II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 434

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Bürgerausschuß zu diesem Ausbau?“ Weiter wollte dann Präsident
v. d. Borght noch wissen, auf welchen Grundlagen und nach welchem
Modus in den einzelnen Orten die direkten Wahlen zum Zweckver¬
band erfolgen sollen. Reichdbankoberkalkulator Ladendorff, Vor¬
sitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung des Bundes der Berliner
Grundbesitzervereine, verlangte, falls das Hausbesitzerprivileg den
Hausbesitzern gekürzt oder genommen würde, eine gesicherte Ver¬
tretung des Hausbesitzes gleich der anderer Stände. Regierungsrat
Dr. Hoepker, Burgermeister Dr. Deyendorff=Lankwitz und
Magistratdsekratar F. Wege brachten dann noch besondere Wünsche
vor, die, im Interesse des Grund= und Hausbesitzes liegend, Zu¬
stimmung fanden.
* Für die völlige Sonntagsruhe. Der Zentralverband
der Handlungsgehilfen hat der Stadtverordnetenversammlung eine
Bittschrift überreicht: „umgehend ein Ortsstatut zu schaffen, durch
das die bisher zugelassene Verkaufszeit in den Nichtlebensmittelläden
an den Sonntagen umgehend beseltigt wird. Der Magistrat Char¬
lottenburg und die Gemeindebehörden von Pankow, Tempelhof usw.
haben mitacteilt, daß
ihr Verbalten von dem Berlins abhängig
machen wollen. Die Berliner Gewerbedeputation wird sich nun eben¬
falls mit dieser Frage beschäftigen und dann dem Magistrat Ver¬
anlassung geben, dazu Stellung zu nehmen.
* Eine größere Missionéveranstaltung des Verbandes Groß
* Berlin der Berliner Missionsgesellschaft findet am.
2. Dezember, 8 Uhr in der Stadtmissionskiche (am Johannistisch),
statt. Anlaß dazu bietet der Heldenkampf unserer Truppen in
Deutschostafrika. Reichstagsabgeordneter D. Mumm wird über das
Thema sprechen: Was sind uns unsere Kolonien?“ Missionsdirektor
D. Arenfeld über: „Was schulden wir unseren Kolonien?“; das
Schlußwort hat der Verbandsvorsitzende P. Sarowy übernommen.
Der Eintritt ist frei.
* Kriegsärztliche Abende. Am 4. Dezember 8 Uhr wird
Professor Alt=Uchtspringe im Kaiserin Friedrich=Haus, Luisen¬
platz 2—4, einen Vortrag über „Kriegsneurosen“ mit kinemato¬
grapbischen Bildern halten. Vor der Tagesordnung wird Professor
Dr. Cassirer mit Oberarzt Dr. Stange kinematographische
Films aus dem Gebiete der Kriegsverletzungen der Nerven demon¬
strieren. Am 11. Dezember wird Professor Dr. Barany=Upsala
über „Primäre Exzision der Schußwunden und primäre Naht“ sowie
Aber „Die Behandlung der Gehirnabszesse“ sprechen.
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Theater, Konzerte und Vortrage.
Im Schillertheater Charlottenbukg ist nun auch
Arthur Schu###l##Profe sssor Bernhardi“
über die Bretter gegangen. Der geistreich elegante Schilderer einer
etwas dekadenten müden Welt, der vor allem differenzierte Probleme
der Liebe und Ebe so fesselnd und leicht zu behandeln weiß, hat hier
das große Kunststück fertig gebracht, ganz ohne die Magie des Weib¬
lichen auszukommen und doch ein Milieu= und Problemlustspiel zu
schreiben, das vom ersten bis zum letzten Augenblick im Bann hält.
Der Arzt Schnitzler hat sein Thema diesmal aus seinem
Berufskreise gewählt; mit Fragen des Standes werden
Fragen der Weltanschauung, der Politik der Rasse und
anderes verknüpft. Drei Akte hindurch scheint es, als ob eine
drohende Verwicklung, ein ernster Konflikt einer ernsthaften, wuchtigen
Lösung zueilte. Im vierten Aufzug haben wir einen packenden Höhe¬
punkt in dem Gespräch zwischen Professor Bernhardi und einem katho¬
lischen Geistlichen, das Tieferes über grundsätzliche Dinge sagt, aber
der letzte Akt schließt mit einer resignierten, leicht überlegenen Geste:
Es lohnt nicht. Der Sarkasmus des Dichters, der verschiedent!.
Ansätze zu Temperamentsaufwallungen genommen hat, wie sie der¬
Gegenstand herausfordern könnte — der Verlauf der Aufführung¬
zeigte, wie stark hier ein Resonanzboden dafür im Publikum vor¬
handen
verebbt zu einer leichten Ironie, die mit höflichem
und feinem Lächeln auf
schweres Geschütz verzichtet, über¬
haupt einer
„Stellungnahme“ aus dem Weg geht und
mit einem Scherzando das Stück schließt, das des öfteren wirkungs¬
voll zu einem Forte ansetzte. Wie viel hier von Politik und anderen
schaif schneidenden Dingen die Rede ist: Wenn sonst nichts bewiese,
daß Schnitzler kein Tendenzstück hat schreiben wollen — ebensowenig
wie es Hermann Bahr in seinem „Tänzchen“ getan hat — die kurz
und leicht abwägende Geste des Schlusses würde es dartun.
Eine Aufführung der Komödie stellt die Regie vor allem vor
eine ziemlich große Schwierigkeit: Der Personenzettel weist
eine bedeutende Menge von Episodenrollen auf, deren jede ein
gewisses Gewicht in sich trägt. Wenn die Wiedergabe des
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ss.
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dieses will nun einmal anerkannte Größen hören und vevorjugl asch
eine bunte oder gemischte Vortragsordnung. Recht leer aber war die
Philharmonie bei dem zweiten Elitekonzert dieses Winters; offenbar
schätzte das Publikum die dabei wirkenden Künstler nicht als „große
Kanonen“ ein. Dabei aber kann kein Zweifel sein, daß zum mindesten
der Violoncellvirtuose Arnold Földesy
eine solche ist;
vielleicht ist sein Name nur noch nicht genügend bekannt. Einen
schöneren Ton, als er aus seinem Instrument zieht, dürfte man so
bald nicht hören; als Techniker ist er ein wahrer Hexenmeister, auch
trägt er dem Geschmack der breiten Massen Rechnung, indem er
kleinere Stücke, die vorwiegend der Unterhaltung dienen, bevorzugt, wie
z. B. Herberts Serenade, die der bekannten Moszkowskischen nachge¬
bildet erscheint. Er wurde auch ungemein gefeiert und spendete zwei Zu¬
gaben. Frau Frieda Kwast=Hodapp fand mit Beethovens
Appassionata auch reichen Beifall, ebenso Elisabeth
van Endert die in der ihr eigenen liebenswürdigen Art u. a.
von Brahms gesetzte Volkslieder spendete. In dem großen Saal
schien sie sich stimmlich besonders wohl zu fühlen; hier merkt
man es auch nicht, wenn die für den Konzertgesang nun einmal
nötigen Feinheiten der Tonbildung und des Vortrags nicht an¬
gewendet werden.
In geradezu überraschender Weise verleugnete in dieser Hinsicht
Peter Unkel den Opernsänger bei seinem Arien= und Liederabend,
der ihm in dem gut besetzten Beethovensaal sehr starken und wirklich
herzlichen Beifall eintrug. Dieser noch junge Künstler, der bekanntlich
an unserem Königlichen Opernhause seit einigen Jahren als Helden¬
tenorist wirkt, ohne jedoch bei Neueinstudierungen oder Neuheiten in
erster Linie verwendet zu werden, muß, seitdem ich ihn zuletzt
gehört habe, sehr eingehend an der technischen Vervollkomm¬
nung seiner von Hause aus recht beträchtlichen und schönen
Stimmittel gearbeitet haben. Seinem Gesang haften nicht die
mindesten Untugenden an, alles klingt vortrefflich. Freilich hat man
manchmal das Gefühl, daß der Vortrag noch durchdachter, bewegter
und seelenvoller sein könnte, so z. B. in „Traum durch die Dämme¬
rung“ von R. Strauß, welches Lied tonlich und gesangstechnisch
sonst vortrefflich wiedergegeben wurde. Herrn Unkels Vortrag des „Liebes¬
lieds“ aus der „Walküre berechtigte zu der Hoffnung, daß er, wenn ihm
endlich einmal die Tenorpartien im „Ring des Nibelungen“ anvertraut
würden, sehr mit Ehren darin bestehen würde. Ganz besonderen Erfolg hatte
er mit Liedern seines ausgezeichneten Begleiters Clemens
Schmalstich; dessen „Liebste auf deinen Locken“ mußte er selbst¬
verständlich wiederholen; auch „Frühlingsgrüße“ hätten die Zuhörer
gern noch einmal gehört, doch erhielten sie als Zugabe „Wie ein
Rausch“. Schmalstich versteht es vortrefflich, die Stimmung jedes
einzelnen Liedes zum Ausdruck zu bringen; er schreibt sehr gefällig,
ohne ins Triviale zu verfallen, und stützt die Gesangsstimme durch
eine sehr reizvolle Klavierbegleitung. Er müßte sehr wohl imstande
sein, uns mit einer wirklich feinen Operette zu beschenken.
Der hier schon öfters in Konzerten aufgetretenen Sängerin
Gertrud Wendlandt, die in dem ziemlich vollen Bechsteinsaal über
Mangel an Beifall sich nicht zu beklagen hatte und sich von dem
trefflichen Wilhelm Scholz am Klavier begleiten ließ, muß man
dafür danken, daß sie vier Lieder von Spohr, in denen dieser echt¬
deutsche Meister außer dem Klavier noch eine sehr geschmackvoll und
dankbar ausgenutzte Klarinette zur Begleitung verwendet, der unver¬
dienten Vergessenheit entrissen hat. Es sind dies sehr gemütvolle,
fein empfundene und mitunter sogar ganz eigenartige kleine Tonbilder,
von denen namentlich der „Zwiegesang“ und das „Wiegenlied“ als
Perlen der Hausmusik bezeichnet werden können. Eine Freude war
es dabei wahrzunehmen, wie tonschön der Klarinettist Alfred
Richter (vom Deutschen Opernhause) sein von Dilettanten neuerdings
mit Unrecht vernachlässigtes Instrument blies und wie sehr er auf die
Sängerin Rücksicht nahm. Diese hat eine sehr liebliche, zarte, echte
Koloraturstimme und hat auch sehr viel gelernt, allein wo Leiden¬
schaft und starke Tongebung in Frage kommt, da versagt sie so ziem¬
lich ganz. Es war von ihr daher verfehlt, mit einer Reihe von
Richard Straußschen Liedern den Abend zu beschließen; immerhin ge¬
langen ihr „Schlagende Herzen" und „Muttertandelei“, in denen
meist nur zarte Tongebung verlangt wird, recht annehmbar. Als
eine Geschmacklosigkeit aber muß es bezeichnet werden, daß sie sich
noch drei andere Straußsche Lieder ausgewählt hatte, die nur im
Munde eines Herren berechtigt sind.
Eine trotz ihrer Kinderkleidung doch wohl schon mindestens
16 Jahre alte Pianistin Lisy Fischer stellte sich im Künstlerhause
vor. Reicht ihr Gefühlsleben auch noch nicht aus, um den langsamen
Sätzen in Beethovens Sonate op. 27 Nr. 1 gerecht zu werden, klingt
unter ihren Fingern das liebliche Thema von Schuberts Impromptu
op. 142 Nr. 3 noch etwas kindlich, so besitzt sie doch schon eine so
gediegene Technik, daß man an ihren Vorträgen, unter denen ihr
Beethovens Variationen über den russischen Tanz aus dem Ballett
„Das Waldmädchen“ besonders gut gelangen, wirklich Gefallen finden
kann. Man konnte es auch verstehen, daß sie schon jetzt von ihrem
Lehrer Professor Martin Krause in die Oeffentlichkeit eingeführt
wurde; bei ihm, dem längst bewährten Führer der Jugend, wird sie
mit der Zeit auch jene geistige Reife im Vortrag erlangen, die als
höchttes Ziel angestrebt werden muß.
In den Dienst der Wohltätigkeit hatten sich Hertha Dehmlow,
die herrlich Schubert und Richard Strauß sang, der Geigenkünstler
Julius Thornberg und Dr. Bernhard Pollack gestellt, dessen
Klavierspiel bekanntlich ebenso hoch eingeschätzt wird wie seine ärzt¬
liche Tätigkeit. Das im Beethovensaal zahlreich versammelte
Publikum nahm die sehr gelungenen Vorträge, unter denen sich auch
Griegs reizvolle Sonate für Klavier und Violine op. 13 befand, mit
großem, dankbarem Beifall auf. Der Weihnachtsbescherung für
die Verwundeten des Garnisonlazaretts I dürfte ein namhafter Be¬
trag zugeflossen sein.
M. L.
Der Scheinpflugsche Chor hat am Totensonntag im großen
Saal der Königlichen Hochschule für Musik einen Brahmsabend
veranstaltet und dabei als Hauptwerk das Deutsche Requiem
in einer würdigen, hohen Ansprüchen genügenden Aufführung einer