II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 209

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25. ProfessorBernhandr
(Gsehlenangabe ehne Genühel.
Aschault auns h. Niacdks Koschenschrist Wiag
20. JAN. 1973
vom:
4Profeskor Bernhardis, Komödie in fünf Akten von Arthur
ScaHemper Verlag. Berlin 1912.)
Die Fabel des Buches ist bekannt. — Professor Bernhardi,
Direktor des Elisabethinums, verweigert dem Pfarrer Franz Reder
den Zutritt zu einem sterbenden, in Euphorie und völliger Un¬
kenntnis seines nahen Todes sich belindenden 18jährigen Mädchens.
Zu meinen I'flichten gehört es, wenn nichts anderes mehr in
meinen Krüften sicht, meinen Kranken, wenigstens so weit als
möglich, ein glückliches Sterben zu verschaffen.
Während
der mit dem P'farrer vor dem Krankenzimmer geführten Dis¬
kussion stirbt die Patientin.
Bernhardi,ist Jude, lebt um die Jahrhundertwende zu Wien
— was folgen muß, ist klar. —
Das Buch wirkt wie eine Radierung von ausgezeichneter
Feinheit: — Wien, Oesterreich, 1900! — Klar und scharf bis ins
kleinste Detail sind die Typen gezeichnet — fécit Arthur Schnitzler.
Die Ebenwalds, Flints und Hochreitzpoitners, die Doktor
Goldenthale mit den Söhnen in Kalksburg, die Juden hinter der
Szene seine gewisse Sorte mein' ich, die keine Gelegenheit
vorübergehen läßt, sich in den Schutz der herrschenden Mächte
zu begeben. und die neueste Schöpfung der Spezies -Glück¬
lich Getaufter-, die da versichert:
„Wenn sich einer von
meiner Abslammung heutzutage als Deutscher und Christ bekennt,
so gehört dazu ein großer Mut, als wenn er das bleibl, als was
er auf die Welt gekommen ist .. —
wer kennt die nicht? ¬
Freilich Löwenslein ist ein etwas seltenerer Charakter und Menschen
wie Pflugfelder sen., prächtig und gediegen, wie sie einmal waren
in Oesterreich, dürfte es auch nur wenige mehr geben. Bernbardi.
ein Großer, der nach Recht und Gewissen, anbekümmert um
Opportunitäten handelt, zu jüdisch im Sinne des prophetisch¬
messianischen Ideals und daher zu wenig jüdisch für das Leben
im allgemeinen und das der Gegenwart im besonderen, ist eine
Tragödie. Noch sind die Menschen ein Gesindel und eine Frecht
mangelhafte Gesellschaft- und damit nicht rechnen zu können
und dazu noch Jude zu sein, das muß man immer büßen!
Schnitzler nennt sein Werk eine Komödie. Das Buch muß
man gelesen haben! Die Rezensionen, mehr oder minder geist¬
reichen Artikel und Artikelchen, die es hervorgerufen hat. kann
man sich größtenteils schenken, ohne etwas dabei zu verlieren,
trotzdem sie auch eine Komödie bilden und eine Komödie ganz
eigener Art.
Warum wohl die jüdischen Blätter bis jetzt von dem Buche
keine Notiz genommen haben?
Versehen? oder Absicht? —
Ja, wenn 'nur Schnitzler nicht zufällig ein Jude wäre! — Nicht
wahr, Dr. Löwenstein?
Iiona Löwy.
Zeitschrift für Demographie und Statistik der Juden.
Herausgegeben vom Bureau für Statistik der Juden. Berlin
2. An der Spandauer Brücke 15. Schriftleitung: Dr.
Bruno Blau, Berlin. 9. Jahrgang. Nr. 1. Januar 1913.
Inhalt: I. Abhandlungen: Geheimer Sanitätsrat Dr. Louis
Maretzki. — Regierungsrat L. Knöpfel, Darmstadt:
Der Geburtenrückgang und die Sterblichkeit bei der jüdi¬
schen Bevölkerung.
Dr. occ. publ. J. Segall. Berlin:
Die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung in Berlin
von 1811—1910.
Maximilian Paul Schiff. Wien:
Austritte aus dem Judentum
in Oesterreich.
II. Statistisches Archiv: Armenetat in 57 jüdischen
Gemeinden Deutschlands 1887—1911. — Eheschließungen in
Amsterdam im Jahre 1911 mit Rückblick bis 1904. — Ehe¬
schließungen in Frankfurt a. M. 1911. — Die rechtskräftig
verurteilten Personen im Großherzogtum Baden nach der
Religion im Jahre 1909. — Eheschließungen in Victoria im
Jahre 1910. — III. Literatur.