II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 470


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25 Professer Bernhandi

(Tell, 1. Akt, 1. Szene.)

Doch um auf den prattischen Mediziner Artun
Jawohl, nur ein Arzt konnte diese starke, von!
und die Affäre war beigelegt, ehe sie zu einer solchen
Schnitzler zurückzukommen: Ein besonders gesiichter
so viel Medizin durchdrungene Komödie schreiben,
Arzt ist er eigentlich nie gewesen. Aber eine „schöne
hätte werden können.
die dem Fall des Professors Bernhardi gewidmet
Ordination“ hat er — was das Aeußerliche betrifft —
ist. Stets säh man (obwohl keine der vorkommenden
Wie freuten sich Direktor Weisse und Drama¬
vohl gehabt. Der Schreiber dieser Zeilen weiß sich
Personen ihm dem Wesen nach gleicht) den Vater
turg Glücksmann, als das Buch von „Professor
ihrer noch genau zu erinnern: Empfangs= und Ordi¬
des Dichters, den Laryngologen Professor Doktor
Bernhardi“ fertig in ihren Händen lag! Aber in ein
nationsraum befanden sich zunächst in der Grillparzer¬
Johann Schnitzler, in schattenhafter Gestalt über die
paar Tagen war alle Hoffnung begraben. Die Wiener
traße — das war die erste Junggesellenwohnung des
Szene schreiten. Professor Schnitzler sen. ist seiner¬
Polizei und Statthalterei sagten bestimmtest:
Arzies Dr. Schnitzler — also in einem noblen Viertel;
zeit als Opfer seines Berufes gestorben, an einer
Nein! Der Rekurs nützte nichts.
dann übersiedelte er in ein noch teureres: in das Haus
Infektion, die er in der Praxis sich zugezogen hatte.
Da erhält Glücksmann die Nachricht, die
Kärntnerring 12! Dort ist seit vielen Jahren eines
Merkwürdig, welche Hoffnung des alten Professors
Reichenberger Zensurbehörde habe dem dortigen
der berühmiesten heimischen Modeaieliers unte¬¬
Schnitzler Eltern einst an seine Person geknüpft
Theater den „Bernhardi“ freigegeben! Flugs läuft er
gebracht. Die Stufen zu diesem Salon sind wohl
hatten, und wie er sie erfüllen sollte. Diese Eltern,
mit dem Bescheid zum Minister Baron Bienerth.
einigermaßen abgetreten; aber weiter hinauf, wo ehe¬
in Ungarn lebend, glaubten nämlich auf Grund
Der aber läßt sich nicht rühren. Im Gegenteil, er
mals (und zwar bis in die späteren Neunzigerjahre)
der Urteile der Gymnasialprofessoren ihres Sohnes,
bewirkt, daß die Entscheidung der Reichenberger
der Herr Dr. Schnitzler ordinierte, sind sie blank und
er werde ein großer Dichter werden, ein Stol:
Zensur sogleich aufgehoben wird, und sagt: „So
lantig geblieben wie eine Feststiege! Man kann sich
Ungarns, der Poet seines Vaterlandes. Und richtig
lange ich ein Wort zu reden habe, wird dieses Stück
denken, wie der Hausherr sich gekränkt haben muß,
wurde Johann Schnitzler ein hervorragender Kehl¬
nie aufgeführt werden.“ ###e###
einen Arzt als Wohnpartei zu verlieren, der gerädez

kopfarzt. Und seinen erstgebornen Sohn Artur
Warum er es so haßte? Nicht einmal wegen
als „Stiegenschoner“ gelten konntel...
nicht den zweiten, der mittlerweile der berühmte
des religiösen Problems, sondern hauptsächlich wegen
Operateur Professor Julius Schnitzler geworden
der Figur des wortbrüchigen, streberischen Ministers
ist — hielt der Vater für einen bochbegabten Medi¬
Artur wäre übrigens viel früher, als es ihm tat¬
für Kultus und Unterricht, der es sich nach altöster¬
ziner, barufen, der Wiener Fakultät einst zur Ehre
sächlich gelang, der Medizin durchgegangen, um unter
reichischer Manier mit keiner Partei verderben wollte...
zu gereichen. Und richtig wurde Artur Schnitzler
Heute weiß man, welche Exzellenz dem Dichter
dem Schutze der Muse sein weiteres Leben zu ver¬
einer unserer feinsinnigsten Dichter! Aber trotzdem
hiezu Modell gestanden ist. Es war nicht Baron
bringen, wäre ihm eine ganz eigentümliche Episode
die Eltern werden nie den Ehrgeiz aufgeben,
nicht hinderlich in den Weg getreten. Er konnteinichts
Bienerth
die Propheten ihrer Kinder zu sein — und wenn
dafür. Es war in den Jahren, da die Patienten immer.
Diesmal hat sich Artur Schnitzler verpflichtet
sie noch so oft sich täuschen.
seltener, aber die literarischen Besuche beim Herrn
gefühlt, auf der Szene zu erscheinen, um dem Pu¬
Aber immerhin, dem Wunsche des Vaters ge¬
Dr. med. Artur Schnitzler immer häufiger wurden.
blikum für die dem Werke erwiesene überaus warme
mäß hat der Herr Doctor universae medicinae
Da sagte sich der besorgte Papa und Professor
AAufnahme zu danken.
Artur Schnitzler seinen Beruf durch eine ganze Reihr!
Schnitzler: „Beides — Medizin und Dichterei — geht
Aber peinlich ist's Schnitzler immer gewesen,
von Jahren höchst ernst genommen! Mit 23 Jahren
nicht. Denn jede von beiden fordert ihren ganzen
sich dem Publikum zu zeigen. Denn er hält's nur
promoviert, machte er als Sekundararzt am Allge¬
M:
Mann. Ich muß für Artur eine Gutscheidung treffen.“
mit Mühe aus, sozusagen körperlich eine Ehrunz
ie
meinen Krankenhause Dienst; seine ersten Chefs waren
Und so packte der gute Professor heimlich einige
entgegenzunehmen; eine gewisse Keuschheit hält ihn
die Professoren Dr. Weinlechner und Dr. Meynert.
der ersten Jugendarbeiten seines Sohnes zusammen —.
davon ab. Wie überhaupt ein Erstaufführungs¬
In Berlin und London betrieb Artur Spezial¬
darunter aber bereits der „Anatol“=Zyklus — und gab
abend stets schwer auf seiner Seele lastete. Er ha
— auch jetzt — noch nicht gelernt, dieses Gemisc studien in der Kehlkopftherapie. Ein gut Stück vorwärts
sie einem alten Freund, wohlvertraut mit theatrali¬
aus Parfümduft, Leimfarbe und Bosheit hinunterbrachte ihn auch sein eister schriftstellerischer Erfolg
schen Dingen, zu lesen. Dieser Freund setzte sich hin
zuschlucken. Wer übrigens Schnitzler bei der jüngster sais — Arzt nämlich. In allen ärztlichen Bibliotheken
und studierte die Sachen emsig und ehrlich. Endlich
ist das bei Brockhaus Wien=Leipzig erschienene
trat er vor den Vater, das Urteil zu fällen. Wie es
Erstaufführung von „Bernhardi“ im Volkstheate
dicke Buch zu finden: „Klinischer Atlas der Laryn¬
er¬
lautete? „Dein Sohn ist gänzlich talentlos!“ Und wer
gesucht hat, der strengte seine Angen vergeblich ar.
gologie“, herausgegeben von Professor Dr. Johann
der Richter war, der so entschied? Adolf Sonnenthal!
Denn nur während der Zwischenakte verma
der
Schnitzler unter Mitrirkung von Dr. Hajek und
Natürlich hieß es für Artur nun erstrecht, in der
Schnitzler an solchen Abenden die Luft des Theaters zu.
Dr. A. Schnitzler. Dieser „A“ ist Artur.
Kehlkopfspezialwissenschaft fleißig weiterzuarbeiten.
ssen atmen. Die übrige Zeit geht er in den Gassen un
Wenn's auch umsonst war. Denn im Herzen wußte es
sten das Theater still auf und ab, seine Zigarete
der junge Dichter doch, von wo ihm Ruhm winke.]
lse. rauchend oder eigentlich beißend. Denn erregt it
Wie man sich — auch außer „Professor Bern¬
Nicht von der Klinik, sondern ron der Bühne. Aber der
en er doch. Immer wieder führt der Spaziergang der
hardi“ — manche der werwollsten Arbeiten des Dichters
alie Professor Schnitzler ist tatsächlich gestorben, ohne
ten Dichter zum Bühnentürchen zurück; dort fragt e,
ohne den Mediziner nicht denken könnte. Nur ein
ob denn noch nicht Aktschluß sei (im Bühnenjargor
auch einen einzigen literarischen Erfolg seines Sohnes 2
Arzt mit Dichterfeele konnte „Das Sterben“ schreiben,
sagt man kurzweg „aetus“). Und ist dann g¬
erlebt zu haben.
ner
konnte in den „Letzten Masken“ Todkranken das

wohnlich über sich selbst empört, daß er in all Im
kde,
Lächeln warmen Humors auf die Lippen zaubern.
Jahren nicht gelernt habe, kürzere Akte zu schreiber.
Aus dem „Professor Bernhardi“ hat der Dichter
#everdies hat das Medizinstudium Schnitzlers
Weshalb auch das Puölikum ganz recht hätte, ihn —
FFR
shte
gelegentlich der Volkstheaterauffuhrung eigenhändig
noch etwas Gutes: Alle die Personen, die in seinen
so denkt er — diesmal mit einer Ablehnung, mi
große Stücke herausgeschnitten, damit die Dichtung
Stücken, namentlich aber in seinen Novellen, zugrunde
einem richtigen Durchfall zu bestrafen. Um so e¬
ja nicht zu lange werde und etwa die Bezeichnung*?
gehen, sterben sozusagen eines soliden Todes. Wir
freuter ist Schnitzler dann, wenn man ihm eine
verdiene, die Paul Schleuther seinerzeit mit feinem
wissen genau, woran wir sind, und sind gewissermaßen
Erfolg meldet, wenn er hört und sieht, sein Stüt
hm
Zumor dem „Medardus“ Schnitzlers gegeben: „Ein, *
beruhigt, daß die Behandlung die richtige gewesen ist
der=habe Beifall gefunden.

(Wo doch der Dichter ein wirklicher Daktor ist!... ranmutiac Unaetim.“
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