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box 31/2
25 Prfzon Bernhandi
. —. — —
Z3DEZ 1918
enes Wiener Kurnol Wie
Aus
Artur Schnißlers
Elternhaus.
Von
Klothilde Benedikt.
(Anläßlich der Wiener Uraufführung von
„Professoi Bernhardi“.)
Die endlich in Wien freigegebene Aerztetragödie sviegelt
Zeiten wider, als „Pegasus noch im Joche war“ und als
Assisteut meines und dann seines Vaters an der Allgemeinen
Poliklinik Dienst tat. Dieses Ergänzungsinstitut der Wiener
Universität war unter der Direktion von Schnitzlei sen. der Mittel¬
punkt erbitterter Kämpfe, welche fast die ganze Aerzteschaft und
die Mehrzahl der Professoren, mit Ausnahme von Rolitansly und
Albert, gegen jene Schar von Dozenten austrengte, die sich hier
wissenschaftliches Material schufen, nachdem sie durch ihre Leistungens
einen großen Teil der vornehmsten Wiener und Fremdenpraxis
erlangt hatten. Diese Praxis brachte übrigens Arturs Valer,
Regierungsrat Johann Schnitzler. bei seinen Grandseigneurallüren
und seiner vollständigen Gleichgültigkeit dem Erwerbsleben gegenüber
mehr Orden und gesellschaftliche Erfolge als materiellen Gewinn.
Im gastlichen Hause am Burgring habe ich als Kind und jungesi
Mädchen die interessantesten Persönlichkeiten kennen geleint, auch
am selben Fenster mit der Wolter dem Kaiserzelt gegenüber
„Makarts Festzug“ genossen. Unsere Familienbeziehungen waren
alte, da Arturs Großvater, Dr. Markbreiter, der Hausarzt
meiner Großeltern war, dem mein Vater zum Teil die Er¬
laubnis zum Studium und die werivollsten literarischen und
medizinischen Auregungen verdankte. Der hochbegabte Manns
gründete die „Medizinische Presse“, das erste medizinische Fach¬
blatt, desse.. Ruf über Wiens Grenzen hinausging. Bei dem an¬
strengenden Beruf eines Wiener
Vorstadtarztes,
für sechs Kinder zu sorgen hatte und in seltenem
e
eines
Hilfe seines Schwiegervaters,
Mannessto.,
verschmähte,
baronisierten Großgrundbesitzers,
oblag
die Redaktion zum größten Teil seiner hochbegabien Tochter;
Luise, einer angehenden Klaviervirtuosin, deren Mitgift die viel¬
begehrte Zeitung bilden sollte. Zu ihrem Aerger und ihrer Ent¬
rüstung war sie daher von allen jungen Wiener Aerzten umringt,
die ihrem literarischen Talent in der damals ziemlich zeitungs¬
armen Epoche die Zügel schießen lassen wollten. Der bildhübsche
und blutjunge Student Schnitzler ging als Sieger aus diesem
Freierkampfe hervor. Wie oft hat er uns Kindern zur Nach¬
eiferung erzählt — er war nämlich durch viele Jahre bis zu
seinem Tode unser wöchentlicher anregender Sonntagnachmittags¬
besucher — daß er mit seinem noch heute lebenden Vetter, dem
Chef eines ersten Wiener Bankhauses, auf einem ungarischen Bauern¬
wägelchen den Einzug in die Gymnasialstadt und in Wissenschaft und
Kultur gehalten habe. Der verwöhnte Liebling der aristokratischen
und künstlerischen Frauenwelt war in Erscheinung und Manieren
ein vollendeter Kavalier, der seine drei aufreibenden Beruse als
Arzt, Anstaltsdirektor und Chefredakteur mit einer gewissen vor¬
nehmen Nachlässigkeit, aber viel Geist. Witz und Talent betrieb.
Uebrigens nannte er mich oft scherzend seinen kleinen Mitredakteur,
weil ich als Untergymnasiastin beim Abschreiben der. Artikel
meines Vaters allzuhestige Ausfälle spurlos verschwinden ließ,
was ihm Anlaß gab, mir nach der Richtung auch andere Auf¬
sätze vorzulesen, gerade weil ich bei meiner sachlichen Unkenntnis
den oft rüden Gelehrtenmanieren unbefangener gegenüberstand als
er selbst.
Den Glanzpunkt der Geselligkeit im Schnitzlerschen Hause
bildete die Feier der silbernen Hochzeit und des Redaktions¬
111
jubilaums. Wir Jugend hatten wochenlanges Vergnügen und
Flirt bei den Proben zu Arturs Gelegenheitserstlingsstück, das
Tewele einstudiert und bei dem eine ganze Reihe später hervor¬
ragender, zum Teil jetzt schon verstorbener junger Männer mit¬
wirkte. Der erste Akt brachte eine Riedhofkneipe, bei der
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25 Prfzon Bernhandi
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Z3DEZ 1918
enes Wiener Kurnol Wie
Aus
Artur Schnißlers
Elternhaus.
Von
Klothilde Benedikt.
(Anläßlich der Wiener Uraufführung von
„Professoi Bernhardi“.)
Die endlich in Wien freigegebene Aerztetragödie sviegelt
Zeiten wider, als „Pegasus noch im Joche war“ und als
Assisteut meines und dann seines Vaters an der Allgemeinen
Poliklinik Dienst tat. Dieses Ergänzungsinstitut der Wiener
Universität war unter der Direktion von Schnitzlei sen. der Mittel¬
punkt erbitterter Kämpfe, welche fast die ganze Aerzteschaft und
die Mehrzahl der Professoren, mit Ausnahme von Rolitansly und
Albert, gegen jene Schar von Dozenten austrengte, die sich hier
wissenschaftliches Material schufen, nachdem sie durch ihre Leistungens
einen großen Teil der vornehmsten Wiener und Fremdenpraxis
erlangt hatten. Diese Praxis brachte übrigens Arturs Valer,
Regierungsrat Johann Schnitzler. bei seinen Grandseigneurallüren
und seiner vollständigen Gleichgültigkeit dem Erwerbsleben gegenüber
mehr Orden und gesellschaftliche Erfolge als materiellen Gewinn.
Im gastlichen Hause am Burgring habe ich als Kind und jungesi
Mädchen die interessantesten Persönlichkeiten kennen geleint, auch
am selben Fenster mit der Wolter dem Kaiserzelt gegenüber
„Makarts Festzug“ genossen. Unsere Familienbeziehungen waren
alte, da Arturs Großvater, Dr. Markbreiter, der Hausarzt
meiner Großeltern war, dem mein Vater zum Teil die Er¬
laubnis zum Studium und die werivollsten literarischen und
medizinischen Auregungen verdankte. Der hochbegabte Manns
gründete die „Medizinische Presse“, das erste medizinische Fach¬
blatt, desse.. Ruf über Wiens Grenzen hinausging. Bei dem an¬
strengenden Beruf eines Wiener
Vorstadtarztes,
für sechs Kinder zu sorgen hatte und in seltenem
e
eines
Hilfe seines Schwiegervaters,
Mannessto.,
verschmähte,
baronisierten Großgrundbesitzers,
oblag
die Redaktion zum größten Teil seiner hochbegabien Tochter;
Luise, einer angehenden Klaviervirtuosin, deren Mitgift die viel¬
begehrte Zeitung bilden sollte. Zu ihrem Aerger und ihrer Ent¬
rüstung war sie daher von allen jungen Wiener Aerzten umringt,
die ihrem literarischen Talent in der damals ziemlich zeitungs¬
armen Epoche die Zügel schießen lassen wollten. Der bildhübsche
und blutjunge Student Schnitzler ging als Sieger aus diesem
Freierkampfe hervor. Wie oft hat er uns Kindern zur Nach¬
eiferung erzählt — er war nämlich durch viele Jahre bis zu
seinem Tode unser wöchentlicher anregender Sonntagnachmittags¬
besucher — daß er mit seinem noch heute lebenden Vetter, dem
Chef eines ersten Wiener Bankhauses, auf einem ungarischen Bauern¬
wägelchen den Einzug in die Gymnasialstadt und in Wissenschaft und
Kultur gehalten habe. Der verwöhnte Liebling der aristokratischen
und künstlerischen Frauenwelt war in Erscheinung und Manieren
ein vollendeter Kavalier, der seine drei aufreibenden Beruse als
Arzt, Anstaltsdirektor und Chefredakteur mit einer gewissen vor¬
nehmen Nachlässigkeit, aber viel Geist. Witz und Talent betrieb.
Uebrigens nannte er mich oft scherzend seinen kleinen Mitredakteur,
weil ich als Untergymnasiastin beim Abschreiben der. Artikel
meines Vaters allzuhestige Ausfälle spurlos verschwinden ließ,
was ihm Anlaß gab, mir nach der Richtung auch andere Auf¬
sätze vorzulesen, gerade weil ich bei meiner sachlichen Unkenntnis
den oft rüden Gelehrtenmanieren unbefangener gegenüberstand als
er selbst.
Den Glanzpunkt der Geselligkeit im Schnitzlerschen Hause
bildete die Feier der silbernen Hochzeit und des Redaktions¬
111
jubilaums. Wir Jugend hatten wochenlanges Vergnügen und
Flirt bei den Proben zu Arturs Gelegenheitserstlingsstück, das
Tewele einstudiert und bei dem eine ganze Reihe später hervor¬
ragender, zum Teil jetzt schon verstorbener junger Männer mit¬
wirkte. Der erste Akt brachte eine Riedhofkneipe, bei der