25 Professor Bernhandi
veranlaßt, ihn der Wut der herrschenden Partei und der eige¬
im der Unglück¬
nen Ministerlaufbahn zu opfern und fallen zu lassen, und das
bsolution ihrer
Schlimmste: ein durch die fortdauernde einseitige Agitation in
es Sakramentes
der gegnerischen Presse sowie durch die mündlich überliefernde
Oeffentlichkeit voreingenommenes Geschworenengericht ver¬
erkennung aus¬
urteilt ihn zu einer zweimonatigen Kerkerstrafe wegen Ver¬
mas ge
ge¬
brechens der Religionsstörung. Wohl hat der Geistliche, als
ein
Bernhaf
edler
Hauptzeuge vernommen, ausgesagt, er habe im Vorgehen des
Reder, ein
Professors keine feindliche Absicht gegen ihn oder gegen die von
ensch ein
ihm vertretene katholische Kirche erblickt, allein es haben sich
vierte
auch Zeugen gefunden, die anders bekräftigten, aus Interes¬
bird
senpolitik, aus Scheelsucht, aus Sentimentalität, und dazu
ensch
kommt, daß die Verteidigung durch Dr. Goldenthal eine ver¬
nd
dächtig laue war. Der Professor Bernhardi ist also vernich¬
P
tet, und zwar läßt ihn uns der Dichter als Opfer seines eige¬
nen unbeugsamen Charakters erscheinen — denn er hätte
sich verschiedentlich durch Zugeständnisse retten können — aber
ebensosehr als Opfer der im Wien der vorliegenden Dichtung
herrschenden antisemitischen Strömung.
har
gen
Daß sich zum Schluß alles zum Guten zurückwendet; daß
der
ing
die Krankenschwester Ludmilla ihrem Beichtvater und auf
dessen Geheiß dem Gericht eingesteht, sie habe den Professor
schwester von der
durch falsche Zeugenaussage unschuldig der Bestrafung ausge¬
gten Amtsbesuch
liefert, daß der Minister seine Unterstützung, das Gericht eine
erklärt
Pfarrei
Revision in Aussicht stellt, daß der Prinz Konstantin, eines
ahrscheinlich un¬
der wichtigsten Kuratoriumsmitglieder, den Professor zu sich
nd der Kandidat
beruft und manch andere Form der Rehabilitation sich in
her, krönt die Ex¬
Aussicht stellt, sollen wir es erwähnen? Der Dichter tats,
hanges mit dem
und es mag meritorisch sein. Nötig ist es nicht, das fühlt
bt er ja nimmer
Bernhardi ebenso wie der Geistliche Franz Reder, dessen Be¬
Kragen!“
such in Bernhardis Wohnung das Stück füglich beschließen
könnte.
*
chen Namen hat
Und nun das Schauspiel als Ganzes. Es ist ein Werk,
Bernhardi hat
das die Zuhörer vom ersten bis zum letzten Wort in atem¬
politischer, per¬
den Feinden auch
loser Spannung hielt und das durch den Ernst, der es trägt,
chaden. Das Er¬
auch zweifellos würdig ist, Spannung zu wecken. Der Dichter
läßt einen Konflikt aus der Gegensätzlichkeit der Pflichtan¬
rd schriftlich und
schauung zweier Männer herauswachsen, deren jeder in Ver¬
lisabethinums de¬
nKollegengruppe
tretung seines Standpunktes im Rechte zu sein fest überzeugt
ist. Der Konflikt führt, drängt ungestüm zu tiefeinschneiden¬
legt seine Aemter
der, empfindlicher Katastrophe, — das ist das Dichterische,
wir möchten sagen, das unerbittlich Dichterische, Notwendige,
Studiengenosse,
letzten Augenblick I das Künstlerisch=Kalte. Und wenn endlich als versöhnender
box 30/3
83
Lichtstrahl der Ausgleich hereinblinkt, so hat sich auch das
Warme, das Menschliche eingestellt, aber auch das nicht Nö¬
tige, das noch dazu mit einer gewissen Grausamkeit Hand in
Hand geht: denn eine vollkommene Hinwegtilgung des Ge¬
schehenen wäre weder möglich, noch dichterisch wünschens¬
wert. Könnte eine solche doch den Witzbold bewegen, die Be¬
nennung „Komödie“ deutsch auszulegen und zu fragen: Wo¬
zu der Graus?
Die Regie entwickelte eine Gestaltungskraft, die sich bis¬
weilen ins Grandiose steigerte. Die Konferenzszene des dritten
Aktes im Beratungszimmer konnte an einen Leonardo da
Vinci erinnern. Auch die Szenen von sekundärer Bedeutung
waren aufs minutiöseste abgewägt und es ist dem Regisseur
—
Herrn Direktor Stollberg
gelungen, die Aufführung
vor so mancher Verzerrung, die sich störend hätte einnisten
können, zu bewahren.
Von den Darstellern verdient Herr Colla Jessen, Ver¬
treter der Titelrolle, an erster Stelle genannt zu werden. Sein
Bernbardi war ein wirklicher, lebender Mensch von Fleisch
und Blut, und wir glauben gerne, daß ihn Schnitzler sich so ge¬
dacht hat. Herr Max Eßlair als Prof. Dr. Ebenwald war der
grimmigste unter den Gegnerkollegen und wurde seiner Rolle in
überzeugungstreuer Weise gerecht. Klarste Prägnanz zeichnete
überhaupt den Abend aus. Keinen Augenblick konnten Zweifel
über die Eigenart der verschiedenen dargestellten Charaktere auf¬
tauchen, sowohl die Gesamtbilder wie die Einzelnnancen zeig¬
ten sich im Wesen erfaßt und sauber herausgearbeitet. Das
sei auch von den Herren S. Raabe, Peppler, Steiner, Grell,
Heller, Ausfelder, H. Raabe, v. Duniecki, Spenger, Ferner und
Bauer behauptet, welche sich in die übrigen nicht durchweg
erquicklichen Charaktere des Aerztekollegiums am Elisabethi¬
num teilten. Herr Günther war als Minister Flint eine gute
Personifikation des keineswegs goldtreuen und nur im eigenen
Interesse rückgratfesten Strebercharakters, und Herr Rolf
Randolf gefiel durch die leger=naturalistische Wiedergabe des
„echt=wienerischen“ Salonhofrates Dr. Winkler. In ganz vor¬
züglicher Weise wußte Herr Erwin Kalser die Schwierigkeit
zu überwinden, die des Pfarrers Franz Reder Rolle dem Dar¬
steller bietet. Die Würde des geistlichen Standes, das Be¬
wußtsein, die Kirche zu vertreten und gleichzeitig die christliche
Demut, die mit Bescheidenheit verbundene Sicherheit im
ersten Auftreten gegen Bernhardi, und nicht zuletzt die dem
Menschen Franz Reder innewohnende edle Gesinnung fan¬
den durch Kalser in unzweideutigster Weise Ausdruck. Herr
Krampert erschien uns in seiner Lebhaftigkeit als Journalist
Kulka ntriert. Ruhigeres Auftreten hätte uns seine Abwei¬
sung durch Beruha
Herr Seger und
aller wünschenswe
Das Publikun
ter wiederholt.
nicht verkannt.
veranlaßt, ihn der Wut der herrschenden Partei und der eige¬
im der Unglück¬
nen Ministerlaufbahn zu opfern und fallen zu lassen, und das
bsolution ihrer
Schlimmste: ein durch die fortdauernde einseitige Agitation in
es Sakramentes
der gegnerischen Presse sowie durch die mündlich überliefernde
Oeffentlichkeit voreingenommenes Geschworenengericht ver¬
erkennung aus¬
urteilt ihn zu einer zweimonatigen Kerkerstrafe wegen Ver¬
mas ge
ge¬
brechens der Religionsstörung. Wohl hat der Geistliche, als
ein
Bernhaf
edler
Hauptzeuge vernommen, ausgesagt, er habe im Vorgehen des
Reder, ein
Professors keine feindliche Absicht gegen ihn oder gegen die von
ensch ein
ihm vertretene katholische Kirche erblickt, allein es haben sich
vierte
auch Zeugen gefunden, die anders bekräftigten, aus Interes¬
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senpolitik, aus Scheelsucht, aus Sentimentalität, und dazu
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kommt, daß die Verteidigung durch Dr. Goldenthal eine ver¬
nd
dächtig laue war. Der Professor Bernhardi ist also vernich¬
P
tet, und zwar läßt ihn uns der Dichter als Opfer seines eige¬
nen unbeugsamen Charakters erscheinen — denn er hätte
sich verschiedentlich durch Zugeständnisse retten können — aber
ebensosehr als Opfer der im Wien der vorliegenden Dichtung
herrschenden antisemitischen Strömung.
har
gen
Daß sich zum Schluß alles zum Guten zurückwendet; daß
der
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die Krankenschwester Ludmilla ihrem Beichtvater und auf
dessen Geheiß dem Gericht eingesteht, sie habe den Professor
schwester von der
durch falsche Zeugenaussage unschuldig der Bestrafung ausge¬
gten Amtsbesuch
liefert, daß der Minister seine Unterstützung, das Gericht eine
erklärt
Pfarrei
Revision in Aussicht stellt, daß der Prinz Konstantin, eines
ahrscheinlich un¬
der wichtigsten Kuratoriumsmitglieder, den Professor zu sich
nd der Kandidat
beruft und manch andere Form der Rehabilitation sich in
her, krönt die Ex¬
Aussicht stellt, sollen wir es erwähnen? Der Dichter tats,
hanges mit dem
und es mag meritorisch sein. Nötig ist es nicht, das fühlt
bt er ja nimmer
Bernhardi ebenso wie der Geistliche Franz Reder, dessen Be¬
Kragen!“
such in Bernhardis Wohnung das Stück füglich beschließen
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chen Namen hat
Und nun das Schauspiel als Ganzes. Es ist ein Werk,
Bernhardi hat
das die Zuhörer vom ersten bis zum letzten Wort in atem¬
politischer, per¬
den Feinden auch
loser Spannung hielt und das durch den Ernst, der es trägt,
chaden. Das Er¬
auch zweifellos würdig ist, Spannung zu wecken. Der Dichter
läßt einen Konflikt aus der Gegensätzlichkeit der Pflichtan¬
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schauung zweier Männer herauswachsen, deren jeder in Ver¬
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tretung seines Standpunktes im Rechte zu sein fest überzeugt
ist. Der Konflikt führt, drängt ungestüm zu tiefeinschneiden¬
legt seine Aemter
der, empfindlicher Katastrophe, — das ist das Dichterische,
wir möchten sagen, das unerbittlich Dichterische, Notwendige,
Studiengenosse,
letzten Augenblick I das Künstlerisch=Kalte. Und wenn endlich als versöhnender
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Lichtstrahl der Ausgleich hereinblinkt, so hat sich auch das
Warme, das Menschliche eingestellt, aber auch das nicht Nö¬
tige, das noch dazu mit einer gewissen Grausamkeit Hand in
Hand geht: denn eine vollkommene Hinwegtilgung des Ge¬
schehenen wäre weder möglich, noch dichterisch wünschens¬
wert. Könnte eine solche doch den Witzbold bewegen, die Be¬
nennung „Komödie“ deutsch auszulegen und zu fragen: Wo¬
zu der Graus?
Die Regie entwickelte eine Gestaltungskraft, die sich bis¬
weilen ins Grandiose steigerte. Die Konferenzszene des dritten
Aktes im Beratungszimmer konnte an einen Leonardo da
Vinci erinnern. Auch die Szenen von sekundärer Bedeutung
waren aufs minutiöseste abgewägt und es ist dem Regisseur
—
Herrn Direktor Stollberg
gelungen, die Aufführung
vor so mancher Verzerrung, die sich störend hätte einnisten
können, zu bewahren.
Von den Darstellern verdient Herr Colla Jessen, Ver¬
treter der Titelrolle, an erster Stelle genannt zu werden. Sein
Bernbardi war ein wirklicher, lebender Mensch von Fleisch
und Blut, und wir glauben gerne, daß ihn Schnitzler sich so ge¬
dacht hat. Herr Max Eßlair als Prof. Dr. Ebenwald war der
grimmigste unter den Gegnerkollegen und wurde seiner Rolle in
überzeugungstreuer Weise gerecht. Klarste Prägnanz zeichnete
überhaupt den Abend aus. Keinen Augenblick konnten Zweifel
über die Eigenart der verschiedenen dargestellten Charaktere auf¬
tauchen, sowohl die Gesamtbilder wie die Einzelnnancen zeig¬
ten sich im Wesen erfaßt und sauber herausgearbeitet. Das
sei auch von den Herren S. Raabe, Peppler, Steiner, Grell,
Heller, Ausfelder, H. Raabe, v. Duniecki, Spenger, Ferner und
Bauer behauptet, welche sich in die übrigen nicht durchweg
erquicklichen Charaktere des Aerztekollegiums am Elisabethi¬
num teilten. Herr Günther war als Minister Flint eine gute
Personifikation des keineswegs goldtreuen und nur im eigenen
Interesse rückgratfesten Strebercharakters, und Herr Rolf
Randolf gefiel durch die leger=naturalistische Wiedergabe des
„echt=wienerischen“ Salonhofrates Dr. Winkler. In ganz vor¬
züglicher Weise wußte Herr Erwin Kalser die Schwierigkeit
zu überwinden, die des Pfarrers Franz Reder Rolle dem Dar¬
steller bietet. Die Würde des geistlichen Standes, das Be¬
wußtsein, die Kirche zu vertreten und gleichzeitig die christliche
Demut, die mit Bescheidenheit verbundene Sicherheit im
ersten Auftreten gegen Bernhardi, und nicht zuletzt die dem
Menschen Franz Reder innewohnende edle Gesinnung fan¬
den durch Kalser in unzweideutigster Weise Ausdruck. Herr
Krampert erschien uns in seiner Lebhaftigkeit als Journalist
Kulka ntriert. Ruhigeres Auftreten hätte uns seine Abwei¬
sung durch Beruha
Herr Seger und
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Das Publikun
ter wiederholt.
nicht verkannt.