II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 452

S S
25 Rernhandi
Zt 191
Wiener Montags Journal Wien
Cxis.
(Deutsches Volkstheater.) Schnitzler=kommt mir vor, wie
ein geschickter Operateur, der Pech hat. Die Operation gelingt,
nur stirbt der Operierte.. Sein „Professor Bernhardi“ ist ein
Thesenstück, geschickt im Aufbau, glitzernd im Dialog, in dem
die Kunstfertigkeit der Sonde, welche in religiösen und ethi¬
schen Motiven herumstöbert, geradezu bewundernswert arbeitet,
— nur erlahmt das Interesse für die Omelette, um die so vielsc
Lärm gemacht wird, man begreift am Ende nicht, wie man um
ein so winziges Motiv fünf Akte herumgegossen werden müssen.
Nur die Sauberkeit des Dialoges und die immer geistreiche!
Art des Thesenstreites fesselt und interessiert, die Handlung
vermag das schon nach dem zweiten Akt kaum mehr. Schließlich d
endet das Stück mit einer lapidaren Weisheit: der Mann, dem
das Stück auf den Leib geschrieben ist, wird von einem klugen
Causeur ein „Viech“ genannt.. Das tendenziöse Motiv eines!
Religionsstreites, — warum befassen sich denn die jüdischen
Schriftsteller so gerne mit jüdischen Problemen..? — die geist¬
reiche Art der Behandlung und die Sensation, welche die vor¬
malige Zentsur beistellte, gab Anlaß zu geräuschvollen Demon¬
strationen, die aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen
können, daß auch dieser Schnitzler nicht unsterblich werden
kann. . Gespielt wurde mit großem Fleiß. Herr Bernau sucht
den Mungel einer künstlerischen Individualität durch künstlerisch¬
schlichte Einfachheit zu ersetzen. Er wirkt denn auch gleichmäßig
angenehm, nie aufregend. Herr Homma liefert eine seiner
wohldurchbachten Charaktertypen, die er stets aus dem Vollen zu
schaffen weiß, Herr Kutschera gibt den klugen Raisoneur
des Stückes mit der ihm gut liegenden Unterstreichung der
Schlagworte für die Galerie, Herr Forest ontriert liebens¬
würdig, Herr Klitsch gibt dem Minister Haltung und sym¬
pathische Menschlichkeit, Herr Edthofer beiinhaltet in einer
Szene eine ganze Beamtenkategorie, welche mit der peaen Re¬
publik leider stirbt, alle Anderen sind von treffender Gesamt¬
wirkung, für welche ebenfalls Herr Bernan zeichnet. Das Stück
hat großen Erfolg gehabt und seine Tendenz wird es zum Zug¬
stück machen.
20 u
Mllustrirte Kranen-Teitune Wier
(Theater.) Der Schnitzler=Abend im Volks¬
stheater gestaltetdter und Dar¬
stellung zu einem selten großen Kunstereignis.
Vernau, der „Professor Vernbardi“ ist keine
überragend =chauspielerische Persönlichkeit, aber
sicher, llug und vernehm. Wir haben seit Sonnen¬
thals Tod heute in Wien keinen geeigneteren
Darsteller. Glänzend die „politischen“ Aerzte,
allen veran Homm a, Forest, Goetz, Fürth.
hmorvoll der gnarchistische Hofrat Edtho-

box 31/2
Wiene #.. Miplags-Zeitere
—.—
Theater und Kunst.
166

280
Der verbotene Schnißzter.
zur Erstaufführung des „Professor Vernharbi“ im
Deutschen Volkstheater.
Wenn etwas die Verblendung und Rückständigkeit des alten
stems kennzeichnet, so ist es die Art, in der die Zensur gehand¬
otwurde. „Professor Bernhardi“ von Arthur Schnitzler, die fünf¬
ige Komödie, der erst der gewaltige politische Umsturz in Oester¬
ich die Möglichkeit einer Aufführung bot, ist ein solches Beweis¬
ick. Man kann von diesem Werke des viel Befehdeten und viel Be¬
ihmten ebensogut behaupten, es habe eine sehr aufdringliche
endenz, als es habe gar keine. Vielleicht trifft man den Nagel auf
en Kopf, wenn man dahin urteilt, daß die Tendenz des „Pro¬
fessor Vernhardi“ just darin gipfle, gar keine aufzuweisen und
dies tunlichst sinnfällig nach außen hin zu betonen. Denn
Schnitzler läßt in seiner neuesten Komödie alle Standpunkte zum
Worte gelangen, gonnt jedem sein Für und Wider, versieht jeden
mit seinen anziehenden und abstoßenden Attributen.
Es ist ein Medizinerstück, das Schnitzler da mit der Hand!
des Kundigen geschrieben hat, wohl auch mit der Hand eines, der
das Meiste von dem, was er seinen Figuren in den Mund legt
und als ihr Schicksal malt, am eigenen Leibe spüren lernte. Unwill¬
kürlich erinnert man sich ungeachtet der Verschiedenheit des
Sujets der Personen und Ideen an Müllers „Schöpfer“, zu¬
nächst deshalb, weil hier wie dort der Held — ein hervorragender
Arzt — von seinen Berufsgenossen bekämpft wird und bereit is
für seine Ueberzeugung — bei Müller eine medizinische, bei
Schnitzler eine moralische —
die äußersien Konsequenzen zu er¬
tragen. Bei Schnitzler freilich ist die Sache folgerichtiger, schärfer
durchgeführt, wodurch auch der Abschluß mehr Befriedigung aus¬
5
Ich sage absichtlich: mehr. Denn, wie so oft bei Arthur!
Schnitzler, hat man auch beim „Bernhardi“ das unklare Gefühl,
#ß zuletzt doch noch etwas fehlt, als habe man ein spannendes,
esselndes Buch gelesen, dessen letzte Seiten irgendem Vandale
erausgerissen hat. Bis man sich ein zweites Exemplar verschafft,
st der beste Teil des Interesses aber geschwunden..
Die dramatischen Vorzüge, die keinem Schnitzlerschen
Bühnenwerke abzusprechen sind, steilen sich natürlich auch bei
„Professor Bernhardi“ in vollem Maße ein, womöglich gereifter,
ibgeklärter, markanter. Man berauscht sich an einem flüssigen, 1“
seistreichen Dialog, der jedoch gewisse unbegreisliche Längen ent¬
sält, über die nicht einmal dieses Flüssige, Geistreiche ganz hin¬
veghelfen. Man hat das Empfinden, als sei man an all diesen
Vorgängen, deren Aktualitäi der Umstand, daß sie in der Aere
des alten Regimes, das heißt der Hofschranzen, Prinzen, Hofräte
isw. spielen, kaum zu beeintrachtigen vermeg, unmittelbar mit¬
beteiligt. Die Handlung, strc
geschlossen, verläuft in
ständiger Steigerung und erschöpft alle- Wirkungen, ohne sich
jemals in Essekthascherei zu perlieren. Die Typen sind mit einer
staturechtheit und Einsachheit gezeichnet, wie sie eben nur einen
Meister der psychologischen Feinheit und der Charakterisierungs
kunst von der Quantät Schnitzlers gelingen. Daß Schnitzle
auch ein durchgebildeter Philosoph ist und einer, der zu den Pro¬
blemen des Tages Stellung nimmt, sie erfaßt, bezeugen die tiesen
Wahrheiten, die er seine Gestalten sprechen läpt. Es ist bei
merkenswert, daß in dieser Komödie nur eine einzige Frau vor¬
kommi, noch dazu in einer durchaus untergeordneten Verwendung
Schnitzlers neue Wege, seine Abkehr vom Ewig=Weiblichen un
damit vom Erotischen, und sein Bekenntnis zum allgemein Mensch
lichen, Politischen, werden immer deutlicher sichtbar. Allerding#
seinstweilen nur im Dramatischen. Denn daß er im Epischen sie
selber treu bleibt bekundet seine jüngste Novelle „Casanova¬
Heimfahrt“, gewissermaßen das hohe Lied sinnlicher Liebe.
Das ausverkaufte Haus bereitete dem Dichter wiederho##
auf offener Szene und besonders nach jedem Aktschluß stürmisch
Ovationen, die sich bis auf die Straße fortpflanzten. Schnitzt##
dankte, dankte und
dachte sich wohl seinen Teil ... Diese
ubelnde Zustimmung ist um so höher zu werten, als trotz der aus¬
gezeichneten, sein abgetönten Regie Vernaus, die Darstellung den
Verfasser bisweilen merklich im Stiche ließ. Bernau spielte
die Titelrolle mit vornehmster Zurückhaltung und wohltuender
Verweidung aller jener Nuancen, zu denen diese Partie den
Routinier leich: verleitet. Alleidings war er eher gekränkter Hoch¬
schullehrer einer sübdeutschen Provinzuniversität als plötzlich
entdecktes Pollticum der Reichshaupt- und Residenzstadt Wier.
Hompas verruchter Ebenwald lebte und vergiftete mit uns nur
allzu bekannter und doch immer von Neuem fesselnder Natur¬
wahrheit. Göß brachte wieder einmal einen Typ zustande, wie
ei nur diesem genz ei#erartigen Künstler gelingt. Farest als
temperamentvoller Antisemitenriecher hatte mit Recht die Lacher
auf seiner Seite. Der Luchrospremntner Herrn Teaners erwickt
schöne Hoffnungen, doch muß Herr Teubler sich angewöhnen, nicht
nur für die ersten Parlenreiben zu sprechen. Der Pfarrer
Onnos und der Minister Klüichs hatten=Augenbli#ke ven heiz¬
erqutckeder Echtheit und In Eidualitzt. Schade, d#3
Angt
blieben Der Host# Edi###fers
tValt #ea Ab
# 7