II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 321

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25. ProfesseBernand
Ptzlich um allgemein ethische Dinge, um Ver¬
Werk Schnitzlers. Die Charakteristik der einzelnen scharf
5 Offenbarung, und im letzten Sinn um die umrissenen Gestalten beruht auf gründlicher Kenntnis der
ensfreiheit.“ Die Wandlung, die Professor Menschen und der Wiener Gesellschaftssphäre, der die
einem tüchtigen Zorn über die ganze An¬
Komödie entnommen ist. Die Verteilung von Licht und
chmacht, ist bezeichnend ebensosehr für den
Schatten ist mit äußerster Vorsicht gehandhabt. Daß der
seinen Helden. „Es steht nicht dafür“, ist eine
Dichter der Gefahr, tendenziös zu werden, dennoch nicht ent¬
ichische Redensart. Selbst für die Abrech¬
gangen ist, liegt in der nahen Verwandtschaft zwischen
t eulos schwankenden Jugendfreund Flint
Schnitzler und Professor Bernhardi. Geschickt ist es sicher
i kaum noch den nötigen Ernst aufbringen.
nicht, die Gegner Bernhardis, Professor Ebenwald und die
Betrachtung der ganzen Lage ist die Unter¬
Seinen, von dem eitlen Professor Filitz bis zum
in Pfarrer nach der Verurteilung sicherlich
sauberen Kandidaten Hochroitzpointner, als Strohköpfe
ufluß gewesen. Zwei aufrechte Männer
und niedere Seelen hinzustellen. Die Träger der
r den Abgrund von „Demut und Vermessen¬
Handlung sind ja auch weniger diese trüben Helden,
r Anerkennung des gegenseitigen Wertes die
als die Menge mit dem Auf= und Abfluten ihrer
Den Ausklang der Komödie bringt eine
Meinungen, ihrem ewigen Schwanken und raschen Ver¬
Prosessors mit einem Hofrat im Unter¬
änderungen, als deren vornehmstes Sprachrohr der Minister
m, einem gescheiten, humorvollen Menschen,
Flint anzusehen ist. Trotz inneren Widerstandes gegen
ehmsten Gestalten der ganzen Komödie. Es
diesen und jenen Zug der Komödie verliert man nicht die
Teilnahme an dem Fall Bernhardi, dessen dramatische Be¬
Hofrat:
handlung die Hand des Dichters verspüren läßt.
hts heraus cabei. Was hätten Sie denn am End'
Die Aufführung fand im Central=Theater an¬
ein lieber Professor, wenn Sie der armen Person
läßlich des Gastspieles des Kleinen Theaters in
tt einen letzten Schrecken erspart hätten —? Das
Berlin unter der Leitung des Direktors Victor Bar¬
so vor, wie wenn einer die soziale Frage lösen
einem armen Teufel eine Villa zum Präsent
nowsky statt. Das Ensemble erwies sich als gut eingespielt,
etwas künstlich und gesucht auf einen Ton gestimmt, wie ihn
Bernhardi:
Menschen im wirklichen Leben nie haben. Als Einzelleistun¬
nur das eine, lieber Herr Hofrat, wie die meisten
gen sind der warmherzige, vornehme und geistig sichere Pro¬
ß ich ja nicht im entferntesten daran gedacht habe,
fessor Bernhardi des Herrn Schroth, der individuell ge¬
lösen zu wollen. Ich habe einfach in einem ganz
zeichnete Minister des Herrn Landa und der ganz prächtig
tan, was ich für das Richtige hielt.
gegebene Hofrat von Herrn Adalbert besonders hervor¬
Hofrat:
zuheben. Auch der Professor Ebenwald hatte durch Herrn
n das Gefehlte. Wenn man immerfort das
Klein=Rohden sichere Konturen erhalten. Manche
vielmehr, wenn man nur einmal in der Früh',
Rollen, wie die des Hochroitzpointner, Dr. Feuermann, Dr.
ter zu überlegen, anfing', das Richtige zu tun,
Adler, waren unzureichend besetzt. Das Publikum, zahl¬
fort den ganzen Tag lang das Richtige, so säße
reich erschienen, bereitete der Komödie und den Gästen herz¬
hrm Nachtmahl im Kriminal.
liche Aufnahme. Die langen Auseinandersetzungen in den
ie ist trotz einiger fühlbarer Längen
im
beiden letzten Akten ermüdeten allerdings. Hartwig.
an dramatischem Leben, wie jedes andere!
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
merslanzeiger für
Düsseldork
Ausschnitt aus:
Düsseldorf
I8 2 107
vom:
Partner eine vollkommene Resonanz schuf, viel für die:
Feuilleton.
starke und einheitliche Wirkung der Aufführung getan.!
Gustav Rodegg gab seinem Professor Bernhardi ernste
Männlichkeit und eine stille Größe, die der Figur solch
Schauspielhaus.
eine überragende Bedeutung gaben, daß sie sich in den
Professor Bernhardi.
engen Rahmen des alles zerredenden letzten Aktes nicht
mehr einfügte, sondern eben durch diese frühere Bedeu¬
Düsseldorf, den 7. Aug. 1913.
tung den zerstörenden Eindruck des Schlusses erhöhte.
Der Titel dieses Stückes, über das unsere Mitarbeiter
Eine feine Figur war der allerdings etwas allzu sidele
in Wien und Berlin schon ausführlich an dieser Stelle
und allzu unbeschäftigte Hofrat Winkler Eugen
gesprochen haben, läßt vermuten, daß es sich um das
Kellers. Der Unterrichtsminister Georg Kochs hatte
Schicksal einer Persönlichkeit handelt. In Wirklichkeit
zu viel Beamtensteifheit, seine geistige Beweglichkeit
handelt es sich nur um einen Fall und um einen Mann,
hätte deutlicher werden müssen. Der Pfarrer von
100
der dem Fall den Namen gibt und wider Willen ein
Anders Witman hatte Würde, aber die fremdartige
„Held“ wird. „Die Tragikomödie des Eigensinns“ heißt
Aussprache störte den Eindruck. Interessant war Paul
es einmal in dem Spiel, aber auch das ist dieses Stück
Günther als Professor Ebenwald, ein paar lustige
Arthur Schnitzlers nicht, denn Bernhardi fällt, weil
Figuren waren Paul Henckels als Dr. Feuermann
####### Urd. Das Stück bleibt im Zu¬
und Ernst Rotmund als der bewegliche Dr. Löwen¬
ständlichen stecken. Die äußeren Dinge sind es, die hier
stein.
wirken, die Bernhardi hinabstoßen in den Abgrund, der
Das Stück wurde mit großer Aufmerksamkeit verfostt
nur ein Theaterabgrund ist, denn sofort erhebt er sich
und durch ungewöhnlich lauten Beifall ausgezeichnete
und erklärt lächelnd, alles sei ja nur Komödie, es könne
doch hoffentlich niemand im Ernst annehmen, daß heute
noch jemand Tragödie spiele. Dies alles war nur ein
Feuerwerk, meine Herrschaften, und wenn Sie annähmen,
hier würde wirklich geschossen, so würde es mir nur um
Ihren Kopf leid tun. Nur einmal hat das Spiel den
Reiz des Persönlichen, in der großen Auseinandersetzung
zwischen Bernhardi und dem Pfarrer. Im übrigen
hütet es sich ängstlich, von der Schilderung österreichischer
Zustände, politischer und beruflicher Zustände zum Ver¬
sönlichen fortzuschreiten, dort hinauf zu steigen, wo das
Höchstpersönliche auch das Allgemeine ist, weil es an die
Grenzen rührt, an denen wir alle im Kampfe gegen das!
Unfaßbare als Verteidiger unserer Erkenntnis und
unseres Gefühls stehen. Es ist die Angst, sich zu zer¬
stören, die Angst, der Zweifel und das Lächeln könnten
Nötzlich aufhören, mehr zu sein, als die große Leiden¬
schaft, an die wir nicht mehr recht glauben wollen.
Richard Weichert als Regisseur hatte dem Spieif
durch eine gewissenhafte Durcharbeitung etwas von seiner
Weitschweifigkeit genommen und hatte namentlich da¬
kurch, daß er dem Sprecher in einem belebten Spiel seiner