit ungewöhnlicher Hestigkeit erfassenden Geistes gibt.
in die reine Luft der dichterischen Unparteilichkeit.
Jubelnd wurde er empfangen.
Das im Komödiensinn Beste sind die Typen der in
Oesterreich Herrschenden. Dieser k. k. Unterrichts¬
Der „Professor Bernhardi“ liegt seiner Indi¬
minister wird auch durch kein Zensurverbot mehr der
vidualität zunächst nicht in demselben Maße wie
Vergessenheit überliefert werden, und dieser anarchi¬
die anderen Schauspieler Arthur Schnitzlers. Das
stische Hofrat hat nur hie und da in Bahrs witzigen
Drama der Stimmung ist durch ein Drama der
Romanen ein seiner wertes Gegenstück.
äußeren Handlung verdrängt, das Mysterium von
Leben und Tod durch einen Zusammenstoß öffentlicher
Herr Onno las das Drama mit meisterlicher,
nervöser Schattierung, eindrucksvoll und mit flie¬
Tendenzen. Vielfach wurde, noch ehe das Buch (bei
S. Fischer in Berlin) herauskam, das entscheidende
gender Hingabe. Die Hörer dankten mit stürmischem
Applaus, der ihm galt, dem Verfasser und dem
Motiv des ersten Aktes mitgeteilt. Professor
Werke. Die Vorlesung, die nur an zwei Stellen
Bernhardi, der Direktor des Wiener Elisabethi- durch kursorische Inhaltsangaben gekürzt war,
nums, läßt den Pfarrer Reder von Sankt Florian dauerte zweieinhalb Stunden.
nicht zum Bett einer sterbenden Patientin. Es istg
W.
eine junge Arbeiterin, die ihr Geliebter verlassen
hat, und die an Sepsis infolge unerlaubten Eingriffs
hoffnungslos erkrankt ist. Noch ahnt sie den Anbruch
ihrer Todesstunde nicht, im Dämmerschlaf eines glück¬
lichen Traumes wird sie hinübergehn. Der Pfarrer
erscheint, von der Schwester Ludmilla unter Gut¬
heißung des Kandidaten Hochroitzpointner gerufen.
Bernhardi redet ihm zu, die Sterbende nicht mehr
aus ihrem Wahn aufzurütteln und schonend sich zu
entfernen. Unbemerkt indes kündigt die Schwester¬
der Aermsten den Besuch des Geistlichen an. „Mußs
ich denn wirklich sterben?“ jammert sie und ver¬
scheidet plötzlich. Nun beschuldigt der Pfarrer den
Arzt, daß er das sündige Mädchen gehindert habe,
die Tröstungen der Religion zu empfangen. Mit die¬
sem lauten Einspruch beainnt ein unnachsichtlicher
Revanchekrieg, der vier Akte durchgeführt wird, bis
zum Prozeß gegen Bernhardi, bis zu seiner Verur¬
teilung zu zwei Monaten Gefänqnis und zum Vorsta¬
dium der durch eine Selbstbezichtigung der Schwester
Ludmilla ermöglichten Wiederaufnahme. Die Fürstin¬
Stixenstein legt das Protektorat über den Ball des
Elisabethinums nieder. Dann demissioniert das ge¬
samte Kuratorium, mit Einschluß des freisinnigen
Prinzen Konstantin und des Hofrats Winkler, der
seine private Lebensansicht in das Bonmot zusammen¬
faßt: „Anarchist oder Trottel“ Zuerst ist Bernhardi
nicht abgeneigt, durch eine schriftliche Erklärung den
Konflikt aus der Welt zu schaffen. Jedoch die inter¬
essierten Umtriebe seines Kollegen Ebenwald, der ihn
bestimmen will, dem oben gut empfohlenen Professor
Hell aus Graz die Abteilung für Hautkronkheiten
zuzuschanzen und nicht dem bisherigen Assistenten
Dr. Wenger, widern den Kämpfer gegen brutale und
heimliche Gewalten an, und er zögert. Ein letztes
Mal bietet sich eine Gelegenheit zum Frieden. Der
Minister für Kultus und Unterricht selbst kommt zu
Bernhardi. Die im Amt noch wenig verbrauchte
und von Reformerehrgeiz getragene Exzellenz ist der
Kliniker Professor Flint, Bernhardis einstiger
Studienfreund. Längst haben ihre Wege sich ge¬
trennt, längst weiß Flint sich von Bernhardi mi߬
achtet. Mit dem Ton der Wärme erstreht er sein
Vertrauen. Sein Zweck ist die Umgehung der von
den Christlichsozialen gestellten Parlamentsinter¬
pellation, in der Bernhardi, ganz wie nachher vor
Gericht, angeklagt wird, sich an dem Pfarrer ver¬
griffen zu haben. Aber dem Jugendfreund gegen¬
über ist die Exzellen,
hohne
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