II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 509

25 PrefessenBernhandi
Der Theaterskandal in Wiener¬
Nenstadt.
Demonstrationsstreik der Studenten. — Die Pro¬
feisoren solidarisch.
Im Nachtrage zu unserem Berichte über die Theaterskandele
in Wiener=Neustadt, den wir einer Korrespondenz ent¬
nommen haben, erfahren wir aus Wiener=Neustadt selbst
noch folgendes: Schon die erste Aufführung des Stückes
„Professor Bernhardi“ hatte unter der Studentenschaft Er¬
regung hervorgerufen, und es war nur den Bemühungen
des Redakteurs Dr. Thurner gelungen, die Studenten
abzuhalten das Stück auszupfeifen. Als das Stück ein
zweitesmal aufgeführt werden sollte, erklärten die Mittel¬
und Hochschüler, daß sie dies als eine Beleidigung ihres
arischen Empfindens auffassen und dagegen demonstrieren
müßten. Dr. Thurner perhandelte zwischen der Studenten¬
schaft und dem Direktor, bis dieser sich bereit erklärte, die
stark tendenziösen Stellen des Stückes zu streichen, worauf..
25.091.1919

„Deutsches Volksblatt“
—.—
die Studenten erklärten, daß sie der Aufführung ruhig
anwohnen würden.
Tatsächlich wurden die ersten drei Akte ohne Störung hin¬
genommen. Im vierten Akte hielten die Schauspieler die
Vereinbarung des Direktors nicht mehr ein, wodurch die
Aufregung ausgelöst wurde. Verursacht wurde der ganze
Theaterskandal durch den roten Vizebürgermeister Püchler
und den Soldatenrat Hübel, die schon früher für den
Zwick dieser Vorstellung eine Reihe junger Agitatoren be¬
stellt hatten. Hübel erklärte auch ostentativ dem Bürger¬
meister Püchler: „Die seige Bagage getraut sich nicht, zu
pfeifen.“
Als auf der Bühne das Stichwort fiel „Nieder mit den
Juden!“ begannen die Pfeifszenen. Vizebürgermeister Püchler
und Soldatenrat Hübel wendeten sich gegen die Studenten
mit den Worten: „Lausbuben, Rotzbuben, monarchistisches
Gesindel, Weiße Gardisten!“
Dr. Thurner, der zwischen den Studenten und dem Vize¬
bürgermeister vermitteln wollte wurde von diesem ange¬
schrien: „Sie sind der Anstifter!“ Soldatenrat Hübel rief:
„Probiert es und pfeift noch einmal!“ Püchler wollte den
Dr. Thurner durch den Polizeiinspektor verhaften lassen,
velcher Aufforderung letzterer aber nicht Folge leistete.
Der fünfte Akt wurde wieder in Ruhe zu Ende gespielt. Als
die Vorstellung zu Ende war, wollten sich die Studenten
auf die Polizei begeben, nachzufragen, was mit ihren ver¬
afteten Kollegen geschehen sei. Da kam Vizebürgermeister
Püchler auf den Hauptplatz, als stud. phil. Kückert die
Studenten ersuchte, Ruhe zu halten und sich nach Hause
zu begeben. Eine Abteilung ging durch die Schulgasse.
Vizebürgermeister Püchler und seine Agitatoren folgten ihr
inter fortwährenden Schimpfereien. Schließlich gab Püchler
einem 16jährigen Jungen, der kaum den Eindruck eines
zwölfjährigen machte, eine Ohrfeige, daß er auf die Straße
infiel. Daraufhin hielten die Studenten Donnerstag nach¬
nittags Besprechungen ab, die zu dem Ergebnisse führten,
aß Freitag vormittags in allen Oberklassen der Mittel¬
chulen ein Proteststreik gegen das Benehmen des Vizebürger
neisters Püchler durchgeführt wurde. Vormittags fand im
Festsaale des Gymnasiums eine Versammlung der Stu¬
enten statt, zu der a.uch die Professoren, Direktoren und
Abgeordneter Beirer erschienen waren. Einmütig wurde
das Benehmen Püchlers verurteilt und zureichende Genug¬
tnung gefordert. Die Theaterskandale werden auch eine
Reihe von Gerichten beschäftigen, weil zahlreiche Klagen
eingebracht wurden.
Als erfreuliches Zeichen darf in diesem Falle das einmütige
Vorgehen der Christlichsozialen und der Deutschnationalen
angesehen werden. Hoffentlich wird diese Einigkeit auch in
anderen, wichtige Belange des deutschchristlichen Volkes be¬
treffenden Angelegenheiten zur Geltung kommen.
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Der Theaterskandal in Wiener-

Stenstadt. 10
ntägiger Demonstrationsstreit der Mittelschäler.
(Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals.“)
Wiener=Neustadt, 24. Oktober.
Die Vozfälle, die sich während der vorgestrigen Aufführung
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hiesigen Stadttheater
von Schnitzla#s Profassor Ber
abspielten, hatten bente### Skeik der gesamten Studentenschaftse.
der hiesigen Mit## zur Folge als Demonsiration gegen die
den Siudenten seitens des Vizebürgermeisters und Obmannes des
Theaterkomitees Püchler zugefügten Beleidigungen.
Die Skandalszenen setzten ein, als der Darsteller des Pro=#
fessors Bernhardi, Herr Paulmann, die Worte „Nieder mit die ##
Jnden!“ ausrief, welcher Ruf von den im Stehparterre und auf
den Galerien anwesenden Studenten wiederholt wurde. Nun #
traten Vizebürgermeister Püchler und Soldatenrat Hübl aus dem
Parkeit zu der das Stehparterre abschließenden Barriere
dort anwesenden Studenten
und apostrophierten die
mit den Worten „Lausbuben" und „Rotzbuben“ Auchs#
verlangte er von den Polizeiorganen die Arretierung sämtliche.
Studenten und ihre Durchsuchung nach Pfeiserln. Es entspam,
sich eine erregte Auseinandersetzung, in die auch unter andern
Redakteur Dr. Thurner beschwichtigend eingriff. Vizebürgermeister
[Püchler bezeichnete Dr. Thurner als Austifter, wogegen dieser.
entschieden protestierte.
Heute um 9 Uhr vormittags wurde an sämtlichen fünf¬
Mittelschulender Unterricht eingestellt und die Studentenschaft zog
demonstrativ den Festsaal des Gymnasiums, woselost sich auch¬
der Lehikörper sämtlicher Anstalten eingefunden hatte. Dort wurde
nun eine Protestversammlung abgehalten, bei der stud. phil.
[Kukertz namens der Studenteuschaft erklärte, daß sich durch
das Vorgehen des Vizebürgermeisters Püchler die gesamte
Studentenschaft betroffen fühle und deshalb durch einen eintägigen
Streik dagegen protestiere, um der Ueberzeugung Ausdruck zu
geben, daß sie sich nicht terrorisieren lassen werde. Auch die
Professoren hielten Ansprachen, wirkten jedoch auf die Studenten
beruhigend ein.
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