II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 486

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25. PrefesBernhandi
Rundschau.
die zaristischen Machthaber von Georgien
nachtsgaben um öffentliche Gunst warb, darf
siegen. Man müßte aber lügen, wenn man
summarisch verzeichnet werden und verdient
behaupten wollte, daß Felix Dörmann mit
nur insofern Beachtung, als durch sie das
seinem revolutionären Buche Oskar Nedbal
Charakterbild der Zeit ergänzt wird. Daß
zu einer Musik begeistert hätte, durch die
Ludwig Fulda auch in seinem Lustspiel „Der
man sich trotz der flotten Aufführung im
Lebensschüler“ nur marktgängiges Theater
Komödienhaus darüber hinweggehoben
bietet, das auf Hermann Sudermanns ,Blonde
fühlen könnte, was da einem an abgestandener
Bestien" zurückgreift, um die moralische Nutz¬
Operettenromantik, an aufdringlicher Erotik
anwendung einer mit den Mitteln der alten
und papierenen Kasperliaden zugemutet wird.
Ränkespiele in Szene gesetzten Entlobung
Die andere, „Das alte Wiener Lied“ war
pikant zu würzen, sicherte den Kammer¬
zwar noch vor wenigen Wochen eine Prinz
spielen einen ähnlichen Publikumserfolg wie
Eugen=Operette, aber Bruno Granichstädten
dem Berliner Trianontheater, wo es einige hun¬
müßte das Publikum des Raimund¬
dert Male gegeben werden konnte. Das sym¬
theaters nicht kennen, wenner auch nur einen
pathische Wesen eines neuen jugendlichen
Augenblick an der begeisterten Zustimmung ge¬
Liebhabers, des Herrn Paul Pranger, trug
zweifelt hätte, als er mit bewunderungswür¬
nicht wenig zur freundlichen Aufnahme der
diger Fixigkeit daran ging, den edlen Ritter
vier wohltemperierten Lustspielakte im Keller¬
von Savoyen in einen waschechten Wiener
theater am Rotenturm bei. Auf der Volks¬
Freiheitskämpfer von 1848 umzuwandeln.
bühne war das Rollenbedürfnis des Herrn
Man kann sich ungefähr vorstellen, welche
Rudolf Schildkraut der Urheber einer Bühnen¬
Stillosigkeit in Wort und Musik dabei
bearbeitung des Romans „Die Kreutzer¬
herauskam und wie echt das Zeitbild der
sonate". Daß dabei die Moralphilosophie
Wiener Revolution ist, das die neue Fassung
Leo Tolstois zu kurz kommen und der sekun¬
in Schwarz=Rot=Gold bietet. Angesichts einer
däre Spannungsreiz der Erzählung zur Haupt¬
so automatisch funktionierenden Begeiste¬
sache gemacht werden mußte, begreift sich
rung für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
leicht. Bei Bühnenübertragungen berühmter
fühlt man sich förmlich wohl, aus den Nöten
Romane gibt es kaum einen anderen Weg,
und Röten des Tages in die drangvolle Zeit
der zum Erfolg führt. Auch R. Schedon
des Vormärz zurückversetzt zu werden, da
wandelt ihn im Schweiße seines Angesichts
Johann Nestroy die Geißel seines boshaften
bis zum Ende, wo die Filmsensation beginnt,
Witzes schwang und sei der Wiener Aristo¬
er läßt in drei Akten darstellen, was im
phanes auch nur der Held einer Operette
Vorspiel auf einer Eisenbahnfahrt erzählt
von der idyllischen Art des „Dreimäderlhaus“
wird und er scheut sich nicht, Leo Tolstoi
Früher, als das Volksstück noch in Gunst
als lauschenden Fahrgast persönlich auf die
stand, nannte man derlei Lebensbild. Auch
Bühne zu bringen. Umsonst. Der Erfolg
das jüngste Altwiener Singspiel des Carl¬
bleibt aus, weil die epische Natur des Romans
theaters ist nur ein verkapptes Lebensbild,
stärker ist als die dramatische Vergewalti¬
darin A. M. Willner und R. Österreicher
gung, und schließlich gibt es für Herrn
die Gegensätze in Nestroys Wesen und Wir¬
Schildkraut nicht einmal eine besonders gute
ken mit den einfachen Mitteln des Volks¬
Rolle, die ihm Gelegenheit böte zu zeigen,
stückes darzustellen versuchen. Zahlreich ein¬
was er in besseren Stücken nicht schon besser
gestreute Witzworte aus seinen Originalstücken
gezeigt hätte.
würzen den Dialog und Ernst Reiterer hat
Wenn die Schaubühne ein Spiegelbild
in der geschickten Verwertung alter Wiener
der Zeit bieten soll, dann verstehen sich unsere
Weisen tüchtige Arbeit geleistet. Die Haupt¬
Operettenbühnen entschieden besser auf ihre
sache aber ist, daß Willy Thaller den Titel¬
Aufgabe. Wir stehen im Zeichen der Revo¬
helden spielt. Seine schlichte Meisterschaft
lution und es ist zum mindesten sympto¬
volkstümlicher Darstellungskunst läßt es
matisch, daß sie in zwei von den jüngsten
doppelt bedauern, daß auch das Wiener
drei Operettenneuheiten bedeutsam hinein¬
Volksstück der Operette verfallen mußte, da¬
spielt. Die eine nennt sich „Eriwan“ und läßt
mit es wieder Anwert finde.
einen Wandertenor kaukasischer Rasse mit
Theodor Antropp.
Hilfe einer blaublütigen Romantikerin über
„Österreichische Rundschau“, LVIII., 1.
a
Redaktionsschluß am 27. Dezember 1918. — Ausgegeben am 1. Januar 1919.
Herausgeber: Leopold Freiherr von Chlumecky, Dr. Karl Glossy,
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Dr. Felix Freiherr von Oppenheimer.
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Chefredakteur: Dr. Karl Glossy. Verantwortlicher Redakteur: Karl Junter.
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