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25. ProssorBernhandi
forter Zeitung
nung und ursprünglichen Menschentums gegen gewissenloses
Strebertum der Fachgenossen, gegen unsinniges Ueberspannen
neue Schnitzler.
vor Einzelfällen zu typischen Vorkommnissen (was die Oeffent¬
lichkeit so sehr liebt), gegen „Gesinnungstüchtigkeit" und Jesui¬
nhardl', Komodie in 5 Akten.
tismus. Und durch die Fülle der feinen Einzelzüge, durch die
lebendige Charakterisierung des Milieus und der Personen
im Frankfurter Neuen Theater,
(mit spitzem Pinsel, doch nie photographisch sondern immer
am 22. März.
das Wesentliche heraushebend), durch die künstlerische Reser¬
viertheit und Vornehmheit, mit der die innere Anteilnahme
ntleman der Gesinnung. Unanständig¬
des Dichters (seine Stellung zum Judentum, zur Kirche, zum
rgert ihn. Er hat außerdem den Blick
Kliquenwesen in Gelehrtenkreisen, zur Journalistik, zur Par¬
in für die Lächerlichkeit alles Kleinen.
teimoral) angedeutet wird, durch die leichte satirische Färbung,
sind die echten Komödiendichter zusam¬
mit der alles Peinliche den Schein poetischer Gerechtigkeit er¬
ußerdem — Jude, allerdings, aber was
hält, durch alle diese Vorzüge wäre „Professor Bernhardi“
Wesentlichere, er ist Wiener; er hat da¬
mehr als ein fesselndes, anregendes, geistreiches Theaterstück
wo ihm seine Entrüstung, nein sein
geworden, wenn nicht der fünfte Akt folgendes Gespräch ent¬
pnimt. Augenblicke, in denen er
sich
hielt:
rklich?“
„Hofrat: Denn zum Reformator sind Sie ja wahr¬
en; seiner Ueberzeugung und seiner
scheinlich nicht geboren. Bernhardi: Reformator —?
sein satirischer Geist hin und her. Das
Aber ich bitte Sie —. Hofrat: So wenig wie ich
en Kunstformen, es ergibt Tragödien,
Das dürfte wohl daran liegen, daß wir uns doch innerlich
sind, und umgekehrt. Vor allem aber,
□
nicht bereit fühlen, bis in die letzten Konsequenzen zu gehen
nsequenzen“. Dieser Mangel an Ten¬
und eventuell selbst unser Leben einzusetzen für unsere
lichter eine Schwäche) ist des Künst¬
Ueberzeugung —
unserer wurzellosen Zeit vielleicht auch
Und dieser Hofrat hat das letzte Wort. Der skeptische Geist
einer müden Zeit welt durch diesen letzten Akt. Und er wirft
einen Intellekt, der die an sich harte
ns mit einer sonst nur bei Gefühls¬
einen alle Lichter dämpfenden Schatten rückwärts auf das
ganze Werk. Ein Geist, der nichts me## beweisen will, der
ren Sensibililät behandelt, so hat man
nicht einmal mehr Anti= und Sympathien kennt, der nichts
zungen, aus dem Schnitzlers „Professor
ist.
wagt und alles versteht, der frivol genannt werden könnte,
wenn er nicht selbst dazu zu wenig aggressiv wäre. Aber
schon mitgeteilte Fabel läßt sich schnell
dennoch eben ein Geist. Einer, der drei und eine halbe Stunde
großen Spital liegt eine Kranke im
gescheite Dinge sagen kann, einer, der trotz des Mangels an
em Schicksal ahnend. Die Schwester läßt
fortreißendem Temperament immer zu fesseln versteht, der
ter holen. Der behandelnde Arzt, zu¬
Geist eines Mannes, der klug ist wie die Schlange und ohne
#uts, will die Sterbende nicht der gnädi¬
Falsch wie die Taube.
n und sucht den Priester zu verhindern,
alvolle Gewißheit zu geben. Die Aus¬
r wird unterbrochen. Schon die Mit¬
Die Aufführung (Regie: Herr Hellmer) hielt sich an den
Dieners der Kirche hat der Kranken
Titel Komödie. Sie war zu sehr auf den Lustspielton gestellt, sie
#
d zugleich geschlossen. Aus diesem an
verwechselte manchmal Komik und Jronie. Aber sie war in den
Apis
.
vfont
sollen Vorfall wird eine Affäre. Der
ersten drei Akten von anzuerennender Frische und Natürlichkeit
ens der Religionsstörung öffentlich be¬
des Dialogs. In den beiden letzten Akten wurde das Tempo
teihader greift den zu einer gewalt¬
etwas schleppend, wodurch die offenkundigen Schwächen
er Sakramentserteilung aufgebauschten
gerade dieser letzten Akte noch unterstrichen wurden. Es muß
lenes politisches Objekt auf. Es kommt zu
allerdings zugegeben werden, daß die Schwierigkeiten einer
Arzt, der schon vorher durch die Mi߬
Aufführung dieses Werkes nicht gering sind. Außer einer
gezwungen wird, von seinem Posten
Episodenrolle keine weibliche Rolle, keine Liebhaber, keine
für zwei Monate ins Gefängnis.
schwärmerischen Ergüsse, nur kühle oder weniger kühle, aber
der ersten vier Akte, und würde das
immer sachliche Ausemandersetzungen zwischen Männern,
bürde es ein bürgerliches Schauspiel sein,
zwischen ungefähr zwanzig Männern, von denen ein Teil als
el vom Unterliegen anständiger Gesin¬
hervorragende Vertreter ihrer Wissenschaft gelten, andere sind !
—
kluge Diplomaten vom Regierungstische. In der Rolle der Titel¬
helden leistete Herr Senius das seiner Begabung entspre¬
chende:: charmante Art sich zu geben, geschickte Sprechtechnik
(besseres Memorieren könnte dennoch von Vorteil sein) und sym¬
pathisches Innere und Aeußere; um einen Ton weniger lie¬
benswürdig, um einen Grad männlich=reservierter hätte der
Rolle und dem Stück zum Vorteil gereicht. Ausgezeichnet wäre
Herr Schwartze (als Frondeur Ebenwald) gewesen, wenn
er nicht in der großen Sitzungsszene allzusehr outriert hätte.
Immerhin war seine Leistung wie auch die des Herrn Gro߬
mann als Kollege von der Abteilung für Nervenkranke sehr
beachtenswert. Herr Semler war schön und elegant
wie es sich für einen Frauenarzt gehört;
wurde es ihm schwer, die seinem Zivil=Lebensalter
entsprechende Jugendlichkeit mit der Würde seiner grau¬
melierten Perücke in Einklang zu bringen. Viel besser gelang
dies, von dem (beneidenswert) jungfrischen Klang seines
Organs abgesehen, Herrn Bernstein als alter 48er (Prof.
Pflugfelder). Herr Reimann chargierte zu stark, etwas
farblos war Herr Lobe. In kleineren Rollen fielen durch
ihr durchdachtes Spiel auf die Herren Blanckarts, Hille
und Graetz. Der Unterrichtsminister schien Herrn Heding
nicht zu liegen; er gab ihn nicht liebenswürdig, nicht welt¬
männisch genug. Diese ganz besonders gut gelungene Figur
muß durch den Reiz einer anmutigen Persönlichkeit den
Mangel an Intelligenz ersetzen, auch eine Art der Selbstüber¬
hebung, des Sichberauschens am eigenen Wort besitzen, die
nicht erzürnt, nur lächeln macht. Herr Hellmer gab klug
den intelligenten Hofrat, auf sein Telephon=Extempore hätte
man allerdings.gern verzichtet. Vortrefflich in der Charakteristik,
etwas zu gedehnt im Sprechen, gab Herr Kreuzer den
Pfarret. Befriedigendes leisteten die Herren Gutes,
Rainer, Spohn, Groß, Lobe und Frl. Wagner. Das
Publikum folgte den ersten drei Akten mit großem Interesse,
wovon lebhafter Beifall Kunde gab. Die beiden letzten Akte
ermüdeten etwas, jedoch hielt bis zum Schluß der Beifall an.
H. S.
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25. ProssorBernhandi
forter Zeitung
nung und ursprünglichen Menschentums gegen gewissenloses
Strebertum der Fachgenossen, gegen unsinniges Ueberspannen
neue Schnitzler.
vor Einzelfällen zu typischen Vorkommnissen (was die Oeffent¬
lichkeit so sehr liebt), gegen „Gesinnungstüchtigkeit" und Jesui¬
nhardl', Komodie in 5 Akten.
tismus. Und durch die Fülle der feinen Einzelzüge, durch die
lebendige Charakterisierung des Milieus und der Personen
im Frankfurter Neuen Theater,
(mit spitzem Pinsel, doch nie photographisch sondern immer
am 22. März.
das Wesentliche heraushebend), durch die künstlerische Reser¬
viertheit und Vornehmheit, mit der die innere Anteilnahme
ntleman der Gesinnung. Unanständig¬
des Dichters (seine Stellung zum Judentum, zur Kirche, zum
rgert ihn. Er hat außerdem den Blick
Kliquenwesen in Gelehrtenkreisen, zur Journalistik, zur Par¬
in für die Lächerlichkeit alles Kleinen.
teimoral) angedeutet wird, durch die leichte satirische Färbung,
sind die echten Komödiendichter zusam¬
mit der alles Peinliche den Schein poetischer Gerechtigkeit er¬
ußerdem — Jude, allerdings, aber was
hält, durch alle diese Vorzüge wäre „Professor Bernhardi“
Wesentlichere, er ist Wiener; er hat da¬
mehr als ein fesselndes, anregendes, geistreiches Theaterstück
wo ihm seine Entrüstung, nein sein
geworden, wenn nicht der fünfte Akt folgendes Gespräch ent¬
pnimt. Augenblicke, in denen er
sich
hielt:
rklich?“
„Hofrat: Denn zum Reformator sind Sie ja wahr¬
en; seiner Ueberzeugung und seiner
scheinlich nicht geboren. Bernhardi: Reformator —?
sein satirischer Geist hin und her. Das
Aber ich bitte Sie —. Hofrat: So wenig wie ich
en Kunstformen, es ergibt Tragödien,
Das dürfte wohl daran liegen, daß wir uns doch innerlich
sind, und umgekehrt. Vor allem aber,
□
nicht bereit fühlen, bis in die letzten Konsequenzen zu gehen
nsequenzen“. Dieser Mangel an Ten¬
und eventuell selbst unser Leben einzusetzen für unsere
lichter eine Schwäche) ist des Künst¬
Ueberzeugung —
unserer wurzellosen Zeit vielleicht auch
Und dieser Hofrat hat das letzte Wort. Der skeptische Geist
einer müden Zeit welt durch diesen letzten Akt. Und er wirft
einen Intellekt, der die an sich harte
ns mit einer sonst nur bei Gefühls¬
einen alle Lichter dämpfenden Schatten rückwärts auf das
ganze Werk. Ein Geist, der nichts me## beweisen will, der
ren Sensibililät behandelt, so hat man
nicht einmal mehr Anti= und Sympathien kennt, der nichts
zungen, aus dem Schnitzlers „Professor
ist.
wagt und alles versteht, der frivol genannt werden könnte,
wenn er nicht selbst dazu zu wenig aggressiv wäre. Aber
schon mitgeteilte Fabel läßt sich schnell
dennoch eben ein Geist. Einer, der drei und eine halbe Stunde
großen Spital liegt eine Kranke im
gescheite Dinge sagen kann, einer, der trotz des Mangels an
em Schicksal ahnend. Die Schwester läßt
fortreißendem Temperament immer zu fesseln versteht, der
ter holen. Der behandelnde Arzt, zu¬
Geist eines Mannes, der klug ist wie die Schlange und ohne
#uts, will die Sterbende nicht der gnädi¬
Falsch wie die Taube.
n und sucht den Priester zu verhindern,
alvolle Gewißheit zu geben. Die Aus¬
r wird unterbrochen. Schon die Mit¬
Die Aufführung (Regie: Herr Hellmer) hielt sich an den
Dieners der Kirche hat der Kranken
Titel Komödie. Sie war zu sehr auf den Lustspielton gestellt, sie
#
d zugleich geschlossen. Aus diesem an
verwechselte manchmal Komik und Jronie. Aber sie war in den
Apis
.
vfont
sollen Vorfall wird eine Affäre. Der
ersten drei Akten von anzuerennender Frische und Natürlichkeit
ens der Religionsstörung öffentlich be¬
des Dialogs. In den beiden letzten Akten wurde das Tempo
teihader greift den zu einer gewalt¬
etwas schleppend, wodurch die offenkundigen Schwächen
er Sakramentserteilung aufgebauschten
gerade dieser letzten Akte noch unterstrichen wurden. Es muß
lenes politisches Objekt auf. Es kommt zu
allerdings zugegeben werden, daß die Schwierigkeiten einer
Arzt, der schon vorher durch die Mi߬
Aufführung dieses Werkes nicht gering sind. Außer einer
gezwungen wird, von seinem Posten
Episodenrolle keine weibliche Rolle, keine Liebhaber, keine
für zwei Monate ins Gefängnis.
schwärmerischen Ergüsse, nur kühle oder weniger kühle, aber
der ersten vier Akte, und würde das
immer sachliche Ausemandersetzungen zwischen Männern,
bürde es ein bürgerliches Schauspiel sein,
zwischen ungefähr zwanzig Männern, von denen ein Teil als
el vom Unterliegen anständiger Gesin¬
hervorragende Vertreter ihrer Wissenschaft gelten, andere sind !
—
kluge Diplomaten vom Regierungstische. In der Rolle der Titel¬
helden leistete Herr Senius das seiner Begabung entspre¬
chende:: charmante Art sich zu geben, geschickte Sprechtechnik
(besseres Memorieren könnte dennoch von Vorteil sein) und sym¬
pathisches Innere und Aeußere; um einen Ton weniger lie¬
benswürdig, um einen Grad männlich=reservierter hätte der
Rolle und dem Stück zum Vorteil gereicht. Ausgezeichnet wäre
Herr Schwartze (als Frondeur Ebenwald) gewesen, wenn
er nicht in der großen Sitzungsszene allzusehr outriert hätte.
Immerhin war seine Leistung wie auch die des Herrn Gro߬
mann als Kollege von der Abteilung für Nervenkranke sehr
beachtenswert. Herr Semler war schön und elegant
wie es sich für einen Frauenarzt gehört;
wurde es ihm schwer, die seinem Zivil=Lebensalter
entsprechende Jugendlichkeit mit der Würde seiner grau¬
melierten Perücke in Einklang zu bringen. Viel besser gelang
dies, von dem (beneidenswert) jungfrischen Klang seines
Organs abgesehen, Herrn Bernstein als alter 48er (Prof.
Pflugfelder). Herr Reimann chargierte zu stark, etwas
farblos war Herr Lobe. In kleineren Rollen fielen durch
ihr durchdachtes Spiel auf die Herren Blanckarts, Hille
und Graetz. Der Unterrichtsminister schien Herrn Heding
nicht zu liegen; er gab ihn nicht liebenswürdig, nicht welt¬
männisch genug. Diese ganz besonders gut gelungene Figur
muß durch den Reiz einer anmutigen Persönlichkeit den
Mangel an Intelligenz ersetzen, auch eine Art der Selbstüber¬
hebung, des Sichberauschens am eigenen Wort besitzen, die
nicht erzürnt, nur lächeln macht. Herr Hellmer gab klug
den intelligenten Hofrat, auf sein Telephon=Extempore hätte
man allerdings.gern verzichtet. Vortrefflich in der Charakteristik,
etwas zu gedehnt im Sprechen, gab Herr Kreuzer den
Pfarret. Befriedigendes leisteten die Herren Gutes,
Rainer, Spohn, Groß, Lobe und Frl. Wagner. Das
Publikum folgte den ersten drei Akten mit großem Interesse,
wovon lebhafter Beifall Kunde gab. Die beiden letzten Akte
ermüdeten etwas, jedoch hielt bis zum Schluß der Beifall an.
H. S.