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25. PrefessoBernhand
Separatabdruck aus der „Wiener Medizinischen Wochenschrift“
(Nr. 9, 1919).
Verlag von Moritz Perles, Wien I. Seilergasse 4.
(Nachdruck verboten, event. Genehmigung ist bei der Verlagsbuchhandlung zu erwirken.)
Arztestücke.
„Der Schöpfer“ von Hans Müller und „Professor Bernhardi“
von Arthur Schnitzler.
Von jeher ist der Arzt auf der Bühne ein beliebtes dramati¬
sches Instrument gewesen. Dramatisches Instrument, meist Episode.
Seltener eigentlich war er dem Theater mehr, selten einem Stück
Träger oder Stütze. Molière und Shakespeare lieben es, Arzte (Arzte
ihrer Zeit!) auf die Bühne zu bringen, oft nicht ohne sich
über ihre Wissenschaft zu belustigen. Im allgemeinen dürfte im
häufigen Auftreten von Arzten in unseren klassischen Stücken kein
besonderer Grund zu suchen sein. In den Werken unserer Klassiker,
in denen Unglück, Krankheit, Tod so wesentliche Motive bilden,
kann der Arzt nicht ausbleiben. Gerade in den letzten Jahren ist jedoch
der „Arzt am Scheideweg“, der Mensch als Arzto der — wenn man
will — der Arzt, der (beinahe wie zufällig Mensch ist) der liebende
und geliebte Arzt, des öfteren in den Mittelpunkt dramatischer
Konflikte gerückt. Und gerade in diesen Tagen, da im Wiener
neu ein¬
Komödienhaus Shakespeares „Perikles von Thyrus“
studiert wurde, ein Stück in dem ein Arzt als Retter eine so be¬
deutsame Rolle spielt, kam das Burgtheater mit dem „Schöpfer“
von Hans Müller heraus und wenige Wochen hernach bringt die
neue Zeit Schnitzlers „Professor Bernhardi“,
„Mensch oder Idee?“ Die Frage Carlyles an die Welt setzt
Hans Müller seinem Werk als Motto vor. Ein Werk, das in einer
Zeit entstanden ist, in der das Einzelschicksal, der Mensch, nichts
war und die Idee, die „Uniform der Idee“ alles zu sein schien.
Die Zeit ist heute vorüber und das Stück — wenn man das von
einem Werk ein paar Wochen nach seiner Erstaufführung sagen
kann — veraltet. Das Einzelschicksal des großen und des kleinen
Mannes, es steht heute vor allem anderen. Die „großen Ideen“, die
uns vor ein paar Monaten im Banne hielten, wir haben sie jäh verloren.
Das, was wir 4 Jahre hindurch für unseren Katechismus gehalten
25. PrefessoBernhand
Separatabdruck aus der „Wiener Medizinischen Wochenschrift“
(Nr. 9, 1919).
Verlag von Moritz Perles, Wien I. Seilergasse 4.
(Nachdruck verboten, event. Genehmigung ist bei der Verlagsbuchhandlung zu erwirken.)
Arztestücke.
„Der Schöpfer“ von Hans Müller und „Professor Bernhardi“
von Arthur Schnitzler.
Von jeher ist der Arzt auf der Bühne ein beliebtes dramati¬
sches Instrument gewesen. Dramatisches Instrument, meist Episode.
Seltener eigentlich war er dem Theater mehr, selten einem Stück
Träger oder Stütze. Molière und Shakespeare lieben es, Arzte (Arzte
ihrer Zeit!) auf die Bühne zu bringen, oft nicht ohne sich
über ihre Wissenschaft zu belustigen. Im allgemeinen dürfte im
häufigen Auftreten von Arzten in unseren klassischen Stücken kein
besonderer Grund zu suchen sein. In den Werken unserer Klassiker,
in denen Unglück, Krankheit, Tod so wesentliche Motive bilden,
kann der Arzt nicht ausbleiben. Gerade in den letzten Jahren ist jedoch
der „Arzt am Scheideweg“, der Mensch als Arzto der — wenn man
will — der Arzt, der (beinahe wie zufällig Mensch ist) der liebende
und geliebte Arzt, des öfteren in den Mittelpunkt dramatischer
Konflikte gerückt. Und gerade in diesen Tagen, da im Wiener
neu ein¬
Komödienhaus Shakespeares „Perikles von Thyrus“
studiert wurde, ein Stück in dem ein Arzt als Retter eine so be¬
deutsame Rolle spielt, kam das Burgtheater mit dem „Schöpfer“
von Hans Müller heraus und wenige Wochen hernach bringt die
neue Zeit Schnitzlers „Professor Bernhardi“,
„Mensch oder Idee?“ Die Frage Carlyles an die Welt setzt
Hans Müller seinem Werk als Motto vor. Ein Werk, das in einer
Zeit entstanden ist, in der das Einzelschicksal, der Mensch, nichts
war und die Idee, die „Uniform der Idee“ alles zu sein schien.
Die Zeit ist heute vorüber und das Stück — wenn man das von
einem Werk ein paar Wochen nach seiner Erstaufführung sagen
kann — veraltet. Das Einzelschicksal des großen und des kleinen
Mannes, es steht heute vor allem anderen. Die „großen Ideen“, die
uns vor ein paar Monaten im Banne hielten, wir haben sie jäh verloren.
Das, was wir 4 Jahre hindurch für unseren Katechismus gehalten