II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 488

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haben, die Schicksale der Welt, sind uns nicht mehr das, was sie
uns waren. Und heute, da die Militarisierung des Denkens abge¬
schafft ist, heute wächst in der Masse wohl der neue Feind der Indivi¬
dualität heran. Hans Müllers „Schöpfer“, der ingeniöse Mann der Wissen¬
schaft, der auf seinem Posten ausharrt und eher das Glück seiner
Person und Familie aufgibt als seine Aufgabe, ist ein Mensch von
gestern und kaum mehr aktuell. (Ein Vorwurf, den man wohl weder
dem Autor noch dem Stück, sondern ausschließlich unserer so
rastlos durcheinandereilenden Zeit machen kann.)
Professor Paul Schuhmachers Lebenswerk ist die Erfindung
des „Tuberin“, eines Mittels gegen die Tuberkulose. All seine Ge¬
danken sind seinem Lebenswerk gewidmet, das er — und das ist
charakteristisch für ihn und das Stück — nur um der Natur den
Boden abzuringen und weniger, um seinen Mitmenschen zu helfen,
mit all seinen Kräften zu vollenden trachtet. Und hier, gerade hier,
zeigt sich der Fehler des Stückes. Der Arzt wird nicht als Helfer
der bedrängten Menschheit, nicht als Freund seines Mitmenschen,
sondern ausschließlich als Träger einer Mission, als kühler Kultur¬
faktor gesehen. Vielleicht wird in den Charakter dieses Paul Schuh¬
macher, der so viele Vorzüge des Schöpfers und so wenige Schwächen
des Menschen zeigt, auch ein wenig Abenteurerlust „hineingeheimnist“.
„Weiter hinein in das verfluchte Gestrüpp der Natur, bis dorthin,
wo sie neidisch ihre Schlüssel vergraben hält.“ Das ist sein Ziel,
das füllt sein ganzes Leben aus. Es sei dahingestellt, ob dieses Ziel
wirklich das oberste Ziel ärztlicher Kunst, ein Ziel würdig des
schöpferischen Geistes, wie Paul Schuhmacher einer ist, bedeutet.
Daß dieser Trieb des Suchens auch nicht vor Verbotenem
Halt macht (selbstverständlich nur um der Forschung willen), ist
keine Frage mehr. Sch. wäre imstande (tatsächlich kommt es nicht
so weit), Menschenleben seinen Versuchen zu opfern, und meint auf
Vorwürfe, die ihm gemacht werden, daß die hundert Fälle, in denen
der Arzt jemandem das Leben rettet, ihn nicht zu einem Gott
machen. So würde der eine umgekehrte, in dem Menschenleben
Opfer des Fortschrittes werden, den Arzt auch nicht zu einem Teufel
machen. Dies ist der wunde Punkt in der Seele Paul Schuhmachers,
über den man bis zum Ende des Stückes trotz aller erdenklichen
Motivierungen nicht hinwegkommt, und es scheint fast so, als ob
hier Hans Müller, der exakte Denker, und nicht Hans Müller, der
Dichter, am Werke gewesen wäre.
Das andere Extrem, der Gegenpol Schuhmachers, ist sein
Kollege und Gegner im akademischen Senat, der Geheimrat Fabius.
Einer aus der alten Schule, dem der Konservatismus in gleichem
Maße eigen ist, wie dem Feuerkopf Schuhmacher das Vorwärts¬
stürmen, Schuhmacher tut ihm Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß
er sein Gegner sei, aus bloßem Neid oder weil er selbst sich über
den Taglöhnertrott zu etwas Größerem erhoben habe. Dem ist nicht
wehrt aus 1
gehorchen, we
ihren eigenen Tod nic