eSS0
25. Pro. Bernhardi
-paundz Nr. 4.
45
ger Zewung, Winn
ap
Theater und Musik.
Deutsches Volkstheater.
Das in Wien durch Jahre hindurch von der Zensur
verbotene Stück Artur Schninlers „Professor
Bernhardi“, Komödi# in fünf Alten, erblickte auf
dieser Bühne in der neuen Republik zum ersten Male das
Rampenlicht. Schnitzler zeigt sich wieder als Meister der
Sprache, glänzt insbesondere durch den geistsprühenden
Dialog, schaltet diesmal das erotische Moment ganz aus,
läßt aber seinem Werke wenig dramatische Entwicklung
angedeihen. Im Mittelpunkte der Handlung steht Professor
Bernhardi, ein Jude, den der Autor als Idealgestalt hin¬
stellt. Als Arzt verweigert dieser einem Priester, der einer
Schwerkranken den letzten Trost bringen will, den Zutritt
zum Krankenbette mit der Motivierung, daß das Leben
der Sterbenden nur mehr nach Minuten zählt und diese
sich eben im glücklichsten Zustande befindet, da sie glaubt,
das Krankenhaus ehebaldigst an der Seite ihres Geliebten
gesund verlassen zu können. Diese Affäre wird von den
Gegnern des Professors aufgegrissen, bildet den Gegen¬
stand einer Interpellation im Parlamente und endet
schließlich mit der Verurteilung des Professors, der wegen
Religionsstörung zwei Monate im Kerker abbüßen muß.
Die Darstellung war redlich bemüht, an dem Erfolge
des Abends mitzuarbeiten. Herr Bernau gab die Titel¬
sigur, wie sie nicht besser gegeben werden kann. Herr
Homma gestaltete den aalglatten Streber Professor
Dr. Ebenwald in Sviel und Sprache mit Eleganz und
Herr Onno war als Priester ganz vorzüglich. Die Pro¬
fessoren am Elisabethinum waren insbesondere durch die
Herren Götz, Kutschera, Elfeld und Forest
glänzend vertreten. Volles Lob verdienen noch die Herren
Klitsch als Unterrichtsminister und Edthofer als
Hofrat. Die einzige Damenrolle wurde durch Fräulein
Elisabeth Markus bestens vertreten. Das Tendenzstück
wurde von den anwesenden Freunden und Verehrern des
Antors mit stürmischem Beifalle ausgenommen.
280F2 737
iener Salonblatt
Die Theaterwoche. Eine Reprise und drei
Premièren am 21. Dezember. Erstere: Tschaikowskys
Pique-Dame: in der Hofoper. Die Aufnahme dieser
melancholisch-lyrischen Musik zu dem Buche, das vom
Spieler Hermann handelt, dessen Los kein besonderes Mit¬
gefühl erwecken kann, war wieder nur eine laue, echt bloß
im Danke für die beiden Träger der Hauptrollen, Slezak
und Frl. Lehmann, und für Frau Kittel als alte Gräfin.
Kapellmeister Reichenberger leitete die Vorstellung
meisterhaft.
Dann Schnitzlers Komödie Professor Bernhardi- im
Deutschen Völksthéäter. Inhalt allbekannt, denn
die Zensur harte seinerzeit die Aufführung in Wien immer
wieder verboten. Die Wirkung kolossal, trotzdem nur
Männerrollen vorhanden sind. Dafür aber brillierten in den¬
selben die Herren Bernau, Edthofer, Homma, Klitsch, Onno,
Teubler und Götz.
box 31/2
WIENER ABENDPGen
(eutsches Volkstheater) Vorgestern konnte
das bisher durch behördliche Verfügung von der Bühne
jerngehaltene streitbare Arztestück Artur Schnitzlers,
die Komödie „Prosessor- Bernhardi“, zum
ersten Male in Wien öffemlich gespielt werden. Aus
der umfänglichen Buchausgabe und durch eine Vor¬
lesung Ferdinand Onnos ist das Werk gleichwohl dem
literarisch interessierten und auch dem bloß neugierigen
Teile des Publikums bekannt. Schnitzler, der Sohn
eines angesehenen Wiener Arztes und selbst Arzt,
kennt die Umwelt genau, die sein satirischer Stift zu
schildern unternimmt. Die Lokalsarbe ist echt. Eine
lange Reihe scharf gesehener Typen holt er mit kecken
Griffen mitten aus der Wirklichkeit heraus und grup¬
piert sie geschickt um ein findig konstruiertes Motiv.
Im Grunde handelt es sich hier um das, was Kant
als den „Streit der Fakultäten“ bezeichnete. Die Medi¬
zin ist mit der Theologie in Konflikt geraten. Ein Arzt
hält es mit seiner Berufspflicht und seinem Gewissen
für unvereinbar, den Priester an das Lager einer
Sterbenden zu lassen, die in „Euphorie“ liegt. Das
ist ein letzter, beseligender, flüchtiger Glückszustand.!
—.. Aenovon Rr. 294.
der, körperliches Wohlbehagen vortäuschend, dem
raschesten Kräfteverfalle vorausläuft. Die Kranke stirbt
ohne Beichte und Absolution. Für solches Verhalten
des Mannes der Wissenschaft gibt es vom Stand¬
punkte des gläubigen Christen keine Rechtfenigung.
Aber ebenso unverantwortlich ist die Art, wie dann
daraus gierig politisches Kapital geschlagen, wie das
Tatfächliche durch lügenhafte Intrigen, gröbliche Ent¬
stellungen, von Neid und niedriger Streberei aufge¬
bauscht und umgebogen wird. Bernhardi wird vom
Gericht mit zwei Monaten Haft bestraft. Schnitzler hat
mit großem Geschick seinen heiklen Stoff in mancherlei
Beleuchtungen gerückt und es unternommen, Bespre¬
chungen, Erörterungen, Glossierungen den Anschein
lebendiger dramatischer Vorgänge zu geben. Anzuer¬
kennen bleibt sein Geschmack, der große Stimmungs¬
mache und wohlfeile Effekthascherei möglichst meidet.
An beweglichem Geist gebricht es diesem Stücke keines.“
wegs; zuletzt hebt es sich gar selbst ironisch
auf. Was aber verhindert, daß man seiner
vom Herzen froh, werde, ist das spoktakelnt¬
Tendenziöse, das der ganzen Materie anhaftet, und
man möchte fast mit dem Patriarchen aus „Nathan“
sprechen: ... ist der vorgetrag'ne Fall nur so ein
Spiel des Witzes: so verlohnt es sich der Mühe nicht,
im Ernst ihn durchzudenken. ..“ Die Darstellung trach¬
teie, das Darstellbare, das theatralisch Mögliche, heraus¬
zubringen, was ihr zumeist auch ganz wohl gelang.
Direktor Vernau ist ein bühnengewandter Mann.
Sein Bernhardi ist sympathisch in der Haltung, nur
etwas zu trocken im Ton; norddeutsche Kühle entfrem¬
dete. Herr Onno gab den jungen Priester mit emp¬
findungsvoller Feinheit, mit zurückhaltender, scheuer
Noblesse und ohne flackernde Uniuhe. Herr Götz er¬
wies sich wieder einmal als vornehmer Charakteristiker,
und Herr Forest ließ seine humoristischen Gaben er¬
freulich walten. Herr Kutschera stellt derb polternde
Redlichkeit nach ältestem Theaterrezept her. Das Stüch“
hatte einmütigen Beifall, und der Tichter durste sich
oft dankend zeigen.
25. Pro. Bernhardi
-paundz Nr. 4.
45
ger Zewung, Winn
ap
Theater und Musik.
Deutsches Volkstheater.
Das in Wien durch Jahre hindurch von der Zensur
verbotene Stück Artur Schninlers „Professor
Bernhardi“, Komödi# in fünf Alten, erblickte auf
dieser Bühne in der neuen Republik zum ersten Male das
Rampenlicht. Schnitzler zeigt sich wieder als Meister der
Sprache, glänzt insbesondere durch den geistsprühenden
Dialog, schaltet diesmal das erotische Moment ganz aus,
läßt aber seinem Werke wenig dramatische Entwicklung
angedeihen. Im Mittelpunkte der Handlung steht Professor
Bernhardi, ein Jude, den der Autor als Idealgestalt hin¬
stellt. Als Arzt verweigert dieser einem Priester, der einer
Schwerkranken den letzten Trost bringen will, den Zutritt
zum Krankenbette mit der Motivierung, daß das Leben
der Sterbenden nur mehr nach Minuten zählt und diese
sich eben im glücklichsten Zustande befindet, da sie glaubt,
das Krankenhaus ehebaldigst an der Seite ihres Geliebten
gesund verlassen zu können. Diese Affäre wird von den
Gegnern des Professors aufgegrissen, bildet den Gegen¬
stand einer Interpellation im Parlamente und endet
schließlich mit der Verurteilung des Professors, der wegen
Religionsstörung zwei Monate im Kerker abbüßen muß.
Die Darstellung war redlich bemüht, an dem Erfolge
des Abends mitzuarbeiten. Herr Bernau gab die Titel¬
sigur, wie sie nicht besser gegeben werden kann. Herr
Homma gestaltete den aalglatten Streber Professor
Dr. Ebenwald in Sviel und Sprache mit Eleganz und
Herr Onno war als Priester ganz vorzüglich. Die Pro¬
fessoren am Elisabethinum waren insbesondere durch die
Herren Götz, Kutschera, Elfeld und Forest
glänzend vertreten. Volles Lob verdienen noch die Herren
Klitsch als Unterrichtsminister und Edthofer als
Hofrat. Die einzige Damenrolle wurde durch Fräulein
Elisabeth Markus bestens vertreten. Das Tendenzstück
wurde von den anwesenden Freunden und Verehrern des
Antors mit stürmischem Beifalle ausgenommen.
280F2 737
iener Salonblatt
Die Theaterwoche. Eine Reprise und drei
Premièren am 21. Dezember. Erstere: Tschaikowskys
Pique-Dame: in der Hofoper. Die Aufnahme dieser
melancholisch-lyrischen Musik zu dem Buche, das vom
Spieler Hermann handelt, dessen Los kein besonderes Mit¬
gefühl erwecken kann, war wieder nur eine laue, echt bloß
im Danke für die beiden Träger der Hauptrollen, Slezak
und Frl. Lehmann, und für Frau Kittel als alte Gräfin.
Kapellmeister Reichenberger leitete die Vorstellung
meisterhaft.
Dann Schnitzlers Komödie Professor Bernhardi- im
Deutschen Völksthéäter. Inhalt allbekannt, denn
die Zensur harte seinerzeit die Aufführung in Wien immer
wieder verboten. Die Wirkung kolossal, trotzdem nur
Männerrollen vorhanden sind. Dafür aber brillierten in den¬
selben die Herren Bernau, Edthofer, Homma, Klitsch, Onno,
Teubler und Götz.
box 31/2
WIENER ABENDPGen
(eutsches Volkstheater) Vorgestern konnte
das bisher durch behördliche Verfügung von der Bühne
jerngehaltene streitbare Arztestück Artur Schnitzlers,
die Komödie „Prosessor- Bernhardi“, zum
ersten Male in Wien öffemlich gespielt werden. Aus
der umfänglichen Buchausgabe und durch eine Vor¬
lesung Ferdinand Onnos ist das Werk gleichwohl dem
literarisch interessierten und auch dem bloß neugierigen
Teile des Publikums bekannt. Schnitzler, der Sohn
eines angesehenen Wiener Arztes und selbst Arzt,
kennt die Umwelt genau, die sein satirischer Stift zu
schildern unternimmt. Die Lokalsarbe ist echt. Eine
lange Reihe scharf gesehener Typen holt er mit kecken
Griffen mitten aus der Wirklichkeit heraus und grup¬
piert sie geschickt um ein findig konstruiertes Motiv.
Im Grunde handelt es sich hier um das, was Kant
als den „Streit der Fakultäten“ bezeichnete. Die Medi¬
zin ist mit der Theologie in Konflikt geraten. Ein Arzt
hält es mit seiner Berufspflicht und seinem Gewissen
für unvereinbar, den Priester an das Lager einer
Sterbenden zu lassen, die in „Euphorie“ liegt. Das
ist ein letzter, beseligender, flüchtiger Glückszustand.!
—.. Aenovon Rr. 294.
der, körperliches Wohlbehagen vortäuschend, dem
raschesten Kräfteverfalle vorausläuft. Die Kranke stirbt
ohne Beichte und Absolution. Für solches Verhalten
des Mannes der Wissenschaft gibt es vom Stand¬
punkte des gläubigen Christen keine Rechtfenigung.
Aber ebenso unverantwortlich ist die Art, wie dann
daraus gierig politisches Kapital geschlagen, wie das
Tatfächliche durch lügenhafte Intrigen, gröbliche Ent¬
stellungen, von Neid und niedriger Streberei aufge¬
bauscht und umgebogen wird. Bernhardi wird vom
Gericht mit zwei Monaten Haft bestraft. Schnitzler hat
mit großem Geschick seinen heiklen Stoff in mancherlei
Beleuchtungen gerückt und es unternommen, Bespre¬
chungen, Erörterungen, Glossierungen den Anschein
lebendiger dramatischer Vorgänge zu geben. Anzuer¬
kennen bleibt sein Geschmack, der große Stimmungs¬
mache und wohlfeile Effekthascherei möglichst meidet.
An beweglichem Geist gebricht es diesem Stücke keines.“
wegs; zuletzt hebt es sich gar selbst ironisch
auf. Was aber verhindert, daß man seiner
vom Herzen froh, werde, ist das spoktakelnt¬
Tendenziöse, das der ganzen Materie anhaftet, und
man möchte fast mit dem Patriarchen aus „Nathan“
sprechen: ... ist der vorgetrag'ne Fall nur so ein
Spiel des Witzes: so verlohnt es sich der Mühe nicht,
im Ernst ihn durchzudenken. ..“ Die Darstellung trach¬
teie, das Darstellbare, das theatralisch Mögliche, heraus¬
zubringen, was ihr zumeist auch ganz wohl gelang.
Direktor Vernau ist ein bühnengewandter Mann.
Sein Bernhardi ist sympathisch in der Haltung, nur
etwas zu trocken im Ton; norddeutsche Kühle entfrem¬
dete. Herr Onno gab den jungen Priester mit emp¬
findungsvoller Feinheit, mit zurückhaltender, scheuer
Noblesse und ohne flackernde Uniuhe. Herr Götz er¬
wies sich wieder einmal als vornehmer Charakteristiker,
und Herr Forest ließ seine humoristischen Gaben er¬
freulich walten. Herr Kutschera stellt derb polternde
Redlichkeit nach ältestem Theaterrezept her. Das Stüch“
hatte einmütigen Beifall, und der Tichter durste sich
oft dankend zeigen.