II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 501

box 31/3
8
25. PrBernhand
Nr. 79.
„Wiener=Ne#nädter Nachrichten“
Schnitzlers „Professor Bernhardi“ dann darf
über sein Schicksal aufgeklärt wird. Die katho¬
man sich nicht wundern, wenn sich schließlich
lische Lehre setzt dem entgegen, daß die kurzen
in den den Musen geweihten Räumen Szenen
seelischen Qualen in solchem Augenblick nichts
abspielen, die den Kunsttempel schänden.
bedeuten, gegen die Folgen im Jenseits, wenn
Künstlerisch=literarisch genommen, kann sich
die letzte religiöse Pflicht nicht erfüllt wurde.
Schnitzlers Werk unseren Besten an die Seite
Ein Konflikt zweier Weltanschauungen, der nie
stellen. Eine sich von Akt zu Akt s.eigernde
gelöst werden, eine Kluft, die nie überbrückt
logische Entwicklung, eine trotz mancher Breiten
werden kann. Sie zum Gegenstand literarischer
straffe Diktion, sein zifelierte Sprache, die
Betrachtungen zu machen, wäre müßig, selbst
Tiese gehende Charakterisierung, kurz, alle
wenn ein Größerer als der Causeur Schnitzler
Momente, die ein gutes Schauspiel bieten muß,
sich an den Gegenstand gemacht hätte. Immer¬
sind dieser Komödie eigen.
hin, mit einem ernsten Versuch könnte man
Gespielt wurde das mit Sorgsalt einstudierte
sich abfinden. Für Schnitzler ist aber dieser
Konflikt nur das Mittel zu dem Zweck, die
Stück gut, recht gut. Es hätte vielleicht über
manche Widrigkeiten hinwegsehen lassen, wenn
korrupten Verhältnisse im alten Oesterreich auf¬
die Regie
zudecken und den Antisemitismus totzuschlagen.
mehr künstlerisch sich betätigt
Auch das wäre verständlich, denn daß der Jude
hätte. Schließlich haben wir es doch in der
Schnitzler notgedrungen den seiner Rasse feind¬
Hauptsache mit einer Gesellschaft von Akademi¬
kern zu tun, die nicht samt und sonders Kriegs¬
lichen Antisemitismus bekämpfen will und muß,
ist natürlich. Unnatürlich und verlogen, um
gewinner sind (das Stück spielt um die Jahr¬
hundertwende). Was wir aber zu hören be¬
nicht zu sagen, gemein ist die demagogische Art,
in der der Autor die Gegensätze einander gegen¬
kommen, waren Ostjuden mit galizischen
überstellt. Auf der Seite des Professors Bern¬
Ponim, Gebärden und Körperbau. War das
nötig? Eine rühmenswerte Ausnahme bildete
hardi: dieser selbst als christusähnliche Ideal¬
figur. Neben ihm Christen, triefend von Idealis¬
nur Herr Paulmann, der Träger der
mus, zwei Juden, wahre Ausbunde ethischer
Happtrolle. Er hatte seinem Prof. Bernhardi
die Maske des Grasen Teast aus Sudermanns
Tugenden. Auf der anderen (antisemitischen)
„Ehre“ zugrundegelegt, mit der diese Figur viele
Seite eine Schweinebande sittlich minderwertiger
Gestalten: zwei christliche Streber, ein getaufter
Aehnlichkeit besitzt. Und seiner Darstellung neben
Jude, als Renegat also für Christ und Jnd'
der des Herrn Brüngger (Dr. Pflug¬
verdächtig, und ein Mimikrijude reinsten Wassers,
selder) ist es wohl zu danken, daß das Stück
daneben ein jüdischer Unterrichtsminister mit
überhaupt vor einem Durchfall bewahrt wurde.
allen Merkmalen des smarten Konjunktur¬
Auch Herr Zaglauer (Dr. Ebenwald) bot
politikers. Es ist selbstverständlich, daß Professor
eine künstlerisch einwandfreie Leistung, neben
Bernhardi, der Idealjude, unterliegt aber die
der sich die des Herrn Pistol (Dr. Cyprian)
arische und semiarische Partei, in dem, ob des
sehr gut sehen lassen konnte. Durchaus verfehlt
oben genannten Konfliktes sich entspinnenden
aber waren der Dr. Schreimann des Herrn
Strehlen und der Dr. Goldenthal des
Prozesse moralisch den Kürzeren zieht.
Kein Engel ist so rein wie das von Schnitzler
Herrn Gold. Sie schienen der Meinung zu
hier geschilderte Judentum. Ich erkenne das
sein, dem Stücke zu dienen, wenn sie pol¬
eminente Talent, das der Autor in diesem
nische Juden mimten, es hätte genügt, wenn
Stücke wieder entwickelt, rückhaltlos an. Ich
sie sich natürlich gegeben hätten, ein Zweifel
weise einen eventuellen Vorwurf antisemitischer
an der Echtheit hätte doch wohl kaum entstehen
Einseitigkeit weit von mir und lege absoluten
können. Dagegen schuf Herr Felda einen
Wert auf strengste Objeklivität. Aber ich muß
ausgezeichneten Dr. Flint und Herr Essan
ebeni-eneroisch dagegen Protest erbeben, dan ##nen Pfarrer Reder von seltener Ueber¬
die Bürne in einseitiger Weise dazu benützt
zeugungskraft und Treue. Eine achtungswerte
wird, eine Bewegung, wie sie zu Anfang unseres
Leistung boten Herr Ardeliano als Doktor
Titeratur.
Jahrhunderts und eben wieder jetzt ausgebrochen
Feuermann und Fräulein Herma Kühne als
in so sendenziöser Weise, mit schnoddriger
rdi“, Art. Schnitzler#
Krankenschwester Ludmilla. Der Dame gelang
Ueberhebung als Ausfluß einer zügellosen,
Mittwochabend zum
es ganz vorzüglich das Hysterische im Charakter
jedes ethischen Bewußtseins und Verantwort
sere Bühne. Die alte
der Krankenschwester herauszuarbeiten.
lichkeitsgefühls haren Radaustimmung hingestellt
ück dadurch eine recht
K. L—sch.
wird. Der Antisemitismus, der kulturgeschicht.
acht, daß sie dasselbe
lich zu beklagen ist, aber aus seinen Ursachen
ade, denn andernfalls
heraus beurteilt werden will, kann nicht mit
sein und wir hätten
einer überlegenen Geste aus der Welt geschafft
Genuß, uns jetzt vier
werden. Das war dem Autor g'nügend bekannt
ngweilen zu müssen.
icher Plauderer und
er ist ja nicht ein mit Scheuklappen ver¬
als Lesedrama mag
sehener Chassidde aus Brody — und deshalb ist
es doppelt verwerflich, daßer mit Mitteln gegen
di“ wenigstens stellen¬
Aber als Ganzes
eine Bewegung loszieht, die, ich betone es noch
se widerwärtigen Ge¬
einmal, ethisch verschieden beurteilt werden kann,
doch für sich den Anspeuch erheben darf, ernst
und die nicht minder
genommen zu werden und nicht als kultur¬
tendenziös zurecht¬
feindlich verlästert werden darf. Will man ihn
und innerlich un
6

905
10