II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 236

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25. Protassor Bernhand

eingeweihten Kreisen schon seit längerer Zeit Ge=szen zwischen den deutschen Bundes=vorbei ist, läßt sich aber nicht an
rüchte kolportiert werden, denen zufolge eine Aus=sstaaten und dem Reichskanzler, die der weitere Depesche aus Newyork b
söhnung der Häuser Hohenzollern und deutsch=österreichischen Politik im gegenwärtigen Mo= Laplam, zehn Kilometer von Mexi
B
und des Menschen Herz kann sehr oft am glücklichsten
aus rasch und prompt eine Affäre. Man macht mobil
sein, wenn es sich so recht sehnt.
österreichs übt, ist von nicht
gegen Bernhardi und sein Institut, bringt in der
W. Raabe.
Schärfe.
Kammer eine Interpellation über den Fall ein, und
Für die Darstellung des Stücke
da der Unterrichtsminister, der ein sehr plumpes
Professor Bernhardi.
rung Herrn Direktor Stollberg
Spiel spielt, seinen Jugendfreund Bernhardi im
Ehre macht, ist das ganze männ
entscheidenden Augenblick im Stich läßt, so wird
Komödie von Arthur Schnitzler.
Schauspielhauses mobilisiert worde
Vernhardi wegen Verbrechens der Religionsstörung
(Erstaufführung im Schauspielhaus am 8. Februar.)
Berrhardi gab Herr Jessen die e
angeklagt und (dank der falschen Zeugenaussagen der
Der Erfolg ist bekanntlich nicht immer ein Grad¬
liche Repräsentanz und den tiefe
Krankenschwester (!) und eines christlichen Assisten¬
nesser für den Wert eines Stückes. Wollte man z. B.
Ueberzeugung. Seinen Hauptgegn
ten), zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, die er
diese Komödie nach dem starken Beifall beurteilen,
Ebenwald, verstand Herr Eßlair
auch absitzt. Es folgt dann noch ein fünfter Akt, der
der ihr bei ihrer Erstaufführung am Samstag von
gensatz zu Bernhardi zu setzen. Als
aber weder die Affäre einer klaren Entscheidung, noch
Anfang bis zum Ende treu geblieben ist, so müßte
ster gefiel das neue Mitglied, Herr
die Hauptdebattierungspunkte des Stückes einer
man sie für eine Meisterarbeit und sicherlich auch für
besser wie unlängst bei seinem Debu
Lösung zuführt, und mit einer humoristischen Pointe
eines der besten Stücke Schnitzlers halten. Obwohl
zier. Aber gerade für jugendliche
endet, die fast den Verdacht erwecken könnte, als lasse
der Dichter, der anwesend war und häufig genug Ge¬
wir ihn doch eigentlich am notwend
Schnitzler den Direktor mitsamt seiner Gesinnung
legenheit hatte, sich für die gute Meinung des Publi¬
rer führte sich Herr Kalser, der v
und seinen idealen Anschauungen am Ende selber im
Stich.
kums zu bedanken, selbst dieser Anschauung ist? Oder
spielen ins Schauspielhaus übergesie
hatte er vielleicht, wie mancher andere im Haus, das
teilhaft ein. Aus der großen Zahl
Um diese Handlung herum brandet ein Meer
Empfinden, daß der Beifall, soweit er nicht dem
und wider Bernhardi wären die
von Worten, Worten, Worten. Ohne Ende wird dar¬
Dichter so vieler anderer schöner Dinge galt, aus der
fried und Hans Raabe, Pepp
über debattiert, ob nun Bernhardi wirklich recht
Treibhaustemperatur erwachsen ist, die solche Debat¬
[Heller, Bauer, Burghardt
tierstücke stets zu erzeugen pflegen?
hatte oder nicht (und es liegt doch klar zu tage, daß er
besonders hervorzuheben. Freilich:
wohl subjektiv nicht, aber objektiv im Rechte war)!
Die langen fünf Akte dieser Komödie spielen nur
man sich fast nach einer Frauenstimm
Selbstverständlich kommt der Dialog über Sophismen
unter Männern (eine Krankenschwester, die kaum ein
Männerstretts. Hätte sie auch keine
nicht hinaus. Jeder beharrt zum Schluß auf seinem
paar Worte zu sagen hat, zählt nicht), und zwar unter
flikts gebracht, so hätte sie vielleicht
Standpunkt, wie es ja vorauszusehen war; denn eine
den Prosessoren und Dozenten einer großen, medi¬
schen Wogen der gegnerischen Meini
Versöhnung der Gegensätze, die hier in einen Konflikt
zinischen Privatanstalt, des Elisabethiniums. Der Un¬
glättet. Und überhaupttein Schnitzle
geraten sind, war noch nie möglich und wird auch nie
terridtsminister, ein Hofrat, ein Verteidiger, ein
Frauen — ist das eigentlich ein echte
möglich sein. Das Stück müßte nun freilich nicht von
Journalist und ein katholischer Priester vervollstän¬
Richard 2
Schnitzler sein, wenn es nicht an sehr vielen Stellen
digen das Ensemble. Der Hintergrund der Gescheh¬
den klugen Theaterpraktiker, scharfen Charakterisierer
nisse, der Ort, an dem sie am wahrscheinlichsten und
und gewandten Dialektiker erkennen ließe. Aber das
für dessen verfahrene politische, nationale und konfes¬
Kleines Feuille
Unkünstlerische dieses zweck= und endlosen Streitens
sionelle Verhältnisse sie geradezu typisch sind, ist Wien
W. M. [Hoftheater.] Konkurrenz bef
verstimmt doch, ebenso wie die offensichtliche Partei¬
(um 1900 sagt der Zettel; aber er hätte auch Gegen¬
fen; auf wirtschaftlichem wie auf künstl
wart sagen können).
lichkeit. mit der Schnitzler Juden und Christen be¬
Das ideale Wett= und Werbesingen zwis
handelt. Und auch den katholischen Priester, dem er
Der Konfliktsfall ist einfach. Dr. Bernhardi, der
lern, zwei Persönlichkeiten wie Fritz
scheinbar sompathische Züge gegeben hat, läßt er zum
jüdische Direktor des Elisabethinums, verweigert
Paul Bender, ist ein Hebel für
Schlusse als Unterlegenen im beträchtlicher Kläglich¬
Reproduzieren beider Sänger, Genuß
einem katholischen Priester den Zutritt zu einer keit abgehen. Auch sonst läßt Schnitzler es an Deut¬
gleichender Bewunderung gezwungene Pr
Sterbenden, weil er als Menschenfreund nicht will, flichkeit in der Präzisierung seines Standpunktes nicht
daß dem armen Geschöpf, das keine Ahnung von sei¬
für das Kunstinstitut, das mit Erstaun
fehlen, und man begreift ganz gut, daß dieses Stück
nem nahen Ende hat, die letzte Stunde seines Lebens
zwei Wotane, zwei Hans Sachs, vielleich
in Oesterreich verboten ist: denn die Kritik, die es an Holländer von Bedeutung in seinem ?
getrübt werde. Selbstverständlich entwickelt sich dar= den innerpolitischen Verhältnissen Wiens und Deutsch= Wenn solches die Folge von leidigen G
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