II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 250


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25. Bernhandi
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Bestiger Börsen Cburier, Berl.
ergenausgabe
Heute folgte im Schauspielhause die Mün¬
chener Erstaufführung von Artl
Schnitzler's
Komödie: „Professor Brenhar#deren
glänzenden Erfolg ich gleichfalls schon drahtete. Die
Vorstellung, von Direktor Stollberg mit ganz
besonderer Sorgsalt vorbereitet, war wohl die tadel¬
loseste, die das Schauspielhaus in letzter Zeit geboten
hat; alle Kräfte waren am rechten Platze verwandt
und gaben von ihrem Besten. Colla Jessen's
vorzüglicher Wiedergabe der Titelrolle standen eine
sehr glückliche Verkörperung des Unterrichtsministers
durch Carl Günther und eine nicht minder ge¬
lungene des Pfarrers durch Erwin Kalser gegen¬
über, und mit ihnen vereinigten sich die übrigen Dar¬
steller in charakteristischen Einzelleistungen zu einem
durchaus lebens= und wirkungsvollen Gesamtbild.
Die freudige Anerkennung des dichterisch und dar¬
stellerisch Gebotenen äußerte sich in lebhaftestem
Applaus nach allen Aktschlüssen und vielen stür
mischen Hervorrufen Schnitzlers.
Ausschnitt ausgemeine Rundscbec, München
15FEB19/3
vom:
S
Münchener Schaulpielbaue. Schnitzlers Komödie: „Pro¬
fessor Bernhardi“ möchte zeigen
O#sterreich der
Politik fernstehende Leute wider Willen in die Kämpfe der
Parteien hineingerissen werden. Eine Aufgabe dieser Art könnte
mur ein Autor lösen, der Objektivität zu wahren wüßte: die
philosemitischen Werke auf der Bühne mehren sich. Professor
Bernhardi, der Chefarzt einer Klinik, verweigert dem Geistlichen
den Zutritt zu einer Sterbenden, die von ihrem nahen Tode
nichts ahnt und sich im Zustande der Euphorie befindet, die ihr
eine glückliche Zukunft vorgaukelt. Die Kranke stirbt ohne den
Empfang der Sakramente. Herr Dr. med. Schnitzler hält die
Handlungsweise des Bernhardi für die allein richtige und meint,
wenn sein Held kein Jude wäre, sei ihm aus seinem Vorgehen
auch kein Schaden erwachsen. So tritt das hochadelige Kuratorium
zurück und bringt hierdurch das Krankenhaus um seine Subvention.
Nun erzwingen die anderen Aerzte des Spitals den Rücktritt
Bernhardis. Der Arzt wird auf die falsche Aussage einer hysterischen
Krankenschwester zu zwei Monaten Gefängnis wegen Religions¬
verletzung verurteilt. Am Schlusse wird ein neues Verfahren er¬
öffnet, da die Pflegerin sich des Meineides bezichtigt. Bernhardi
sieht nun mehr oder weniger selbst ein, daß er, wie ein Salon¬
anarchist im Ministerium sagt, ein „Viech“ gewesen ist, nicht etwa
deshalb, weil er unrichtig gehandelt, sondern weil er sich durch
seine ärztliche „Gewissenhaftigkeit“ so viel Unbequemlichkeiten
gemacht habe. Das Werk ist das formloseste von Schnitzlers Stücken.
Schnitzler hatte sehr oft Gelegenheit hervorzutreten, selbst als ein Teil
des Publikums nach dem vierten Akte nach Hause gehen wollte und
hörte, es müsse da bleiben, bis Bernhardi seine Strafe abgesessen,
trübte dies nicht die gute Laune der Volksversammlung pardon!
der Zuschauer wollte ich sagen. Die antiklerikalen Verdächtigungen
fanden oft starke Resonanz. Möchte doch der darob gewiß sehr stolze
Artur Schnitzler nachlesen, wie Lessing im zweiten Stück der Ham¬
burger Dramaturgie es verurteilt, so unbesonnene Urteile über die
Priester auf der Bühne ertönen zu lassen. Er nennt es eine armselige
Zuflucht eines... Kopfes, der schimmernde Tiraden für höchste
Schönheit hält und er wünschte, daß an der Bewegung des Publi¬
kums die „Mißbilligung den meisten Anteil gehabt“ habe. Freilich
es habe nur ein Athen gegeben, wo das Gefühl so fein gewesen,
und es werde auch nur das eine Atben bleiben.
Uraufführung im Theater am Gärtnerplatz. Bruno Hantl