Vrnvee.
eo- Einiges von weittragender Beden¬
tung hat sich ereignet, Throne haben stürzen,
Reiche entstehen und vergehen müssen, ehe die
erste Aufführung von ArthunEchuilns-
Komödie „Professor Bernbardi“ in Wien
möglich werden konnte. Sieben Jahre — aber
welche Jahre! — liegen zwischen dem Erscheinen
des Buches und gestern. Der Fall Bernhardi war
einmal eine große politische Aifäre bei uns;
sogar die geplante Aufführung in Preßburg vor
geladenen Gästen wurde durch „höhere“ Gewalt
verhindert, und die politischen Parteien von
rechts und von links schlugen förmliche Schlachten
um diese so vornehm und so taktvoll kühne
Komödie. Wenn man jetzt die „Freiheiten“ er¬
lebt, die wir uns erst durch Weltkvieg und
Revolution erobern mußten, fühlt man so recht
die Beschämung der Vormundschaft, unter der
wir nun zusammengebrochen sind. Man darf die
Gefahren, vor denen sie uns bewahrt hat, wirklich
nicht mit denen vergleichen, denen sie uns aus¬
geliefert hat, sonst müßte man — ungerecht
werden.
Schnitzler versucht in seinem Professor
Verhardi einen irzt zu zeigen, der zum
Politiker oder Märtyrer einer Weltanschauung
weder Lust noch Veranlagung hat. Er ver¬
weigert dem Priester, der einer Sterbenden die
letzte Oelung erteilen will, den Eintritt zu der
Kranken, weil diese keine Ahnung hat, daß sie
sterben muß, sondern im Gegenteil von dem
Glücksgefühl sicherer Genesung erfüllt ist.
Dieser Arzt ist ein Jude. Klorikale und Anti¬
semiten bemächtigen sich des Falles. Der stark
opportunistische Minister für Kultus und
Unterricht gibt den Freund bei einer Inter¬
pellationsbeantwortung im Abgeordnetenhaus
preis, weil er es sich mit den Klerikalen nicht
verderben darf, die Anklage wegen Religions¬
störung wird erhoben, Professor Bernhardi zu
zwei Monaten Kerker verurteilt. Am Tage, da
er das Gefängnis verläßt, stellt sich seine
Unschuld heraus. Die Kronzeugin der Anklage
hat in der Beichte gestanden, daß ihre Aussage,
Bernhardi habe den Priester mit Gewalt am
Bekreren des Krankenzimmers verhindert, eine 9
falsche war. Nichts steht der Wiederaufnahme
3
des Prozesses entgegen, aber Bernhardi erachtet
den Fall für sich als erledigt. Er ist kein Kämpfer,
er war nur ein Opfer, er will nicht mehr in
den Gerichtssaal, sondern nur zurück zu seiner
Arbeit.
Schnitzler hat sich seine Arbeit nicht leicht
gemacht. Er hat Licht und Schatten mit
äußerster Delikatesse zu verteilen versucht, das
Thema, das er selbst anstimmt, und die Beglei¬
tung, die von der Umgebung beigestellt wird,
möglichst streng auseinander gehalten. Die
Figuren sind meisterhaft nach dem Leben ge¬
zeichnet. Die technische Führung der Aus¬
einandersetzung über den Fall ist von einer
künstlerischen Vollendung, die über die
Handlungsarmut von vier Akten glänzend hin¬
weghilft.
Die Aufführung des Deutschen Volks¬
theaters war eine ausgezeichnete, man merkte
ihr die unfreiwillige Muße sehr vorteilhaft an,
ohne Kohlennot kommen so gründlich durch¬
gearbeitete Vorstellungen bei uns selten zu¬
stande. In der Titelrolle bot Direktor Bernau,
der auch die Spielleitung besort hatte, selbst den
Freunden seiner Schausplelkunst eine angenehme
Ueberraschung; es war eine wirklich außer¬
ordentliche Leistung, wenn man der Figur viel¬
leicht auch ein etwas nervöseres Temverament
gewünscht hätte. Neben ihm gibt es nur ver¬
hältnismäßig kleinere Rollen, die aber mit ver¬
schwindenden Ausnahmen eine tadellose Dar¬
stellung fanden. Der Erfolg war ein durch¬
schlagender. Entgegen allen Prophezeiungen,
bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens
war, wurde der stürmische Veifoll durch keinen
Mißton gestört. Nach dem dritten Akte bedankte
sich der Dichter persönlich.
M
AFe Wre
8
EP
K
PU·M
—0—
Ne *
ArngeN
—
„ — —
ant
4
K
□
6
0
schreiten jedoch durch seitlich verborgen eingelegte Falten ermöglicht.
Ungemein schick ist zu dem blauen Rock die ganz schmal schwarz,
rot, blau gestreifte Weste mit Goldknöpfen, deren Vorderteil be¬
deutend länger als der Rücken ist.
Elgänzend dazu ifl an dritter Stelle eine halblange Gürtel¬
jacke abgebildet, derkn Ueberkragen mit der Weste korrespondiert.
Sehr elegarst ist das vierte Modell, ein Eiskostüm mit
ebenfalls uuschtbar eingelegtem Faltenrock, einer im Rücken
längeren Jücke und Opossumkragen.
Elsa Tauber.
AR
(Deutsches Volkstheater.) Zum erstenmal: „Pro¬
fessor Bernhardi“ von Artur Sch##ihler. Sechs
Jahre ist dieses Stück alt. Sechs Jahre war es verbölen sechs
Jahre hat die österreichischeste aller Komödien gebraucht,
sie
vorgeführt werden durfte. Nun steht sie da: ein Spiegel jener unsäg¬ 1
lichen Groteske, die sich hierzuland als geistiges und politisches Leben ##
gebärdet. Mehr wie Spiegel: Wirklichkeit; Zustand; Blologie)
und Politikum; Anklage, Uxteil, Strafvollzug und „Sei'n=m'r
wieder=gut“; der österreichische Mensch im allgemeinen, in Größe
und in Kleinheit, in Stärke und Schwäche, in Borniertheit und
geistiger Freiheit, in Zorn und Toleranz, in Trotz und Lässigkeit.
In dieser Komödie vom Schicksal des Professors Bernhardi
ist Artur Schnitzler aus seinen Wrenzen getreten, von der erotischen
Psychologie weg zu einem weitgespannten Weltbild gelangt.
Die Seherkraft des Dichters und die Formkunst des Meisters
einen sich. Der Fall Bernhatois beginnt wie eine Lokalnotiz.
Der Herr Professor verweigert einem Priester den Zutritt zum
Sterbebett eines jungen Mädchens, um der Ahnungslosen nicht
die letzte Lebenshoffnung zu nehmen. Sein ärztliches Gewissen
und seine Menschlichkeit leiten ihn. Bernhardi hat das Pech
Jude zu sein und aus dem an sich strittigen Fall entsteht, o du
mein Oesterreich, eine Alfäre ein Leitartikel, eine Partei¬
angelegenheit, eine parlamentarische Interpellation; die Geister werden
aufgestört, die Schufe scheiden sich von denz Böcken, die Krummrückigen
und die Aufrechten, die Prinzipiellen und die Grundsatzlosen,
die Kirchengänger und die Freidenkenden sind in Bewegung, und
mitten in diesem Schwarm und Kampf steht Vernhardi da und
weiß nicht, wie ihm geschicht. Er ist kein Politiker, ist nur
Wissenschaftler, nur Arzt, hat bloß das Gefühl, nichts Unrechtes
getan zu haben, möchte den ganzen Streit von sich schieben,
möchte seinen Standpunkt wahren oder auch nicht, kurzum: er
will, gut österreichisch, seine Ruhe. Aber
die Ver¬
haltnisse sind stärker. Er wird angeklagt, verurteilt,
rehabilitiert, und als er zum Schluß mit dem Hofrat
im Unterrichtsministerium (eine sichtbar nach Burckhard
geformte Figur) über seinen Fall spricht und dabei behauptet, daß
auch er, der Hofeat, genau so gehandelt hätte, gibt ihm dieser
zur Antwort: „Möglich. Da wär ich halt, entschuldigen schon,
Heir Professor, grad so ein Viech gewesen wie Sie.“ Allerdings,
es sieht so aus, als ob dieser Professor Bernhardi ein Viech ist;:
ungebätdig, rechthaberisch, Kämpfer und Kneifer, Wortklauber
und Pathetiker, Jude und Europäer. Aber er will überhaupt
kein Held sein, ist es auch nicht, so sehr ihm die Rolle zuge¬
schnitten wird und doch ergibt, was ein Schnitzlerscher Fehler
scheint, nur einen folgerichtigen Wesenszug dieser Figur:
Bernhardi ist ein Oesterreicher (noch dazu ein jüdischer),
und dieses Oesierreichertum ist auch sonst in allen Spielarten
vertreten, in den Aemten, die um Bernhardi herumstehen, in dem
Minister, in dem Hofrat, in dem Priester. Es ist Tragik und
Schicksal. Hundert Wesenszüge tieffen zusammen und doch hat!
eo- Einiges von weittragender Beden¬
tung hat sich ereignet, Throne haben stürzen,
Reiche entstehen und vergehen müssen, ehe die
erste Aufführung von ArthunEchuilns-
Komödie „Professor Bernbardi“ in Wien
möglich werden konnte. Sieben Jahre — aber
welche Jahre! — liegen zwischen dem Erscheinen
des Buches und gestern. Der Fall Bernhardi war
einmal eine große politische Aifäre bei uns;
sogar die geplante Aufführung in Preßburg vor
geladenen Gästen wurde durch „höhere“ Gewalt
verhindert, und die politischen Parteien von
rechts und von links schlugen förmliche Schlachten
um diese so vornehm und so taktvoll kühne
Komödie. Wenn man jetzt die „Freiheiten“ er¬
lebt, die wir uns erst durch Weltkvieg und
Revolution erobern mußten, fühlt man so recht
die Beschämung der Vormundschaft, unter der
wir nun zusammengebrochen sind. Man darf die
Gefahren, vor denen sie uns bewahrt hat, wirklich
nicht mit denen vergleichen, denen sie uns aus¬
geliefert hat, sonst müßte man — ungerecht
werden.
Schnitzler versucht in seinem Professor
Verhardi einen irzt zu zeigen, der zum
Politiker oder Märtyrer einer Weltanschauung
weder Lust noch Veranlagung hat. Er ver¬
weigert dem Priester, der einer Sterbenden die
letzte Oelung erteilen will, den Eintritt zu der
Kranken, weil diese keine Ahnung hat, daß sie
sterben muß, sondern im Gegenteil von dem
Glücksgefühl sicherer Genesung erfüllt ist.
Dieser Arzt ist ein Jude. Klorikale und Anti¬
semiten bemächtigen sich des Falles. Der stark
opportunistische Minister für Kultus und
Unterricht gibt den Freund bei einer Inter¬
pellationsbeantwortung im Abgeordnetenhaus
preis, weil er es sich mit den Klerikalen nicht
verderben darf, die Anklage wegen Religions¬
störung wird erhoben, Professor Bernhardi zu
zwei Monaten Kerker verurteilt. Am Tage, da
er das Gefängnis verläßt, stellt sich seine
Unschuld heraus. Die Kronzeugin der Anklage
hat in der Beichte gestanden, daß ihre Aussage,
Bernhardi habe den Priester mit Gewalt am
Bekreren des Krankenzimmers verhindert, eine 9
falsche war. Nichts steht der Wiederaufnahme
3
des Prozesses entgegen, aber Bernhardi erachtet
den Fall für sich als erledigt. Er ist kein Kämpfer,
er war nur ein Opfer, er will nicht mehr in
den Gerichtssaal, sondern nur zurück zu seiner
Arbeit.
Schnitzler hat sich seine Arbeit nicht leicht
gemacht. Er hat Licht und Schatten mit
äußerster Delikatesse zu verteilen versucht, das
Thema, das er selbst anstimmt, und die Beglei¬
tung, die von der Umgebung beigestellt wird,
möglichst streng auseinander gehalten. Die
Figuren sind meisterhaft nach dem Leben ge¬
zeichnet. Die technische Führung der Aus¬
einandersetzung über den Fall ist von einer
künstlerischen Vollendung, die über die
Handlungsarmut von vier Akten glänzend hin¬
weghilft.
Die Aufführung des Deutschen Volks¬
theaters war eine ausgezeichnete, man merkte
ihr die unfreiwillige Muße sehr vorteilhaft an,
ohne Kohlennot kommen so gründlich durch¬
gearbeitete Vorstellungen bei uns selten zu¬
stande. In der Titelrolle bot Direktor Bernau,
der auch die Spielleitung besort hatte, selbst den
Freunden seiner Schausplelkunst eine angenehme
Ueberraschung; es war eine wirklich außer¬
ordentliche Leistung, wenn man der Figur viel¬
leicht auch ein etwas nervöseres Temverament
gewünscht hätte. Neben ihm gibt es nur ver¬
hältnismäßig kleinere Rollen, die aber mit ver¬
schwindenden Ausnahmen eine tadellose Dar¬
stellung fanden. Der Erfolg war ein durch¬
schlagender. Entgegen allen Prophezeiungen,
bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens
war, wurde der stürmische Veifoll durch keinen
Mißton gestört. Nach dem dritten Akte bedankte
sich der Dichter persönlich.
M
AFe Wre
8
EP
K
PU·M
—0—
Ne *
ArngeN
—
„ — —
ant
4
K
□
6
0
schreiten jedoch durch seitlich verborgen eingelegte Falten ermöglicht.
Ungemein schick ist zu dem blauen Rock die ganz schmal schwarz,
rot, blau gestreifte Weste mit Goldknöpfen, deren Vorderteil be¬
deutend länger als der Rücken ist.
Elgänzend dazu ifl an dritter Stelle eine halblange Gürtel¬
jacke abgebildet, derkn Ueberkragen mit der Weste korrespondiert.
Sehr elegarst ist das vierte Modell, ein Eiskostüm mit
ebenfalls uuschtbar eingelegtem Faltenrock, einer im Rücken
längeren Jücke und Opossumkragen.
Elsa Tauber.
AR
(Deutsches Volkstheater.) Zum erstenmal: „Pro¬
fessor Bernhardi“ von Artur Sch##ihler. Sechs
Jahre ist dieses Stück alt. Sechs Jahre war es verbölen sechs
Jahre hat die österreichischeste aller Komödien gebraucht,
sie
vorgeführt werden durfte. Nun steht sie da: ein Spiegel jener unsäg¬ 1
lichen Groteske, die sich hierzuland als geistiges und politisches Leben ##
gebärdet. Mehr wie Spiegel: Wirklichkeit; Zustand; Blologie)
und Politikum; Anklage, Uxteil, Strafvollzug und „Sei'n=m'r
wieder=gut“; der österreichische Mensch im allgemeinen, in Größe
und in Kleinheit, in Stärke und Schwäche, in Borniertheit und
geistiger Freiheit, in Zorn und Toleranz, in Trotz und Lässigkeit.
In dieser Komödie vom Schicksal des Professors Bernhardi
ist Artur Schnitzler aus seinen Wrenzen getreten, von der erotischen
Psychologie weg zu einem weitgespannten Weltbild gelangt.
Die Seherkraft des Dichters und die Formkunst des Meisters
einen sich. Der Fall Bernhatois beginnt wie eine Lokalnotiz.
Der Herr Professor verweigert einem Priester den Zutritt zum
Sterbebett eines jungen Mädchens, um der Ahnungslosen nicht
die letzte Lebenshoffnung zu nehmen. Sein ärztliches Gewissen
und seine Menschlichkeit leiten ihn. Bernhardi hat das Pech
Jude zu sein und aus dem an sich strittigen Fall entsteht, o du
mein Oesterreich, eine Alfäre ein Leitartikel, eine Partei¬
angelegenheit, eine parlamentarische Interpellation; die Geister werden
aufgestört, die Schufe scheiden sich von denz Böcken, die Krummrückigen
und die Aufrechten, die Prinzipiellen und die Grundsatzlosen,
die Kirchengänger und die Freidenkenden sind in Bewegung, und
mitten in diesem Schwarm und Kampf steht Vernhardi da und
weiß nicht, wie ihm geschicht. Er ist kein Politiker, ist nur
Wissenschaftler, nur Arzt, hat bloß das Gefühl, nichts Unrechtes
getan zu haben, möchte den ganzen Streit von sich schieben,
möchte seinen Standpunkt wahren oder auch nicht, kurzum: er
will, gut österreichisch, seine Ruhe. Aber
die Ver¬
haltnisse sind stärker. Er wird angeklagt, verurteilt,
rehabilitiert, und als er zum Schluß mit dem Hofrat
im Unterrichtsministerium (eine sichtbar nach Burckhard
geformte Figur) über seinen Fall spricht und dabei behauptet, daß
auch er, der Hofeat, genau so gehandelt hätte, gibt ihm dieser
zur Antwort: „Möglich. Da wär ich halt, entschuldigen schon,
Heir Professor, grad so ein Viech gewesen wie Sie.“ Allerdings,
es sieht so aus, als ob dieser Professor Bernhardi ein Viech ist;:
ungebätdig, rechthaberisch, Kämpfer und Kneifer, Wortklauber
und Pathetiker, Jude und Europäer. Aber er will überhaupt
kein Held sein, ist es auch nicht, so sehr ihm die Rolle zuge¬
schnitten wird und doch ergibt, was ein Schnitzlerscher Fehler
scheint, nur einen folgerichtigen Wesenszug dieser Figur:
Bernhardi ist ein Oesterreicher (noch dazu ein jüdischer),
und dieses Oesierreichertum ist auch sonst in allen Spielarten
vertreten, in den Aemten, die um Bernhardi herumstehen, in dem
Minister, in dem Hofrat, in dem Priester. Es ist Tragik und
Schicksal. Hundert Wesenszüge tieffen zusammen und doch hat!