25. ProfessenBernhand
usschnitt aus: Neuse Wiener Abendb##
Wie
25 A4119!5
vom:
efs Vernhardt“.) Der Verein
„Freie Schule“ veranstaltete türzlich im Festsaale des
Ingenieur= und Architettenvereines eine Vorlesung von
Schnitzlers „Professor Bernhardi“ die der Dramaturg
des Deutschen Volkstheaters, Herr Heinrich Glücks¬
mann, durch eine Conférence über die Dichtung einleitete.
Der Redner bot eine eindringliche Analyse der Komödie,
deren Entstehung er als literarischer Zaungast verfolgt
hatte; er wies darauf hin, daß Schnitzler in dieser
Komödie, die alle seine bekannten dramatischen Qualitäten
glänzend offenbare, einen neuen Ton anschlug und ohne
jeden erotischen Anklang ein bedeutsames Gewissensproblem
kraftvoll behandelte; er betonte aber auch, daß durch den
Umstand, daß Professor Bernhardi Jude sei, das Problem
von seiner eigentlichen Basis verschoben wurde. Mit einer
geharnischten Kritik unsrer Zensurpraxis schloß per Redner
seine geistvollen Ausführungen. Herr Onno las dann die
Komödie, deren Gestalten er meisterhaft scharakterisierte.
Das Publikum spendete beiden Darbietungen reichen
Beifall.
Ausschnitt Ra8t
vom:
Getsog Talting, Stealin
Bellevne=Theater.
Gastspiel Kleines Theater, Berlin:
„Professor Bernhardt“ von Arthur Schnitzler.
Stettin, 2. Juni.
Die Zeit des anbrechenden Sommers ist im Bellevuetheater die
Zeit der Gastspiele. Kunterbunt geht es da im Spielplan mitunter
zu.
So setzte denn gestern nach der Epoche der Revuen eine nur kurz
bemessene literarische ein. Der geistreiche und talentierte Wiener
Arthur Schnitzler kam mit seiner neuesten, vor einiger Zeit an
dieser Stelle schon besprochenen Komödie zu Worte. War das Audi¬
torium, das er versammeln konnte, auch nicht allzu zahlreich, so war
es um so dankbarer. Und in der Tat ist „Professor Bernhardi“
ein Stück, das sich nicht nur „sehen lassen“ sondern das auch schärferer
Kritik standhalten kann. Professor Dr. Bernhardi, Professor für innere
Medizin, Direktor des Elisabethinums, so groß als Mensch wie als
Mann, begeht die Unvorsichtigkeit. als Arzt einem Priester den Zutritt
zu einer ahnungslosen Sterbenden, einer Sünderin, zu verwehren, um
ihr das stille Glück der letzten Stunde nicht zu stören. Als Mann
steht er für das ein, was er als Mensch „verbrochen“, steht dafür ein
und — fällt, ein Opfer der ecclesia militans, mehr noch aber des
sauberen Professorenklüngels, der seine Fahne nach dem Winde zu
drehen weiß und dieser Wind weht ins klerikal=antisemitische Lager.
Der Herr Minister ist aus gleichem Holze geschnitten und gibt, natür¬
lich nicht um eigener, sondern um höherer Interessen willen, den un¬
bequemen Starrkopf preis, der, wegen Religionsstörung zu Gefängnis
verurteilt, auch seines Diploms verlustig geht Schnitzler freilich
dünkte das gar zu hart und er eröffnet varum — einen andern Zweck
sieht man nicht ein — am Schluß die Möglichkeit einer versöbnlicheren
Lösung. Trotz des starken politischen Einschlags, trotz der scharfen
Pfeile, die der Autor gegen die ihm verhaßte klerikal=antisemitische
Wirtschaft und eine ihr willfährige Bureaukratie richtet, trotz seiner von
Anfang an uuverkennbaren Stellungnahme für Bernhardi und sein
Tun läßt sich die Komödie mit dem Wort: Tendenzstück nicht beiseite
schieben. Im letzten Grunde, wenn auch vom Unkraut des Karriere¬
und Parteigetriebes überwuchert, zeigt uns Schnitzler den Zusammen¬
prall zweier Weltanschauungen, die sich nie finden, nur für Augenblicke
sich berühren, wenn zwei Edelmenschen über den Abgrund hinweg sich
in halbem Verstehen die Hände reichen: wie der Pfarrer Reder und
der Professor Bernhardi, der Katholik und der „Humane“ Prächtig
ist Schnitzlers Charakterisierungskunst und nicht minder prächtig seine
Offenherzigkeit, die ihn mit wienerischem Freimut die Defekte seiner
Helden zeigen täßt. Die Aufführung trug dem Umstand vollauf Rech¬
nung, daß es sich um ein Wiener Stück und zumeist Wiener Typen
box 30/4
— —
Ausschnitt aus: 7# #e.
Aetann
26 Julll 1912
vom:
—
22
Theaterberichte.
Dresden. Zentraltheater. Das Kleine
Theater, Berlin, brachte uns unter der genialen
Regie des Direktors Viktor Barnowsky den „Pro¬
sor Bernhardi“ Komödie in 5 Akten von
Arthur Schnitzler, nach Dresden, welche Komödie in
Berlin schon zahlreiche Wiederholungen erlebte. Ohne
den Inhalt erst eingehend zu zerpflücken und zu zer¬
stückeln, sei nur hervorgehoben, daß auch trotz der vor¬
züglichen künstlerischen Wiedergabe die großen Schwächen
dieser Schnitzlerschen Schöpfung nicht zu beseitigen
sind. Das Werk krankt eben an endlosen Dialogen, die,
wenngleich der Dichter dabei eine meisterhafte Ausdrucks¬
weise und =form zutage legt, doch mit der Zeit er¬
müden und ein unbefriedigtes Empfinden zurücklassen.
Der starke Beifall und das Interesse, mit dem das
Publikum das Stück und das Gastspiel aufnahm, gilt
demnach wohl in erster Linie den Künstlern. Heinrich
Schroth als Prof. Bernhardi traf den rechten Ton der
Einfachheit und Ueberzeugung. Max Landa war eigent¬
lich der einzige, der dialektisch zum Ausdruck brachte,
daß die Komödie in Wien sich abspielt. Neben diesent
beiden seien noch besonders genannt Klein=Rhoden, Max
Adalbert, Maximilian Wolff und Ernst Wurmser.
Otto Hollstein
usschnitt aus: Neuse Wiener Abendb##
Wie
25 A4119!5
vom:
efs Vernhardt“.) Der Verein
„Freie Schule“ veranstaltete türzlich im Festsaale des
Ingenieur= und Architettenvereines eine Vorlesung von
Schnitzlers „Professor Bernhardi“ die der Dramaturg
des Deutschen Volkstheaters, Herr Heinrich Glücks¬
mann, durch eine Conférence über die Dichtung einleitete.
Der Redner bot eine eindringliche Analyse der Komödie,
deren Entstehung er als literarischer Zaungast verfolgt
hatte; er wies darauf hin, daß Schnitzler in dieser
Komödie, die alle seine bekannten dramatischen Qualitäten
glänzend offenbare, einen neuen Ton anschlug und ohne
jeden erotischen Anklang ein bedeutsames Gewissensproblem
kraftvoll behandelte; er betonte aber auch, daß durch den
Umstand, daß Professor Bernhardi Jude sei, das Problem
von seiner eigentlichen Basis verschoben wurde. Mit einer
geharnischten Kritik unsrer Zensurpraxis schloß per Redner
seine geistvollen Ausführungen. Herr Onno las dann die
Komödie, deren Gestalten er meisterhaft scharakterisierte.
Das Publikum spendete beiden Darbietungen reichen
Beifall.
Ausschnitt Ra8t
vom:
Getsog Talting, Stealin
Bellevne=Theater.
Gastspiel Kleines Theater, Berlin:
„Professor Bernhardt“ von Arthur Schnitzler.
Stettin, 2. Juni.
Die Zeit des anbrechenden Sommers ist im Bellevuetheater die
Zeit der Gastspiele. Kunterbunt geht es da im Spielplan mitunter
zu.
So setzte denn gestern nach der Epoche der Revuen eine nur kurz
bemessene literarische ein. Der geistreiche und talentierte Wiener
Arthur Schnitzler kam mit seiner neuesten, vor einiger Zeit an
dieser Stelle schon besprochenen Komödie zu Worte. War das Audi¬
torium, das er versammeln konnte, auch nicht allzu zahlreich, so war
es um so dankbarer. Und in der Tat ist „Professor Bernhardi“
ein Stück, das sich nicht nur „sehen lassen“ sondern das auch schärferer
Kritik standhalten kann. Professor Dr. Bernhardi, Professor für innere
Medizin, Direktor des Elisabethinums, so groß als Mensch wie als
Mann, begeht die Unvorsichtigkeit. als Arzt einem Priester den Zutritt
zu einer ahnungslosen Sterbenden, einer Sünderin, zu verwehren, um
ihr das stille Glück der letzten Stunde nicht zu stören. Als Mann
steht er für das ein, was er als Mensch „verbrochen“, steht dafür ein
und — fällt, ein Opfer der ecclesia militans, mehr noch aber des
sauberen Professorenklüngels, der seine Fahne nach dem Winde zu
drehen weiß und dieser Wind weht ins klerikal=antisemitische Lager.
Der Herr Minister ist aus gleichem Holze geschnitten und gibt, natür¬
lich nicht um eigener, sondern um höherer Interessen willen, den un¬
bequemen Starrkopf preis, der, wegen Religionsstörung zu Gefängnis
verurteilt, auch seines Diploms verlustig geht Schnitzler freilich
dünkte das gar zu hart und er eröffnet varum — einen andern Zweck
sieht man nicht ein — am Schluß die Möglichkeit einer versöbnlicheren
Lösung. Trotz des starken politischen Einschlags, trotz der scharfen
Pfeile, die der Autor gegen die ihm verhaßte klerikal=antisemitische
Wirtschaft und eine ihr willfährige Bureaukratie richtet, trotz seiner von
Anfang an uuverkennbaren Stellungnahme für Bernhardi und sein
Tun läßt sich die Komödie mit dem Wort: Tendenzstück nicht beiseite
schieben. Im letzten Grunde, wenn auch vom Unkraut des Karriere¬
und Parteigetriebes überwuchert, zeigt uns Schnitzler den Zusammen¬
prall zweier Weltanschauungen, die sich nie finden, nur für Augenblicke
sich berühren, wenn zwei Edelmenschen über den Abgrund hinweg sich
in halbem Verstehen die Hände reichen: wie der Pfarrer Reder und
der Professor Bernhardi, der Katholik und der „Humane“ Prächtig
ist Schnitzlers Charakterisierungskunst und nicht minder prächtig seine
Offenherzigkeit, die ihn mit wienerischem Freimut die Defekte seiner
Helden zeigen täßt. Die Aufführung trug dem Umstand vollauf Rech¬
nung, daß es sich um ein Wiener Stück und zumeist Wiener Typen
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Ausschnitt aus: 7# #e.
Aetann
26 Julll 1912
vom:
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Theaterberichte.
Dresden. Zentraltheater. Das Kleine
Theater, Berlin, brachte uns unter der genialen
Regie des Direktors Viktor Barnowsky den „Pro¬
sor Bernhardi“ Komödie in 5 Akten von
Arthur Schnitzler, nach Dresden, welche Komödie in
Berlin schon zahlreiche Wiederholungen erlebte. Ohne
den Inhalt erst eingehend zu zerpflücken und zu zer¬
stückeln, sei nur hervorgehoben, daß auch trotz der vor¬
züglichen künstlerischen Wiedergabe die großen Schwächen
dieser Schnitzlerschen Schöpfung nicht zu beseitigen
sind. Das Werk krankt eben an endlosen Dialogen, die,
wenngleich der Dichter dabei eine meisterhafte Ausdrucks¬
weise und =form zutage legt, doch mit der Zeit er¬
müden und ein unbefriedigtes Empfinden zurücklassen.
Der starke Beifall und das Interesse, mit dem das
Publikum das Stück und das Gastspiel aufnahm, gilt
demnach wohl in erster Linie den Künstlern. Heinrich
Schroth als Prof. Bernhardi traf den rechten Ton der
Einfachheit und Ueberzeugung. Max Landa war eigent¬
lich der einzige, der dialektisch zum Ausdruck brachte,
daß die Komödie in Wien sich abspielt. Neben diesent
beiden seien noch besonders genannt Klein=Rhoden, Max
Adalbert, Maximilian Wolff und Ernst Wurmser.
Otto Hollstein