25. ProfessenBernha
Ausschnitt aust##c Dersen Seutler, Serin.
vom: 17 3. 1019 Abendausgabe
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“
fand bei der gestrigen Erstaufführung im Deut¬
schen Theater in Köln einen sehr starken
Erfolg. Mit Kuhnert als Bernhardi und recht sorg¬
fältig gewählter Besetzung der sonstigen wesentlichen
Stückfiguren muß die Darstellung als eine sehr gute
bezeichnet werden.
box 30/3
Paris, Kom, San Francisce, Stockholm, ox ratersung.
(guellenangab- und zuii M dmeen
Ausschnitt aus:
8-
vom:
Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
—. Köln. Im Deutschen Theater ist am vergangenen Sams¬
tag die fünfaktige Komödie von
„Professor Vernhardi“ ausgeführt worden. Der Dichter un
Arzt Arthur Schnitzler, der hauptsächlich durch seine feinen, liebens¬
würdig frivolen Zeichnungen skeptisch sentimentaler, schon in der Blüte
wehmütig angewelkter Liebeleien die deutsche Bühne erobert hat, bringt
hier ein Stück ohne jede erotische Beimischung, dessen Personenliste neben
einer langen Reihe Professoren nur ein einziges weibliches Wesen,
eine Krankenschwester, aufführt. Nach der Aufführung in Berlin ist der
wesentliche Inhalt schon einmal mitgeteilt worden. Die Komödie baut
sich auf einem Zusammenstoß des ärztlichen und des priesterlichen Pflicht¬
gefühls auf. In dem von Professor Bernhardi begründeten und ge¬
leiteten Krankenhaus Elisabethinum liegt ein junges Mädchen an Sepsis
nieder. Der baldige Tod ist gewiß, aber die Kranke fühlt sich sehr
wohl und spinnt bei ungetrübtem Bewußtsein freundliche Zukunfts¬
träume. Ein von der Krankenschwester heimlich herbeigeholter Priester
begehrt Einlaß zu der Sterbenden. Bernhardi verwehrt dem Geistlichen
den Zugang, damit sein unverhofftes Erscheinen die Sterbende nicht
aus ihrer heitern Zuversicht schrecke und ihr letztes Stündchen mit Todes¬
angst und Gewissensqualen erfülle. Das Mädchen stirbt während des
in höflichen Formen sich haltenden Wortwechsels. Das Problem ist
klar formuliert: auf der einen Seite steht der Arzt, der in seiner Obhut an¬
vertrauten Kranken heilen und, wenn eine Heilung nicht mehr möglich
ist, ihnen das Sterben leicht machen soll, auf der andern der Priester,
der die Schrecken kurzer Minuten nicht beachten darf, wenn es sich um
das ewige Heil handelt. Subjektiv haben beide recht; wer objektiv
Recht hat, ist ungefähr so leicht und so schwer zu entscheiden, wie die
Frage nach dem Dasein Gottes. Schnitzler kommt denn auch nicht zu
einer unzweideutigen Entscheidung; er schildert vielmehr die sozialen
Folgen, die sich an den Vorfall knüpfen. Leisetreter, die allem, was nach
Mißachtung der Religion aussieht, mit Rücksicht auf hochgeborene
Gönner ängstlich aus dem Wege gehen, gewissenlose Streber, die unter
dem Deckmantel christlicher Überzeugungstreue den Juden Bernhardi
aus seiner Stellung verdrängen möchten, schließen sich gegen den ver¬
dienstvollen Direktor des Elisabethinums zusammen. Der jesuitisch
ränkevolle Professor Ebenweld, der von Bernhardi vergebens die An¬
stellung eines wissenschaftlich fragwürdigen Schützlings am Elisabethinum
zu erpressen gesucht hat, veranlaßt seinen Vetter, einen klerikalen Ab¬
geordneten, im Parlament eine Interpellation einzubringen. Der
Unterrichtsminister, ebenfalls ein Mediziner und überdies Bernhardis
Studiengenosse, billigt persönlich wohl dessen Verhalten, sagt aber aus
politisch taktischen Gründen, da er auf dem Weg nach hohen Zielen nicht
über eine solche Lappalie stolpern will, eine gerichtliche Untersuchung zu.
In einer stürmischen Sitzung des Professorenkollegiums legt Bernhardi,
angeekelt durch die unehrlichen Angriffe der Gegner, seine Stellung als
Direktor einstweilen nieder . Das Gericht verurteilt Bernhardi nament¬
lich auf die den tatsächlichen Vorgang entstellende Aussage der klerikalen
Krankenschwester und eines nichtsnutzigen, nur auf seinen eigenen Vor¬
teil bedachten Kandidaten der Medizin hin wegen Religionsstörung zu
zwei Monaten Gefängnis. Der übermäßig vorsichtige Anwali Bern¬
hardis, ein getaufter und seitdem prahlerisch chriftlicher Jude, und seine
Freunde raten ihm, die Nichtigkeitsbeschwerde einzubringen. Bern¬
hardi weigert sich, es liegt ihm nichts daran, den Streit grundsätzlich
durchzufechten und das ganze System zu treffen; die Aussicht auf eine
Martyrerkrone und eine politische Ausschlachtung des Falles sind ihm,
dem Manne der Wissenschaft, nur widerwärtig. Der Priester hat vor
Gericht sich schonend über Bernhardi ausgesprochen; nachdem das Ur¬
teil gefällt, sucht er ihn auf, um ihm — ein Ehrenmann dem andern —
zu versichern, daß er den ungünftigen Ausgang des Prozesses nicht ge¬
wollt habe, da Bernhardi in dem speziellen Falle in seiner Eigenschaft
als Arzt vollkommen korrekt gehandelt habe. In der interessanten,
manchmal nur etwas undurchsichtigen Unterredung tritt die Überlegen¬
heit des dialektisch geschulten, über das Schicksal des einzelnen hinweg
mit entschlossener Folgerichtigkeit die Sache der Kirche verfolgenden
Priesters hervor; zum Schlusse reichen sich die beiden Gegner über den
Abgrund, der sie trennt, die Hände. Der letzte Akt, der ziemlich abflaut,
bringt abermalige Auseinandersetzungen zwischen dem Minister und
Bernhardi; ein witziger, weltkundiger, Bernhardi wahlgereigter Hofrat
an auch
man sich: ouhe Geschichten,
zieht die Moral
#. Willen
tausendmal recht „wben, nicht einassen soll, wenn man
und den Mut hat, sie des zum Außersten durchzufechten. Die Komödie
leidet darunter, daß ihr Held, Professor Bernhardi, sich aus Leibes¬
kräften dagegen sträubt, ein Held zu sein, daß er zwar im Einzelfalle
seiner Überzeugung folgt, aber eben nicht, wie es einem dramatischen
Helden ziemt, bereit ist, für sie durch dick und dünn zu gehen. Dadurch
erlahmt auch der teilnehmende Eifer der Zuschauer. Zudem
was
sind manche Episoden übermäßig lang ausgesponnen,
besonders bei einem reichsdeutschen Publikum ins Gewicht fällt, das
die satirische Behandlung innerpolitischer österreichischer Zustände und
des verzwickten Porteitreibens weniger zu würdigen versteht. Für solche
Mängel aber entschädigen das hohe sachliche Interesse der Komödie, die
die Klippe öden Raisonements stets glücklich vermeidet, die außer¬
ordentlich lebenswahre und mannigfaltige Zeichnung der einzelnen Ge¬
stalten und der meisterhafte Aufbau der großen Szenen, namentüch der
Sitzung des Professorenkollegiums.
Die von Hans Kuhnert inszenierte Aufführung im Deutschen
Theater wurde dem schwierigen Stücke vollauf gerecht. Hans Kuhnert
Ausschnitt aust##c Dersen Seutler, Serin.
vom: 17 3. 1019 Abendausgabe
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“
fand bei der gestrigen Erstaufführung im Deut¬
schen Theater in Köln einen sehr starken
Erfolg. Mit Kuhnert als Bernhardi und recht sorg¬
fältig gewählter Besetzung der sonstigen wesentlichen
Stückfiguren muß die Darstellung als eine sehr gute
bezeichnet werden.
box 30/3
Paris, Kom, San Francisce, Stockholm, ox ratersung.
(guellenangab- und zuii M dmeen
Ausschnitt aus:
8-
vom:
Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
—. Köln. Im Deutschen Theater ist am vergangenen Sams¬
tag die fünfaktige Komödie von
„Professor Vernhardi“ ausgeführt worden. Der Dichter un
Arzt Arthur Schnitzler, der hauptsächlich durch seine feinen, liebens¬
würdig frivolen Zeichnungen skeptisch sentimentaler, schon in der Blüte
wehmütig angewelkter Liebeleien die deutsche Bühne erobert hat, bringt
hier ein Stück ohne jede erotische Beimischung, dessen Personenliste neben
einer langen Reihe Professoren nur ein einziges weibliches Wesen,
eine Krankenschwester, aufführt. Nach der Aufführung in Berlin ist der
wesentliche Inhalt schon einmal mitgeteilt worden. Die Komödie baut
sich auf einem Zusammenstoß des ärztlichen und des priesterlichen Pflicht¬
gefühls auf. In dem von Professor Bernhardi begründeten und ge¬
leiteten Krankenhaus Elisabethinum liegt ein junges Mädchen an Sepsis
nieder. Der baldige Tod ist gewiß, aber die Kranke fühlt sich sehr
wohl und spinnt bei ungetrübtem Bewußtsein freundliche Zukunfts¬
träume. Ein von der Krankenschwester heimlich herbeigeholter Priester
begehrt Einlaß zu der Sterbenden. Bernhardi verwehrt dem Geistlichen
den Zugang, damit sein unverhofftes Erscheinen die Sterbende nicht
aus ihrer heitern Zuversicht schrecke und ihr letztes Stündchen mit Todes¬
angst und Gewissensqualen erfülle. Das Mädchen stirbt während des
in höflichen Formen sich haltenden Wortwechsels. Das Problem ist
klar formuliert: auf der einen Seite steht der Arzt, der in seiner Obhut an¬
vertrauten Kranken heilen und, wenn eine Heilung nicht mehr möglich
ist, ihnen das Sterben leicht machen soll, auf der andern der Priester,
der die Schrecken kurzer Minuten nicht beachten darf, wenn es sich um
das ewige Heil handelt. Subjektiv haben beide recht; wer objektiv
Recht hat, ist ungefähr so leicht und so schwer zu entscheiden, wie die
Frage nach dem Dasein Gottes. Schnitzler kommt denn auch nicht zu
einer unzweideutigen Entscheidung; er schildert vielmehr die sozialen
Folgen, die sich an den Vorfall knüpfen. Leisetreter, die allem, was nach
Mißachtung der Religion aussieht, mit Rücksicht auf hochgeborene
Gönner ängstlich aus dem Wege gehen, gewissenlose Streber, die unter
dem Deckmantel christlicher Überzeugungstreue den Juden Bernhardi
aus seiner Stellung verdrängen möchten, schließen sich gegen den ver¬
dienstvollen Direktor des Elisabethinums zusammen. Der jesuitisch
ränkevolle Professor Ebenweld, der von Bernhardi vergebens die An¬
stellung eines wissenschaftlich fragwürdigen Schützlings am Elisabethinum
zu erpressen gesucht hat, veranlaßt seinen Vetter, einen klerikalen Ab¬
geordneten, im Parlament eine Interpellation einzubringen. Der
Unterrichtsminister, ebenfalls ein Mediziner und überdies Bernhardis
Studiengenosse, billigt persönlich wohl dessen Verhalten, sagt aber aus
politisch taktischen Gründen, da er auf dem Weg nach hohen Zielen nicht
über eine solche Lappalie stolpern will, eine gerichtliche Untersuchung zu.
In einer stürmischen Sitzung des Professorenkollegiums legt Bernhardi,
angeekelt durch die unehrlichen Angriffe der Gegner, seine Stellung als
Direktor einstweilen nieder . Das Gericht verurteilt Bernhardi nament¬
lich auf die den tatsächlichen Vorgang entstellende Aussage der klerikalen
Krankenschwester und eines nichtsnutzigen, nur auf seinen eigenen Vor¬
teil bedachten Kandidaten der Medizin hin wegen Religionsstörung zu
zwei Monaten Gefängnis. Der übermäßig vorsichtige Anwali Bern¬
hardis, ein getaufter und seitdem prahlerisch chriftlicher Jude, und seine
Freunde raten ihm, die Nichtigkeitsbeschwerde einzubringen. Bern¬
hardi weigert sich, es liegt ihm nichts daran, den Streit grundsätzlich
durchzufechten und das ganze System zu treffen; die Aussicht auf eine
Martyrerkrone und eine politische Ausschlachtung des Falles sind ihm,
dem Manne der Wissenschaft, nur widerwärtig. Der Priester hat vor
Gericht sich schonend über Bernhardi ausgesprochen; nachdem das Ur¬
teil gefällt, sucht er ihn auf, um ihm — ein Ehrenmann dem andern —
zu versichern, daß er den ungünftigen Ausgang des Prozesses nicht ge¬
wollt habe, da Bernhardi in dem speziellen Falle in seiner Eigenschaft
als Arzt vollkommen korrekt gehandelt habe. In der interessanten,
manchmal nur etwas undurchsichtigen Unterredung tritt die Überlegen¬
heit des dialektisch geschulten, über das Schicksal des einzelnen hinweg
mit entschlossener Folgerichtigkeit die Sache der Kirche verfolgenden
Priesters hervor; zum Schlusse reichen sich die beiden Gegner über den
Abgrund, der sie trennt, die Hände. Der letzte Akt, der ziemlich abflaut,
bringt abermalige Auseinandersetzungen zwischen dem Minister und
Bernhardi; ein witziger, weltkundiger, Bernhardi wahlgereigter Hofrat
an auch
man sich: ouhe Geschichten,
zieht die Moral
#. Willen
tausendmal recht „wben, nicht einassen soll, wenn man
und den Mut hat, sie des zum Außersten durchzufechten. Die Komödie
leidet darunter, daß ihr Held, Professor Bernhardi, sich aus Leibes¬
kräften dagegen sträubt, ein Held zu sein, daß er zwar im Einzelfalle
seiner Überzeugung folgt, aber eben nicht, wie es einem dramatischen
Helden ziemt, bereit ist, für sie durch dick und dünn zu gehen. Dadurch
erlahmt auch der teilnehmende Eifer der Zuschauer. Zudem
was
sind manche Episoden übermäßig lang ausgesponnen,
besonders bei einem reichsdeutschen Publikum ins Gewicht fällt, das
die satirische Behandlung innerpolitischer österreichischer Zustände und
des verzwickten Porteitreibens weniger zu würdigen versteht. Für solche
Mängel aber entschädigen das hohe sachliche Interesse der Komödie, die
die Klippe öden Raisonements stets glücklich vermeidet, die außer¬
ordentlich lebenswahre und mannigfaltige Zeichnung der einzelnen Ge¬
stalten und der meisterhafte Aufbau der großen Szenen, namentüch der
Sitzung des Professorenkollegiums.
Die von Hans Kuhnert inszenierte Aufführung im Deutschen
Theater wurde dem schwierigen Stücke vollauf gerecht. Hans Kuhnert