Kritik. Er ist so streng sich selbst gegenüber und so künstlerisch¬
gewissenhaft, daß er schon manchen Akt seiner Stücke zwei-, drei¬
mal geschrieben hat. Aus seiner Autobiographie, wenn er sie
einmal schreibt, werden wir wohl erfahren, wieso der letzte Akt
seines „Professor Bernhardi“ jetzt der beste geworden ist.
Dieses Stück hat eine Spieldauer von drei Stunden.
Dabei ist hier kein Wort zu viel. Schnitzler gehört zu der
Antoren, die vermänftigen Strichel zugenglch sind. Er hat nicht
den Eigensinn und Dünkel der großen Theatergötter (die ja soviel
Menschliches an sich haben). Er ist bei den Proben mit dem
„Star“ ebenso liebenswürdig wie mit dem kleinsten Episodisten
Bei den Proben im Volkstheater wurde er rasch der erklätte
Liebling. Direktor Bernau singt das Lob des Dichters in den
höchsten Tonarten. Er erklärt, es sei ein Vergnügen, mit ihm
zusammen zu arbeiten. Bekanntlich liest Schnitzler seine Werke
trefflich vor, er versteht es, seine künstlerischen Absichten
auch
ausgezeichnet zum Ausdruck zu bringen, er ist.
ein trefflicher Regisseur. Herr Bernau erzählt, es
sei ihm noch selten passiert, daß ihm ein Dichter
gesagt habe: „Lieber Direktor, geben Sie mein Stück erst in
der nächsten Spielzeit.“ Das hat Schnitzler getan, er läßt sein;
„Casanova“=Stück heuer nicht aufführen, um nicht an einem
Theater mit zwei Werken in einer Saison herauszukommen. Nicht
jeder Dichter ist so genügsam.
Wie stark das Interesse für „Professor Bernhardi“ beim
Publikum war, beweist die Tatsache, daß die ersten vier Vor¬
stellungen bereits im Vorverkauf ausverkauft waren. Als die
Theatersperre versügt wurde, mußten die Kassiere des Volks¬
theaters das Geld für die zur Premiere und zur zweiten Auf¬
führung gelösten Karten zurückerstatten. Das waren beinahe
19.000 Kronen — das nahm sich selbst der Kassier zu
Herzen.
Beim Theater geht es eben nicht ohne Ueberraschungen. Hie
und da meldet sich sogar jetzt noch die Zensur. Es kommen früher
eingereichte Stücke zurück, in denen der Rotstist wenn auch nicht
gewütet, so doch ein bißchen herumgestrichen hat. So wurde in
einem Schauspiel der Satz beanstandet: „Der heiße Atem meines
Mundes sagt es dir.“ Die Temperatur des „Atems“ wurde vom
Zensor beanstandet In einem Militärstück hat man „oben“ ves
schiedene kleinere Striche vorgenommen. Nun hat die Zeit selbst
das ganze Stück verboten.
In Benatzkys Operette „Die tanzende Maske“ wurde —
„Kagran“ gestrichen. Was an „Kagran“ Staatsgefährliches ist —
das weiß wohl außer dem Zensor kein Irdischer. Auch das Milien
dieser Operette wurde beanstandet. Es kam öfter vor, daß die
früheren Verwalter des öffentlichen Geschmacks sich an Dingen ge¬
stoßen haben, in denen sonst niemand was Verfängliches sah. So
wurde seinerzeit in Rudolf Hawels Volksstück „Die Patrioten“
das dort öfter vorkommende Wort „Zentralen“ gestrichen. Ebenso
das Wort „die Exzellenz". Was sich der Zensor bei diesen
Strichen gedacht oder nicht gedacht hat, kann kein gewöhnlicher
Sterblicher erforschen. Heute braucht sich freilich keiner mehr um
die Striche zu kümmern und kann reden lassen, was er will. Die
Welt geht trotzdem nicht unter
Es gibt eine ganze Roihe Autoren, die in ihren eigenen
Stücken Hauptrollen gespielt haben. Frank Wedekind hat dies
bekanntlich oft getan. Von den Wiener Autoren folgten diesem
Beispiel Felix Dörmann (in seiner Komödie „Die Frau Baronin“),
Paul Czinner (in seinem Schauspiel „Der Abgrund*). Und
einmal sprang am Raimund=Theater der inzwischen verstorbene
Kapellmeister Ziegler in einer seiner Gesangspossen für einen er¬
krankten Darsteller ein. An einem hiesigen Operettentheater
passierte es jüngst, daß der Darsteller einer komischen Haupt¬
rolle (erste Besetzung) zu „kränkeln“ begann. Eine zweite Be¬
setzung fand man nicht so rasch. Da entschloß sich einer — der
Librittisten, die Rolle zu übernehmen Ein einzig dastehender Fall.
Der Direktor lächelte zuerst über diese Zumutung.
„Bitte, Sie können ja einen Versuch machen“ proponierte
der Librettist.
Und der Mitlibrettist unterstützte ihn, indem er kühn be¬
hauptete: „Ja, ich glaube, mein Kompagnon hat Talent für
komische Rollen.
Der Direktor ließ sich dadurch beeinflussen und setzte eine
Probe an. Der Librettist hatte die Rolle sehr gut gelernt und
überraschte alle Anwesenden durch seine stark zugreifende Drastik,
Zum öffentlichen Auftreten des Librettisten kam es aber nicht.
da der Komiker (erste Besetzung) sofort — gesund wurde, als er
von dem neu auftauchenden Talent erfuhr. „Daß Librettisten jetzt
selber spielen wollen — das ist Schmutzkonkurrenz!“ erklärte er.
ind er entschloß sich, wieder gesund zu werden.
Deredeg Termateste
####
Deutsches Volksthefter.
Artur Schnitzler wollte einmal hochpolltisch
komnen und die Szene zum Tages-Tribunal machen. So
und nicht anders ist sein arg verspäteter „Professor Bern¬
hardi“ zu werten, ein umgekehrter Professor Wahrmund.
Ein eingefrorener Notizbuchton, heufe, wo der geistige
Boischewismus umgeht, würde Bernhardi zum Unter¬
staatssekretär ausgeruten werden und der Konflikt nicht
Inmal eine Vorstadtzeitung interessieren. Die Menschen
und die Delikte haben sich geändert. Ein feiner Wink für
die gewissen Berufschristen war die an Mosenthal er¬
mnernde Szene, in der der offenbar bereuende Priester
den Hingeopferten aufsucht und ihn gewissermaßen um
Verzeihung bittet. Warum soll man nicht die Wahrheit
sagen, daß der de Hauptrolle spielende Direktor Bernau
Iv. Bisner-Hisenhei. — Veranwwerticher Pedakte###Schuh—
14
versagen mußte? Das sonstige Ensemble siegte wie en
wollte, bloß die Galerie war darüber äußerst verstamut
daß Herr Onno furchtbar Maß und Ziel voll war. Natürtich
regnete es Tendenz-Beifall.
ZEDE 1
Wienel Lilder
gab, wird fiüh TN
Wiener Theaterbilder.
Deutsches Volkstheater. Eine von der Zensur ver¬
botene Frucht „Prosessor Bernhardi“, Komödie
in fünf Akten von Artur Schnitzler, wurde aufge¬
führt und bewies wieder einmal, daß es sich um einen
Uebereifer am unrechten Platz gehandelt hat. „Professor
Bernhardi“ ist weder ein Tendenz=, noch ein Thesen¬
stück. Es ist ein Bild aus — wir wollen hoffen —
Altösterreich, welches darlegt, daß die gute Absicht
allein eine Handlung nicht gut erscheinen läßt; da es
immer auf die Deutung ankommt, die ihr Freund und
Feind gibt. Man kann hier auch nicht von einem
Drama der Weltanschauung sprechen, denn Bernhardi
kämpft für keine. Meisterhaft gezeichnete Charakter¬
figuren und ein oft glänzender Dialog, der Licht und
Schatten unparteiisch auf beide Lager verteilt, sind
hochzuwertende Vorzüge dieses Werkes. Eine vortreff¬
liche Aufführung ließ alles eindrucksvoll zur Geltung
kommen und rechtfertigte die überaus beifällige Auf¬
nahme der Premiere. Alle Mitwirkenden verdienen Lob.
Wenn wir besonders Direktor Bernau als Träger
der Titelrolle, dann die Herren Onno, Homma,
Edthose:, Forest hervorheben, so geschieht es, weil
ihre Rollen, nicht allein ihre Leistungen sie in den Vor¬
dergrund stellen. Das Volkstheater hatte den ersten
großen Erfolgabend in dieser Spielzeit.
gewissenhaft, daß er schon manchen Akt seiner Stücke zwei-, drei¬
mal geschrieben hat. Aus seiner Autobiographie, wenn er sie
einmal schreibt, werden wir wohl erfahren, wieso der letzte Akt
seines „Professor Bernhardi“ jetzt der beste geworden ist.
Dieses Stück hat eine Spieldauer von drei Stunden.
Dabei ist hier kein Wort zu viel. Schnitzler gehört zu der
Antoren, die vermänftigen Strichel zugenglch sind. Er hat nicht
den Eigensinn und Dünkel der großen Theatergötter (die ja soviel
Menschliches an sich haben). Er ist bei den Proben mit dem
„Star“ ebenso liebenswürdig wie mit dem kleinsten Episodisten
Bei den Proben im Volkstheater wurde er rasch der erklätte
Liebling. Direktor Bernau singt das Lob des Dichters in den
höchsten Tonarten. Er erklärt, es sei ein Vergnügen, mit ihm
zusammen zu arbeiten. Bekanntlich liest Schnitzler seine Werke
trefflich vor, er versteht es, seine künstlerischen Absichten
auch
ausgezeichnet zum Ausdruck zu bringen, er ist.
ein trefflicher Regisseur. Herr Bernau erzählt, es
sei ihm noch selten passiert, daß ihm ein Dichter
gesagt habe: „Lieber Direktor, geben Sie mein Stück erst in
der nächsten Spielzeit.“ Das hat Schnitzler getan, er läßt sein;
„Casanova“=Stück heuer nicht aufführen, um nicht an einem
Theater mit zwei Werken in einer Saison herauszukommen. Nicht
jeder Dichter ist so genügsam.
Wie stark das Interesse für „Professor Bernhardi“ beim
Publikum war, beweist die Tatsache, daß die ersten vier Vor¬
stellungen bereits im Vorverkauf ausverkauft waren. Als die
Theatersperre versügt wurde, mußten die Kassiere des Volks¬
theaters das Geld für die zur Premiere und zur zweiten Auf¬
führung gelösten Karten zurückerstatten. Das waren beinahe
19.000 Kronen — das nahm sich selbst der Kassier zu
Herzen.
Beim Theater geht es eben nicht ohne Ueberraschungen. Hie
und da meldet sich sogar jetzt noch die Zensur. Es kommen früher
eingereichte Stücke zurück, in denen der Rotstist wenn auch nicht
gewütet, so doch ein bißchen herumgestrichen hat. So wurde in
einem Schauspiel der Satz beanstandet: „Der heiße Atem meines
Mundes sagt es dir.“ Die Temperatur des „Atems“ wurde vom
Zensor beanstandet In einem Militärstück hat man „oben“ ves
schiedene kleinere Striche vorgenommen. Nun hat die Zeit selbst
das ganze Stück verboten.
In Benatzkys Operette „Die tanzende Maske“ wurde —
„Kagran“ gestrichen. Was an „Kagran“ Staatsgefährliches ist —
das weiß wohl außer dem Zensor kein Irdischer. Auch das Milien
dieser Operette wurde beanstandet. Es kam öfter vor, daß die
früheren Verwalter des öffentlichen Geschmacks sich an Dingen ge¬
stoßen haben, in denen sonst niemand was Verfängliches sah. So
wurde seinerzeit in Rudolf Hawels Volksstück „Die Patrioten“
das dort öfter vorkommende Wort „Zentralen“ gestrichen. Ebenso
das Wort „die Exzellenz". Was sich der Zensor bei diesen
Strichen gedacht oder nicht gedacht hat, kann kein gewöhnlicher
Sterblicher erforschen. Heute braucht sich freilich keiner mehr um
die Striche zu kümmern und kann reden lassen, was er will. Die
Welt geht trotzdem nicht unter
Es gibt eine ganze Roihe Autoren, die in ihren eigenen
Stücken Hauptrollen gespielt haben. Frank Wedekind hat dies
bekanntlich oft getan. Von den Wiener Autoren folgten diesem
Beispiel Felix Dörmann (in seiner Komödie „Die Frau Baronin“),
Paul Czinner (in seinem Schauspiel „Der Abgrund*). Und
einmal sprang am Raimund=Theater der inzwischen verstorbene
Kapellmeister Ziegler in einer seiner Gesangspossen für einen er¬
krankten Darsteller ein. An einem hiesigen Operettentheater
passierte es jüngst, daß der Darsteller einer komischen Haupt¬
rolle (erste Besetzung) zu „kränkeln“ begann. Eine zweite Be¬
setzung fand man nicht so rasch. Da entschloß sich einer — der
Librittisten, die Rolle zu übernehmen Ein einzig dastehender Fall.
Der Direktor lächelte zuerst über diese Zumutung.
„Bitte, Sie können ja einen Versuch machen“ proponierte
der Librettist.
Und der Mitlibrettist unterstützte ihn, indem er kühn be¬
hauptete: „Ja, ich glaube, mein Kompagnon hat Talent für
komische Rollen.
Der Direktor ließ sich dadurch beeinflussen und setzte eine
Probe an. Der Librettist hatte die Rolle sehr gut gelernt und
überraschte alle Anwesenden durch seine stark zugreifende Drastik,
Zum öffentlichen Auftreten des Librettisten kam es aber nicht.
da der Komiker (erste Besetzung) sofort — gesund wurde, als er
von dem neu auftauchenden Talent erfuhr. „Daß Librettisten jetzt
selber spielen wollen — das ist Schmutzkonkurrenz!“ erklärte er.
ind er entschloß sich, wieder gesund zu werden.
Deredeg Termateste
####
Deutsches Volksthefter.
Artur Schnitzler wollte einmal hochpolltisch
komnen und die Szene zum Tages-Tribunal machen. So
und nicht anders ist sein arg verspäteter „Professor Bern¬
hardi“ zu werten, ein umgekehrter Professor Wahrmund.
Ein eingefrorener Notizbuchton, heufe, wo der geistige
Boischewismus umgeht, würde Bernhardi zum Unter¬
staatssekretär ausgeruten werden und der Konflikt nicht
Inmal eine Vorstadtzeitung interessieren. Die Menschen
und die Delikte haben sich geändert. Ein feiner Wink für
die gewissen Berufschristen war die an Mosenthal er¬
mnernde Szene, in der der offenbar bereuende Priester
den Hingeopferten aufsucht und ihn gewissermaßen um
Verzeihung bittet. Warum soll man nicht die Wahrheit
sagen, daß der de Hauptrolle spielende Direktor Bernau
Iv. Bisner-Hisenhei. — Veranwwerticher Pedakte###Schuh—
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versagen mußte? Das sonstige Ensemble siegte wie en
wollte, bloß die Galerie war darüber äußerst verstamut
daß Herr Onno furchtbar Maß und Ziel voll war. Natürtich
regnete es Tendenz-Beifall.
ZEDE 1
Wienel Lilder
gab, wird fiüh TN
Wiener Theaterbilder.
Deutsches Volkstheater. Eine von der Zensur ver¬
botene Frucht „Prosessor Bernhardi“, Komödie
in fünf Akten von Artur Schnitzler, wurde aufge¬
führt und bewies wieder einmal, daß es sich um einen
Uebereifer am unrechten Platz gehandelt hat. „Professor
Bernhardi“ ist weder ein Tendenz=, noch ein Thesen¬
stück. Es ist ein Bild aus — wir wollen hoffen —
Altösterreich, welches darlegt, daß die gute Absicht
allein eine Handlung nicht gut erscheinen läßt; da es
immer auf die Deutung ankommt, die ihr Freund und
Feind gibt. Man kann hier auch nicht von einem
Drama der Weltanschauung sprechen, denn Bernhardi
kämpft für keine. Meisterhaft gezeichnete Charakter¬
figuren und ein oft glänzender Dialog, der Licht und
Schatten unparteiisch auf beide Lager verteilt, sind
hochzuwertende Vorzüge dieses Werkes. Eine vortreff¬
liche Aufführung ließ alles eindrucksvoll zur Geltung
kommen und rechtfertigte die überaus beifällige Auf¬
nahme der Premiere. Alle Mitwirkenden verdienen Lob.
Wenn wir besonders Direktor Bernau als Träger
der Titelrolle, dann die Herren Onno, Homma,
Edthose:, Forest hervorheben, so geschieht es, weil
ihre Rollen, nicht allein ihre Leistungen sie in den Vor¬
dergrund stellen. Das Volkstheater hatte den ersten
großen Erfolgabend in dieser Spielzeit.