box 30/3
25. ProfessBehand
163
*
∆
* X *
liche Amter gehören, wo sie durch ihr abweichendes Denken und Empfinden
unsere berechtigten nationalen und religiösen Anschauungen beeinträchtigen.
Wie ohne Weiteres zugegeben sei, hat das Stück, rein äußerlich ge¬
nommen, viel Ansprechendes. Es ist dramatisch lebendig, zeigt gut ausge¬
prägte Charaktere und eine fesselnde Gesprächsführung (Dialog). Wer
gewohnt ist, Leistungen der Kunst nur nach solchen Außerlichkeiten, nach
der bloßen Technik zu beurteilen, möge hier bedingungslos zustimmen.
Man sollte sich aber gewöhnen — und das wird heute nur zu oft versäumt —
die Künste auch auf ihre sozialen, moralischen und national=ethischen Wir¬
kungen hin zu beurteilen. Eine Kunst, deren Vorzüge nur in technischem
Raffinement bestehen, ist gewiß nicht die höchste; denn schließlich sollen
die Künste auch mitwirken an der wichtigsten Aufgabe des Erdenlebens:
an der Erziehung und Vervollkommnung des Menschengeschlechts.
Was wiegt nun das Stück auf dieser Wage? Es muß zugestanden
werden, daß der Held des Stückes ein echter Held im guten Sinne ist, ein
Mann, der für seine Überzeugung kämpft und leidet. Und wenn ein naives
Publikum sich für diesen Helden begeistert, so gereicht ihm das zur Ehre,
denn er bekundet damit, wie der Sinn für Charakter=Größe und Wahrheits¬
Liebe in ihm noch lebendig ist. Nur eine klein= unmerkliche Fälschung ist
hierbei untergeschoben, ohne daß der Naive es gewahrt. Es werden hier
durch den Helden und seine Gegner zugleich zwei politisch streitende Parteien
zu kennzeichnen versucht, und die Verteilung von Licht und Schatten ist dabei
ganz willkürlich und einseitig. Wir sehen auf der einen Seite fast nur Tugend¬
helden, auf der anderen Schwächlinge, Streber, Intriguanten und eitle
Hohlköpfe. Man merkt die Absicht und man wird verstimmt. Gewiß ist
nicht zu bestreiten, daß es auch unter Juden einmal einen ehrlichen Charakter
geben kann, im Allgemeinen aber wissen die Tatsachen des Lebens und der
Geschichte Anderes zu berichten. Nathan der Weise nimmt sich auf dem
Papier und auf der Bühne recht hübsch aus, aber in der Wirklichkeit hat man
noch keinen gefunden. Wenn wir uns recht entsinnen, ist einmal ein Preis
ausgeschrieben worden um Ausfindigmachung eines Juden, der mit dem
weisen Nathan einen Vergleich aushalten könnte. Es hat Niemand den
Preis zu verdienen versucht, kein Jude sein Leben darauf hin untersuchen
lassen wollen, ob es immer auf den strengsten Pfaden der Weisheit und
Tugend geblieben sei. Also: Es gibt solche Juden nicht! Der edle Jude ist
eine wirksame Theater=Figur, aber die rauhe Wirklichkeit des Lebens zeigt
ihn in anderem Lichte.
Und so müssen wir von Shnitzler's Stück sagen: Es ist nicht lebens¬
wahr, ja es bezweckt im Interesse politischer Gegensätze eine einseitige Ent¬
stellung der Tatsachen; es ist also ein Tendenzstück im schlimmsten Sinne, ein
Versuch der Lebensfälschung zu politischen Zwecken. F. Roderich=Stoltheisf.
5
Merkspröche.
Ein Liberaler, der sich nicht einfach der Herrschaft der Phrase unter¬
wirft, wird mit vollster Überzeugung sagen dürfen, daß es Unsinn und Un¬
recht ist, Allen gleiche politische Rechte zu gewähren, und daß es wiederum
rein verstandesmäßig Unsinn und der Allgemeinheit gegenüber Unrecht
ist, die inneren Feinde gewähren zu lassen, weil sie Bürger desselben Staates
sind.
Daniel Frymann.
25. ProfessBehand
163
*
∆
* X *
liche Amter gehören, wo sie durch ihr abweichendes Denken und Empfinden
unsere berechtigten nationalen und religiösen Anschauungen beeinträchtigen.
Wie ohne Weiteres zugegeben sei, hat das Stück, rein äußerlich ge¬
nommen, viel Ansprechendes. Es ist dramatisch lebendig, zeigt gut ausge¬
prägte Charaktere und eine fesselnde Gesprächsführung (Dialog). Wer
gewohnt ist, Leistungen der Kunst nur nach solchen Außerlichkeiten, nach
der bloßen Technik zu beurteilen, möge hier bedingungslos zustimmen.
Man sollte sich aber gewöhnen — und das wird heute nur zu oft versäumt —
die Künste auch auf ihre sozialen, moralischen und national=ethischen Wir¬
kungen hin zu beurteilen. Eine Kunst, deren Vorzüge nur in technischem
Raffinement bestehen, ist gewiß nicht die höchste; denn schließlich sollen
die Künste auch mitwirken an der wichtigsten Aufgabe des Erdenlebens:
an der Erziehung und Vervollkommnung des Menschengeschlechts.
Was wiegt nun das Stück auf dieser Wage? Es muß zugestanden
werden, daß der Held des Stückes ein echter Held im guten Sinne ist, ein
Mann, der für seine Überzeugung kämpft und leidet. Und wenn ein naives
Publikum sich für diesen Helden begeistert, so gereicht ihm das zur Ehre,
denn er bekundet damit, wie der Sinn für Charakter=Größe und Wahrheits¬
Liebe in ihm noch lebendig ist. Nur eine klein= unmerkliche Fälschung ist
hierbei untergeschoben, ohne daß der Naive es gewahrt. Es werden hier
durch den Helden und seine Gegner zugleich zwei politisch streitende Parteien
zu kennzeichnen versucht, und die Verteilung von Licht und Schatten ist dabei
ganz willkürlich und einseitig. Wir sehen auf der einen Seite fast nur Tugend¬
helden, auf der anderen Schwächlinge, Streber, Intriguanten und eitle
Hohlköpfe. Man merkt die Absicht und man wird verstimmt. Gewiß ist
nicht zu bestreiten, daß es auch unter Juden einmal einen ehrlichen Charakter
geben kann, im Allgemeinen aber wissen die Tatsachen des Lebens und der
Geschichte Anderes zu berichten. Nathan der Weise nimmt sich auf dem
Papier und auf der Bühne recht hübsch aus, aber in der Wirklichkeit hat man
noch keinen gefunden. Wenn wir uns recht entsinnen, ist einmal ein Preis
ausgeschrieben worden um Ausfindigmachung eines Juden, der mit dem
weisen Nathan einen Vergleich aushalten könnte. Es hat Niemand den
Preis zu verdienen versucht, kein Jude sein Leben darauf hin untersuchen
lassen wollen, ob es immer auf den strengsten Pfaden der Weisheit und
Tugend geblieben sei. Also: Es gibt solche Juden nicht! Der edle Jude ist
eine wirksame Theater=Figur, aber die rauhe Wirklichkeit des Lebens zeigt
ihn in anderem Lichte.
Und so müssen wir von Shnitzler's Stück sagen: Es ist nicht lebens¬
wahr, ja es bezweckt im Interesse politischer Gegensätze eine einseitige Ent¬
stellung der Tatsachen; es ist also ein Tendenzstück im schlimmsten Sinne, ein
Versuch der Lebensfälschung zu politischen Zwecken. F. Roderich=Stoltheisf.
5
Merkspröche.
Ein Liberaler, der sich nicht einfach der Herrschaft der Phrase unter¬
wirft, wird mit vollster Überzeugung sagen dürfen, daß es Unsinn und Un¬
recht ist, Allen gleiche politische Rechte zu gewähren, und daß es wiederum
rein verstandesmäßig Unsinn und der Allgemeinheit gegenüber Unrecht
ist, die inneren Feinde gewähren zu lassen, weil sie Bürger desselben Staates
sind.
Daniel Frymann.