II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 227

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25. Professer Bernhandl
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urger Post
S
terialbeamten uns sagen lassen, daß alles, was dieser Professor Bern¬
müsse zahlen. Und darum war alles, was Vernhardi getan — „ver¬
hardi im Interesse eines armen sterbenden Menschenkindes getan, ge¬
zeihen Sie, Herr Professor, das offene Wort“ —, nur eine „Viecherei“.
(Fortsetzung folgt.)
Tkämpft und erlitten hat, nichts weiter war als eine — „Viecherei“.
Viel würdiger und tiefer verläuft eine andere Unterredung in einem
Das Wort ist wirklich das letzte in der Komödie, und weil der Dichter
früheren Akt zwischen Bernhardi und dem Priester. In dieser, der
selbst es sagt, müssen wir es wohl glauben.
fadttheater.
künstlerisch besten und ethisch gehaltvollsten Szene des ganzen Stücks,
Und nun der Inhalt dieser Aerzte=Tragikomödie? Professor Bern¬
treffen die Weltanschauungen der Männer zusammen, nicht tendenziös
kruhardi.
hardi, der ärztliche Leiter eines Wiener Hospitals, hat unter seinen
nach irgend einer Seite, sondern in einer Aussprache, worin das liberale
K. S. Straßburg, 27. Januar.
Kranken eine junge Wöchnerin, die infolge einer Fehlgeburt dem Tod
Judentum und das kirchliche Christentum die gegenseitigen Anschau¬
geweiht ist. Die letzten Stunden des Mädchens sind schmerzlos und
aß der Spielplan der deutschen
ungen offen und ehrlich bekennen. Zu einer Aussöhnung der Gegensätze
glückselig. Sie denkt nicht aus Sterben, sondern träumt davon, daß
enthält, die sich mehr oder
kann es nicht kommen, dazu wurzeln beide in viel zu verschiedenem
der ungetreue Liebste zu ihr zurückkehren werde, während in Wirklich¬
Fragen beschäftigen. Zuerst er¬
Boden; wohl aber brauchen die Gegner die Achtung einander nicht zu
keit ihr Puls jeden Augenblick für immer stillstehen kann. Ein ohne
#r, deren liebenswürdiger Humor
versagen, und über den unüberbrückbaren Abgrund ihrer Ansichten hin¬
Wissen Bernhardis gerufener Geistlicher will der Sterbenden die Trö¬
den Theaterdirektoren gute Ein¬
weg reichen sie einander die Hände.
stungen ihrer Relizion bringen. Bernhardi aber verweigert dem
behauptete bekanntlich, Rößler,
Die Spielleitung hätte im Interesse der Gesamtwirkung ohne Schaden
Priester den Zutritt zum Krankenbett. Er möchte der Kleinen
ssenstücks, sei der einzige, der mit
für das Stück in allen Aufzügen erhebliche Striche vornehmen können.
die letzte glückliche Stunde erhalten; sie soll nichts von dem Tode
che, von dem die Firma selbst
Das überreichliche Detail überwuchert die Szenen derart, daß die Auf¬
wissen, von dem sie nichts fühlt; ruhig soll sie hinüberschlum¬
er Däne Nathansen mit dem
merksamkeit der übrigens sehr zahlreich erschienenen Zuhörerschaft von
mern, und Gott im Himmel wird ihr trotz ihrer Sünden verzeihen.
zugkräftigen Schauspiel Hinter
acht bis weit über elf Uhr auf eine harte Probe gestellt wurde und
Die Handlungsweise des Arztes, der aus reiner Menschenliebe, nicht aus
Schnitzler seine fünfaktige
öfters versagte. Dazu kam, daß das Gesamttempo der Darstellung zu
Haß gegen den Priester auf seiner Weigerung beharrte, bleibt selbst¬
in Oesterreich verboten, neben
schleppend war. Für die Wiedergabe des gestaltenreichen Werks hatte
verständlich nicht ohne Folgen. Schon lange besteht in gewissen poli¬
bristliches=Allzuchristliches und —
man Hilfskräfte aus der Oper heranziehen müssen, um alle Männer¬
tischen Kreisen Wiens eine Abneigung gegen das Krankenhaus, weil
hRein=Menschliches bringt.
rollen zu besetzen. Die Herren — es waren Alwin, Klante,
nach Ansicht der Gegner -
straßburger Bühne von seinem
— zu viel Juden dort tätig sind, deren
Poerner, Dornbusch und Gleß — bemühten sich redlich um die
Kunst den christlichen Aerzten erhebliche Konkurrenz macht. Die ersten
gleier der Beatrice und seinen
Verkörperung der mehr oder weniger liberalen Aerzte; gleichwohl
Anzeigen des beginnenden Kampfes äußern sich darin, daß man den
ser Dichter plaudert, ist er voller
merkte man es ihnen an, daß das Schauspiel nicht ihre eigentliche Do¬
Juden Bernhardi und seine israelitischen Mitarbeiter gesellschaftlich boy¬
.Er kennt die Frauenherzen
mäne ist. Von den übrigen Mitwirkenden stand wiederum Herr Nachbaur
kottiert. Dann setzt die Politik ein. Bernhardi, zu stolz, um irgend
scher Schriftsteller, er weiß von
in der Titelrolle künstlerisch obenan. Sein Bernhardi war ein kluger,
welche Konzessionen zu machen, die seiner Ueberzeugung zuwiderlausen,
hiten und wehmütigsten Dinge zu
besonnener und taktvoller Mensch. Die schwierige Szene, in der er
verfeindet sich mit den christlichen Aerzten seiner Anstalt, und da diese
n Stil der großen Komödie.
den Priester zurückzuweisen hatte, spielte er schlicht und würdig, sodaß
Herren Fühlung mit der klerikalen Partei haben, gelangt die Ange¬
Skizze so springquellfrisch sprudelt
wohl auch der empfindsamste Hörer kein peinliches Gefühl hatte. Ebenso
legenheit in Form einer Interpellation vor das Parlament. Vorher,
orwirft, reicht nicht ganz aus
bot er in der fesseinden Unterredung mit dem von Herrn Kron gleich¬
in einer stürmischen Aufsichtsratssitzung, legt Vernhardi im Interesse
nd schwerer Lebensschicksale. Er
falls würdig, nur im Aussehen etwas zu jugendlich dargestellten Priester
des Krankenhauses seine Stellung als Direktor nieder und überläßt den
n und findet infolgedessen nie¬
eine fein abgewogene Leistung, in der er den Uebergang von einer
Gegnern das Feld. Die Anfrage im Parlament endet damit, daß der
nmachtvolles Bühnenstück haben
anfänglich leisen Ironie zur wachlenden Sympathie vortrefflich traf.
Unterrichtsminister, ein ehemaliger Studienfreund Bernhardis später
Seine Technik ist die eines fleißigen
Herr v. Prangen in der Rolle eines Frauenarztes war zu sehr
ihm aber entfremdet, weil der Minister in rücksichtsloser Streberei
weben fügt und dennoch kein klares
müder Weltmann, und Herr Ernst als Minister verlor dann und
seinen Lebensweg zurückgelegt hat, die Untersuchung des Falls durch
rhören unendlich viel Geist¬
wann die Haltung, wenn eine gewisse Nonchalance im Wesen
die Justizbehörde den Klerikalen verspricht. Vom Parlament gelangt
jedoch sind wir ernüchtert und
dieses skrupellosen Politikers auch wohl am Platze war. Die sonstige
die Angelegenheit infolgedessen vor die Geschworenen, und Bernhardi
Erschütterndes und Zwingendes
Aerzteschaft war durch die Herren Corge, Vorn, Feige
wied wegen Störung der Religion zu zwei Monaten Gefängnis ver¬
hten wir Samstag Abend von
und Hofbauer angemessen vertreten. Warum Herr Gustav Schmidt
urkeilt. Im letzten, leider stark operettenhaften Akte wird dann das
Was hat der Dichter nicht
aus einem armseligen Bezirksarzt einen stotternden Halbidioten machte,
Feeit aus der ganzen Begebenheit gezogen. Was aus Bernhardi
aßt! Wir lernen die deztlichen
war nicht einzusehen, selbst wenn er zuweilen einen Privatlacherfolg
werden wird, erfahren wir nicht. Er kehrt in einer Art Galgenhumor
Ennen und hören mehr als genug
mit seinen Späßchen hatte. Da war die Komik des Intendanten Wil¬
aus dem Gefängnis zurück und setzt sich noch einmal mit seinem alten
erblüffend eingehend behandelten
helmi, der den jovialen Hofrat mit dem bedenklichen Schlußworte
Freunde und jetzigen Feinde, dem Kultusminister, auseinander. Natürlich
langen politischen Erörterungen
übernommen hatte, viel dezenter und daher auch wirksamer.
können beide sich nicht einigen. Ihre Welten sind zu verschieden.
der heutigen österreichischen Ge¬
Die einzige kleine Frauenrolle einer Krankenschwester spielte Frau
Ein munterer Hofrat aber faßt das Problem noch einmal auf und
nste und fröhliche Männer der
Schönemann=Heuberger verdienstvoll. Nach dem zweiten Akt stand
findet, Bernhardi habe töricht und kurzsichtig gehandelt. Ein kluger
tauchen auf und verschwinden,
die Männerwelt bis zum Schluß allein auf der Szene — eine Merk¬
Mensch mische sich nicht in Dinge, die ihn, im Grunde genommen,
r Szene sich abspielende Kampf
würdigkeit bei einem so vortrefflichen Frauenschilderer wie Artur Schnitzler,
d#rch? „ Wund eines Mini= nichts angehen; man könne die Welt nicht ändern; wer es versuche, dem Dichter der Liebelei!
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