* C
eS S
25 BBernhandr
10 0MN. 1977
ORESDNER ANZEIGEF
Theater und Musik
* Leipziger Theater. Sechs Wochen nach der auf
Brahms Todestag fallenden Urgufführung in Berlin ist
Professor
nun auch hier Schnitzbers Drama
Bernardi gespielt wörden und hat recht starken Erfolgsi
gehabt, an dem man der sehr guten, gleichmäßig auf ders#
Höhe bleibenden Darstellung unter Huths Leitung einen
sehr bedeutenden Anteil wird zuerkennen müssen. Denn
die von Decarli verkörperte Titelrolle allein vermöchte nichtsg
so sehr zu interessieren, wenn sie nicht gehoben wäre durch
die fortwährende Gegenüberstellung einer ganzen Fülle
markanter und außerordentlich gut beobachteter menschlichst
echter Gestalten. Bis zu dem besonders wohlgelungenen
dritten Akt haben wir ein ernstes Schauspiel, in dem der
Konflikt zwischen Arzt und Pfarrer am Sterbebett einer
Kranken streng logisch und in überzeugender Steigerungsg
durchgeführt ist. Dann hat Schnitzler den Charakter des.
n
Ganzen umgebogen und, indem er eine Komödie daraus
macht, einen Zwiespalt geschaffen, der selbst dem Durch=b
schnittszuschauer nicht verborgen bleibt. Was an dem Werkd
11
aber auch da noch fesselt, ist die Beherrschung des Gesprächs
2
und die Technik. Das rein Menschliche versagt in seiner
Wirkung auch da nicht, wo entschiedene Schwächen festgestellt
werden müssen, so in der fast wie ein Verlegenheitsfüllsel
wirkenden Szene zwischen dem verurteilten Arzt und dem
jungen Pfarrer. All dies echt wienerische Leben, wie es
Schnitzler dargestellt hat, nun auf den Brettern neu er=A
stehen zu lassen, vermochte die hiesige Aufführung, die er¬ K¬
T
wies, daß wir es mit einem gut gemachten, für alle Dar¬
11
steller dankbaren und in vielen Zügen sehr interessanten
11
Theaterstück zu tun haben, aber zügleich mit einem nicht
mehr recht unter den Begriff Literatur zu rechnenden s
Zwitter von Lustspiel und Schausviel.
** Berliner Börsen Courier, Berlin
#
Morgenausgabe
10 1 1915
Schnitzlers Professor Bernardi“ in Leip¬
novität im neuen Jahre,
te
zig
Schnitzlers „Professor Bernardi“ zeigte in
einer sehr abgerundeten Vorstellung das gesamte
männliche Personal des Leipziger Stadttheaters auf
der Höhe der Leistungsfahigkeit, voran Bruno
Decarli, den Berlinern als Creator der Titelrolle
bei der Uraufführung bekannt, Wilhelm Walter als
kontrastierender Minister und der zugleich als Re¬
gisseur hoch verdiente Carl Huth als cholerischer An¬
hänger des Titelhelden. Auch hier deckte die Quali¬
tät der Wiedergabe die Schwächen des Werkes zu und
half, das Menschliche herauskehrend, über den inne¬
ren Zwiespalt der Dichtung hinweg, so daß ein sehr
W—n.
starker Darstellungserfolg herauskam.
Berliner Zeitung am Mittag, Berlin
10 1 1913
ra. gespien werden.“
A Oper-von-E.=Künnecke, dem
Kömponisten von „Robins Ende“ wurde vom
[Dresdner Opernhaus zur Uraufführung
erworben.
Artur Schnitzlers „Professor Bern¬
hardi
h#te„i Alter
Theater einen unbestrittenen Erfolg.“Das
Publikum folgte der Aufführung von Anfang
an mit Spannung. Das Stück war vom Re¬
gisseur des Lustspiels Huth in Szene gesetzt
werden. Die Titelrolle gab Decarli. Als
Minister wußte Walter die feinkomischen
Seiten der Rolle geschickt zu betonen, und unter
den Aerzten boten Hellmuth=Bräm,
Demme, Huth und Heyse gute Typen.
„
box 30/3
Ausschnitt aus:
Reichenberger Zeitung
vom:
S
(Schnitzlers „Profesfoer Bernhardt2)
erzielte bei seiner ersten Aufführung in Leipzig im
Alten Theater einen überraschenden Erfolg. Die
vortreffliche Inszenierung, die von Herrn Huth
besorgt wurde, und die glänzende Darstellung haben
ihren redlichen Anteil daran. Der Komödie, deren
Aufführung bekanntlich dem Wiener Deutschen
Volkstheater ohne Angabe von Gründen durch die
Zensurbehörde erweigert wurde, sind nun auch in
München Zensurschwierigkeiten erwachsen. Dort!
haben aber die Behörden ihre Bedenken gegen das
Werk, das in Berlin einen so nachhaltigen Erfolg
orzielt hat, fallen lassen, und so wurde die Pre¬
miere im Münchener Schauspielhause für den 1.
Feber angesetzt.
10 JAN 197
Leipziger Neueste Nachrichten
ee
# Theater und mulik.
Profess## ####hardi.
Xomödie in 5 Akten von Arthur Schnitzler.
(Erstaufführung im Alten Theater, Leipzig, am 8. Jan.)
Nicht nur die Seele, auch die Kunst ist wahrlich ein „weites Land“.
in dem man täglich neu seine Wunder und Ueberraschungen erleben
kann! Dies neue Stück des Wiener Poeten, welch seltsames, tiefes,
aufwühlendes Erleben brachte es gestern in erster Linie — dem Kri¬
titer; ja gerade ihm, der da saß und über allem starken inneren Be¬
rührtsein durch hohe geistige Werte doch mit dem kühl wägenden Ver¬
stande des Kunstrichters die Formen maß und abwog, die den Bau
dessen ausmachen sollen, was man ein Theaterstück, ein Bühnenkunst¬
werk nennt. .
Durch fünf lange Akte sieht man es an allen Enden,
erkennt es immer klarer und unzweideutiger: welch ein, nach den
Regeln der zünftigen Theaterbaukunst dürftiges, ja schlechtes Stück
diese toternste Aerzte=Komödie ist. Ja man darf getrost sagen, daß
Schnitzler, am Zunftbrauch gemessen, kaum je ein salopper gebautes
Bühnenstück geschrieben hat. ...
Was es an äußerer Handlung
gibt, ist sorglich so ins Unaufdringliche verschliffen, so rein als „An¬
laß“ zur Entfesselung des Geistigen in die zweite Kulisse dem Hinter¬
Agrunde zugeschoben, daß man von einem Aufbau, von einem kunst¬
vollen technischen Knüpfen und Entwirren der Fäden des Geschehens
gar nicht reden kann. Es geht alles überaus natürlich zu, und der
Fall Bernhardi entwickelt sich äußerlich ganz im erwarteten Gleise.
Ein berühmter Arzt hat dem katholischen Priester den Zutritt zum
Sterbebett eines gefallenen Mädchens verweigert, um der Armen,
die keine Ahnung von ihrem bevorstehenden Tode hat, ihren seligen
Glauben an die Rückkehr ins Leben und damit die letzten hoffnungs¬
trunkenen Minuten ihres Erdendaseins nicht zu trüben. Diese Hand¬
lung impulsiver Menschlichkeit wird ihm nun von seinen Feinden und
Neidern zum Fallstrick gemacht. Eine politische Interpellation führt
zur Anklage wegen Religionsverletzung, der die Verurteilung zu zwei
Monaten Gefängnis auf dem Fuße folgt. Bernhardis Stolz will
seine Gegner bis zum Aeußersten treiben, er nimmt die Strafe auf
sich und verbüßt sie. Als er das Gesängnis verläßt, hat sich die
Situation bereits völlig zu seinen Gunsten verändert. Der Regierung
ist der Fall Bernhardi durchaus fatal: und als zum guten Glück die
Kronzeugin, eine Krankenschwester, plötzlich ihre belastende Aussage
in einer Eingabe ans Ministerium widerruft, da ergreift der Herr
Kultusminister mit Wonne die Gelegenheit — das heißt: er kommt
nicht dazu, denn Bernhardi ist dieser Reinwaschrummel ebenso zu¬
wider als die vorhergegangene Hetze. Ihm sind seine Ruhe und seine
Arbeit wichtiger
— er verbittet sich
das Wiederaufnahme¬
verfahren
und läßt sich an den
gewonnenen Erfah¬
rungen, die
von
seiner geistigen Höhe herab nur
noch belächelt, genug sein ... Das klingt, wenn man's so erzählen
hört, nach allerhand. Aber es ist nicht Sudermann oder Philippi, der
den Stoff in die Hände nahm, sondern Arthur Schnitzler! So gibts
keine dramatischen Explosions=Effekte, sondern „nur“ eine lange Kette
von blitzenden, funkelnden, sprühenden Dialogen, die den Fall von
allen für einen Menschen von Geist interessanten Seiten her tages¬
hell beleuchten. Also technisch ein Nach= und Nebeneinander von Dia¬
logen, eine aneinandergereihte Serie von Wortgefechten. Und dabei
das Fesselndste, Packendste, Imponierendste, was ich seit langer Zeit
auf der deutschen Bühne gesehen habe! Die Kunst ist ein weites Land...
Inmitten dieser architektonischen Mängel steht ein König, ein
Beherrscher feinster geistiger und seelischer Offenbarungen, und führt
.
GEHTTT
eS S
25 BBernhandr
10 0MN. 1977
ORESDNER ANZEIGEF
Theater und Musik
* Leipziger Theater. Sechs Wochen nach der auf
Brahms Todestag fallenden Urgufführung in Berlin ist
Professor
nun auch hier Schnitzbers Drama
Bernardi gespielt wörden und hat recht starken Erfolgsi
gehabt, an dem man der sehr guten, gleichmäßig auf ders#
Höhe bleibenden Darstellung unter Huths Leitung einen
sehr bedeutenden Anteil wird zuerkennen müssen. Denn
die von Decarli verkörperte Titelrolle allein vermöchte nichtsg
so sehr zu interessieren, wenn sie nicht gehoben wäre durch
die fortwährende Gegenüberstellung einer ganzen Fülle
markanter und außerordentlich gut beobachteter menschlichst
echter Gestalten. Bis zu dem besonders wohlgelungenen
dritten Akt haben wir ein ernstes Schauspiel, in dem der
Konflikt zwischen Arzt und Pfarrer am Sterbebett einer
Kranken streng logisch und in überzeugender Steigerungsg
durchgeführt ist. Dann hat Schnitzler den Charakter des.
n
Ganzen umgebogen und, indem er eine Komödie daraus
macht, einen Zwiespalt geschaffen, der selbst dem Durch=b
schnittszuschauer nicht verborgen bleibt. Was an dem Werkd
11
aber auch da noch fesselt, ist die Beherrschung des Gesprächs
2
und die Technik. Das rein Menschliche versagt in seiner
Wirkung auch da nicht, wo entschiedene Schwächen festgestellt
werden müssen, so in der fast wie ein Verlegenheitsfüllsel
wirkenden Szene zwischen dem verurteilten Arzt und dem
jungen Pfarrer. All dies echt wienerische Leben, wie es
Schnitzler dargestellt hat, nun auf den Brettern neu er=A
stehen zu lassen, vermochte die hiesige Aufführung, die er¬ K¬
T
wies, daß wir es mit einem gut gemachten, für alle Dar¬
11
steller dankbaren und in vielen Zügen sehr interessanten
11
Theaterstück zu tun haben, aber zügleich mit einem nicht
mehr recht unter den Begriff Literatur zu rechnenden s
Zwitter von Lustspiel und Schausviel.
** Berliner Börsen Courier, Berlin
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Morgenausgabe
10 1 1915
Schnitzlers Professor Bernardi“ in Leip¬
novität im neuen Jahre,
te
zig
Schnitzlers „Professor Bernardi“ zeigte in
einer sehr abgerundeten Vorstellung das gesamte
männliche Personal des Leipziger Stadttheaters auf
der Höhe der Leistungsfahigkeit, voran Bruno
Decarli, den Berlinern als Creator der Titelrolle
bei der Uraufführung bekannt, Wilhelm Walter als
kontrastierender Minister und der zugleich als Re¬
gisseur hoch verdiente Carl Huth als cholerischer An¬
hänger des Titelhelden. Auch hier deckte die Quali¬
tät der Wiedergabe die Schwächen des Werkes zu und
half, das Menschliche herauskehrend, über den inne¬
ren Zwiespalt der Dichtung hinweg, so daß ein sehr
W—n.
starker Darstellungserfolg herauskam.
Berliner Zeitung am Mittag, Berlin
10 1 1913
ra. gespien werden.“
A Oper-von-E.=Künnecke, dem
Kömponisten von „Robins Ende“ wurde vom
[Dresdner Opernhaus zur Uraufführung
erworben.
Artur Schnitzlers „Professor Bern¬
hardi
h#te„i Alter
Theater einen unbestrittenen Erfolg.“Das
Publikum folgte der Aufführung von Anfang
an mit Spannung. Das Stück war vom Re¬
gisseur des Lustspiels Huth in Szene gesetzt
werden. Die Titelrolle gab Decarli. Als
Minister wußte Walter die feinkomischen
Seiten der Rolle geschickt zu betonen, und unter
den Aerzten boten Hellmuth=Bräm,
Demme, Huth und Heyse gute Typen.
„
box 30/3
Ausschnitt aus:
Reichenberger Zeitung
vom:
S
(Schnitzlers „Profesfoer Bernhardt2)
erzielte bei seiner ersten Aufführung in Leipzig im
Alten Theater einen überraschenden Erfolg. Die
vortreffliche Inszenierung, die von Herrn Huth
besorgt wurde, und die glänzende Darstellung haben
ihren redlichen Anteil daran. Der Komödie, deren
Aufführung bekanntlich dem Wiener Deutschen
Volkstheater ohne Angabe von Gründen durch die
Zensurbehörde erweigert wurde, sind nun auch in
München Zensurschwierigkeiten erwachsen. Dort!
haben aber die Behörden ihre Bedenken gegen das
Werk, das in Berlin einen so nachhaltigen Erfolg
orzielt hat, fallen lassen, und so wurde die Pre¬
miere im Münchener Schauspielhause für den 1.
Feber angesetzt.
10 JAN 197
Leipziger Neueste Nachrichten
ee
# Theater und mulik.
Profess## ####hardi.
Xomödie in 5 Akten von Arthur Schnitzler.
(Erstaufführung im Alten Theater, Leipzig, am 8. Jan.)
Nicht nur die Seele, auch die Kunst ist wahrlich ein „weites Land“.
in dem man täglich neu seine Wunder und Ueberraschungen erleben
kann! Dies neue Stück des Wiener Poeten, welch seltsames, tiefes,
aufwühlendes Erleben brachte es gestern in erster Linie — dem Kri¬
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rührtsein durch hohe geistige Werte doch mit dem kühl wägenden Ver¬
stande des Kunstrichters die Formen maß und abwog, die den Bau
dessen ausmachen sollen, was man ein Theaterstück, ein Bühnenkunst¬
werk nennt. .
Durch fünf lange Akte sieht man es an allen Enden,
erkennt es immer klarer und unzweideutiger: welch ein, nach den
Regeln der zünftigen Theaterbaukunst dürftiges, ja schlechtes Stück
diese toternste Aerzte=Komödie ist. Ja man darf getrost sagen, daß
Schnitzler, am Zunftbrauch gemessen, kaum je ein salopper gebautes
Bühnenstück geschrieben hat. ...
Was es an äußerer Handlung
gibt, ist sorglich so ins Unaufdringliche verschliffen, so rein als „An¬
laß“ zur Entfesselung des Geistigen in die zweite Kulisse dem Hinter¬
Agrunde zugeschoben, daß man von einem Aufbau, von einem kunst¬
vollen technischen Knüpfen und Entwirren der Fäden des Geschehens
gar nicht reden kann. Es geht alles überaus natürlich zu, und der
Fall Bernhardi entwickelt sich äußerlich ganz im erwarteten Gleise.
Ein berühmter Arzt hat dem katholischen Priester den Zutritt zum
Sterbebett eines gefallenen Mädchens verweigert, um der Armen,
die keine Ahnung von ihrem bevorstehenden Tode hat, ihren seligen
Glauben an die Rückkehr ins Leben und damit die letzten hoffnungs¬
trunkenen Minuten ihres Erdendaseins nicht zu trüben. Diese Hand¬
lung impulsiver Menschlichkeit wird ihm nun von seinen Feinden und
Neidern zum Fallstrick gemacht. Eine politische Interpellation führt
zur Anklage wegen Religionsverletzung, der die Verurteilung zu zwei
Monaten Gefängnis auf dem Fuße folgt. Bernhardis Stolz will
seine Gegner bis zum Aeußersten treiben, er nimmt die Strafe auf
sich und verbüßt sie. Als er das Gesängnis verläßt, hat sich die
Situation bereits völlig zu seinen Gunsten verändert. Der Regierung
ist der Fall Bernhardi durchaus fatal: und als zum guten Glück die
Kronzeugin, eine Krankenschwester, plötzlich ihre belastende Aussage
in einer Eingabe ans Ministerium widerruft, da ergreift der Herr
Kultusminister mit Wonne die Gelegenheit — das heißt: er kommt
nicht dazu, denn Bernhardi ist dieser Reinwaschrummel ebenso zu¬
wider als die vorhergegangene Hetze. Ihm sind seine Ruhe und seine
Arbeit wichtiger
— er verbittet sich
das Wiederaufnahme¬
verfahren
und läßt sich an den
gewonnenen Erfah¬
rungen, die
von
seiner geistigen Höhe herab nur
noch belächelt, genug sein ... Das klingt, wenn man's so erzählen
hört, nach allerhand. Aber es ist nicht Sudermann oder Philippi, der
den Stoff in die Hände nahm, sondern Arthur Schnitzler! So gibts
keine dramatischen Explosions=Effekte, sondern „nur“ eine lange Kette
von blitzenden, funkelnden, sprühenden Dialogen, die den Fall von
allen für einen Menschen von Geist interessanten Seiten her tages¬
hell beleuchten. Also technisch ein Nach= und Nebeneinander von Dia¬
logen, eine aneinandergereihte Serie von Wortgefechten. Und dabei
das Fesselndste, Packendste, Imponierendste, was ich seit langer Zeit
auf der deutschen Bühne gesehen habe! Die Kunst ist ein weites Land...
Inmitten dieser architektonischen Mängel steht ein König, ein
Beherrscher feinster geistiger und seelischer Offenbarungen, und führt
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