S
25 PoBernhandi
„Professor Bernhardi“ in Wiener=Neustadt.
Aus Wiener=Neustadt wird unterm 23. d. M. gemeldet:
Gestern abends kam es im hiesigen Stadttheater anläßlich der Auf¬
or Bern¬
führung von Artur Schnitzlers „Pri
zu großen Sta Dmde vorigen
Sonntag zum erstenmal ausgeführt und von christlichsozialer und
deutschnationaler Seite war seither gegen eine zweite Aufführung
heftige Agutation geführt worden. Anhänger dieser beiden
leien waren gestern im Theated in großer Zahl anwesend,
aber auch die Sozialdemokraten waren stark vertieten. Die
ersten zwei Akte gingen ruhig vorüber. Im dritten Akte ertönte
plötzlich vom Stehparterre aus und von den Gaierien lautes
Rischen. Im vierten Akte wurden bei der Szene, wo Professor
Bernhardt vom Gericht zurückkommt, Piuirufe laut, es wurder
t und der Skandal wucht
gesischt und getramp
ung unterbroches
derart an, das
werden mußte. Die Polizei schrift ein und verhaftete aus dem
Stehparierre vier Studenten.
Nun zog eine große Meige
Christlichsogialer und Deutschnationaler zum Zentralwachzintner
im Rathause und verlangte Auskunft über das Schicksgl der vier
verhafteten Stubenten. Die Absicht der Demonstränten
Kundgebungen vom Theater auf die Straße z
pcnzen.
wurde durch die Maßnahmen der Polizei vercielt.
Wiener Morgenzeitung,
BOKT19N
Wien
Neue Freie Fnasra, Wien
25 X.1919
Seite 7
/25 Oktober 1919
—
[Der Theaterskandal in Wiener=Neustadt.]
Aus Wiener=Neustadt wird gemeldet: Die Vorfälle, die
sich während der vorgestrigen Aufführung von Schnitziers „Pro¬
fessor Bernhardi“ im hiesigen Stadttheater abspietren,hatten
heute einen Streik der gesamten Studentenschaft der hiesigen
Mittelschulen zur Folge, der sich als Demonstration gegen die
den Studenten seitens des Vizebürgermeisters und Obmannes
des Theaterkomitees Püchler zugefügten Beleidigungen dar¬
stellt. Als die Studenten zum Rathause zogen, um sich nach
dem Schicksal ihrer arretierten Kollegen zu erkundigen, folgte
ihnen Vizebürgermeister Püchler mit einer Schar# Sozial¬
demokraten und rief den Studenten zu: „Monarchisten, Re¬
aktionäre, Lausbuben!“ Einem jungen Mann soll Herr Püchler
nach Aussage von Studenten eine Ohrfeige versetzt haben. Heute
um 9 Uhr vormittags wurde an sämtlichen fünf Mittelschulen
der Unterricht eingestellt und die Studentenschaft zog demon¬
strativ in den Festsaal des Gymnasiums, woselbst sich auch der
Lehrkörper sämtlicher Anstalten eingefunden hatte. Dort wurde
nun eine Protestversammlung abgehalten, bei der stud. phil.
Kukertz namens der Studentenschaft erklärte, daß sich durch
das Vorgehen des Vizebürgermeisters Püchler die gesamte
Studentenschaft beleidigt fühle und deshalb durch einen ein¬
tägigen Streik dagegen protestiere. Auch die Professoren hielten
Ansprachen und suchten auf die Studenten beruhigend einzu¬ „
wirken.
box 31/3
Juusiiigrtes Wiener- Extraplaft.
Der Cheaterskandal in Wiener¬
Neustadt. 2501 1979
Eintägiger Demonstrationsstreik der
Studenten.
Wiener=Nenstadt, 24. Oktober. (Privat¬
Depesche.) Die Vorfälle, die sich während der
vorgestrigen Aufführung von Schnitzlers „Professor
Beinhardi“ im hiesigen Stadttheater abspielten,
hatten heute einen Sireik der gesamten
Studentenschaft der hiesigen
Mittelschulen zur Folge als Demonstration
gegen die Aeußerungen des Vizebürgermeisters und
Obmannes des Theaterkomitees Püchler.
Die Skandalszenen setzten ein, als der Dar¬
steller des Professors Bernhardt Herr Paul¬
mann die Worte sprach: „Nieder mit den
Juden!“ welcher Ruf von den im Stehparterre
und auf den Galerien anwesenden Studenten
wiederholt wurde. Nun traten Vizebürgermeister
Püchler und Soldatenrat Hübl aus dem
Parkett zu der das Stehparterre abschließenden
Barrière und apostrophierten die dort anwesenden
Studenten mit Beschimpfungen. Auch verlangte der
Vizebürgermeister von den Polizei=Organen die
Arretierung sämtlicher Studenten und ihre
Durchsuchung auf Pfeiferln. Es entspann sich eine
erregte Auseinandersetzung, in die auch unter
anderen Redakteur Dr. Thurner beschwichtigend
eingriff. Vizebürgermeister Püchler bezeichnete
Dr. Thurner als Anstifter, wogegen dieser ent¬
schieden protestierte.
Als dann die Studenten zum Rathause
zogen, um sich nach dem Schicksal ihrer verhafteten
Kollegen zu erkundigen, folgte ihnen Vizebürger¬
meister Püchler mit einer Schar Sozialdemokraten
und rief den Studenten zu: „Monarchisten,
Reaktionäre, Lausbuben!“ Einer 15jährigen
Studentin soll Vizebürgermeister Püchler nach
Aussage der Studenten eine Ohrfeige versetzt
haben.
Heute um 9 Uhr vormittags wurde an
sämtlichen fünf Mittelschulen der Unterricht
eingestellt und die
Studenten zogen
demonstrativ in den Festsaal des Gymnasiums,
woselbst sich auch der Lehrkörper sämtlicher An¬
stalten eingefunden hatte. Dort wurde nun eine
„Protestversammlung abgehalten, bei der Stud. phil.
Kukertz namens der Studenten erklärte, daß
sich durch das Vorgehen des Vizebürgermeisters
Püchler die gesamte Studentenschaft betroffen
fähle und deshalb durch einen eintägigen
Streik dagegen protestiere, um der Ueberzeugung
Ausdruck zu geben, daß sie sich nicht terrorisieren
lassen werde. Auch die Professoren hielten An¬
sprachen, wirkten jedoch auf die Studenten be¬
ruhigend ein.
Nach der Versammlung gingen die Studenten
ruhig nach Hause.
Lurchtbare Eisenbahnkatastrophe
in Preußisch=Schlesten.
Bishee 41 Tote und 120 Verletzte.
Beuthen, 24. Oktober. Heute früh ist auf de
Itrecke Ratiber—Zve:
25 PoBernhandi
„Professor Bernhardi“ in Wiener=Neustadt.
Aus Wiener=Neustadt wird unterm 23. d. M. gemeldet:
Gestern abends kam es im hiesigen Stadttheater anläßlich der Auf¬
or Bern¬
führung von Artur Schnitzlers „Pri
zu großen Sta Dmde vorigen
Sonntag zum erstenmal ausgeführt und von christlichsozialer und
deutschnationaler Seite war seither gegen eine zweite Aufführung
heftige Agutation geführt worden. Anhänger dieser beiden
leien waren gestern im Theated in großer Zahl anwesend,
aber auch die Sozialdemokraten waren stark vertieten. Die
ersten zwei Akte gingen ruhig vorüber. Im dritten Akte ertönte
plötzlich vom Stehparterre aus und von den Gaierien lautes
Rischen. Im vierten Akte wurden bei der Szene, wo Professor
Bernhardt vom Gericht zurückkommt, Piuirufe laut, es wurder
t und der Skandal wucht
gesischt und getramp
ung unterbroches
derart an, das
werden mußte. Die Polizei schrift ein und verhaftete aus dem
Stehparierre vier Studenten.
Nun zog eine große Meige
Christlichsogialer und Deutschnationaler zum Zentralwachzintner
im Rathause und verlangte Auskunft über das Schicksgl der vier
verhafteten Stubenten. Die Absicht der Demonstränten
Kundgebungen vom Theater auf die Straße z
pcnzen.
wurde durch die Maßnahmen der Polizei vercielt.
Wiener Morgenzeitung,
BOKT19N
Wien
Neue Freie Fnasra, Wien
25 X.1919
Seite 7
/25 Oktober 1919
—
[Der Theaterskandal in Wiener=Neustadt.]
Aus Wiener=Neustadt wird gemeldet: Die Vorfälle, die
sich während der vorgestrigen Aufführung von Schnitziers „Pro¬
fessor Bernhardi“ im hiesigen Stadttheater abspietren,hatten
heute einen Streik der gesamten Studentenschaft der hiesigen
Mittelschulen zur Folge, der sich als Demonstration gegen die
den Studenten seitens des Vizebürgermeisters und Obmannes
des Theaterkomitees Püchler zugefügten Beleidigungen dar¬
stellt. Als die Studenten zum Rathause zogen, um sich nach
dem Schicksal ihrer arretierten Kollegen zu erkundigen, folgte
ihnen Vizebürgermeister Püchler mit einer Schar# Sozial¬
demokraten und rief den Studenten zu: „Monarchisten, Re¬
aktionäre, Lausbuben!“ Einem jungen Mann soll Herr Püchler
nach Aussage von Studenten eine Ohrfeige versetzt haben. Heute
um 9 Uhr vormittags wurde an sämtlichen fünf Mittelschulen
der Unterricht eingestellt und die Studentenschaft zog demon¬
strativ in den Festsaal des Gymnasiums, woselbst sich auch der
Lehrkörper sämtlicher Anstalten eingefunden hatte. Dort wurde
nun eine Protestversammlung abgehalten, bei der stud. phil.
Kukertz namens der Studentenschaft erklärte, daß sich durch
das Vorgehen des Vizebürgermeisters Püchler die gesamte
Studentenschaft beleidigt fühle und deshalb durch einen ein¬
tägigen Streik dagegen protestiere. Auch die Professoren hielten
Ansprachen und suchten auf die Studenten beruhigend einzu¬ „
wirken.
box 31/3
Juusiiigrtes Wiener- Extraplaft.
Der Cheaterskandal in Wiener¬
Neustadt. 2501 1979
Eintägiger Demonstrationsstreik der
Studenten.
Wiener=Nenstadt, 24. Oktober. (Privat¬
Depesche.) Die Vorfälle, die sich während der
vorgestrigen Aufführung von Schnitzlers „Professor
Beinhardi“ im hiesigen Stadttheater abspielten,
hatten heute einen Sireik der gesamten
Studentenschaft der hiesigen
Mittelschulen zur Folge als Demonstration
gegen die Aeußerungen des Vizebürgermeisters und
Obmannes des Theaterkomitees Püchler.
Die Skandalszenen setzten ein, als der Dar¬
steller des Professors Bernhardt Herr Paul¬
mann die Worte sprach: „Nieder mit den
Juden!“ welcher Ruf von den im Stehparterre
und auf den Galerien anwesenden Studenten
wiederholt wurde. Nun traten Vizebürgermeister
Püchler und Soldatenrat Hübl aus dem
Parkett zu der das Stehparterre abschließenden
Barrière und apostrophierten die dort anwesenden
Studenten mit Beschimpfungen. Auch verlangte der
Vizebürgermeister von den Polizei=Organen die
Arretierung sämtlicher Studenten und ihre
Durchsuchung auf Pfeiferln. Es entspann sich eine
erregte Auseinandersetzung, in die auch unter
anderen Redakteur Dr. Thurner beschwichtigend
eingriff. Vizebürgermeister Püchler bezeichnete
Dr. Thurner als Anstifter, wogegen dieser ent¬
schieden protestierte.
Als dann die Studenten zum Rathause
zogen, um sich nach dem Schicksal ihrer verhafteten
Kollegen zu erkundigen, folgte ihnen Vizebürger¬
meister Püchler mit einer Schar Sozialdemokraten
und rief den Studenten zu: „Monarchisten,
Reaktionäre, Lausbuben!“ Einer 15jährigen
Studentin soll Vizebürgermeister Püchler nach
Aussage der Studenten eine Ohrfeige versetzt
haben.
Heute um 9 Uhr vormittags wurde an
sämtlichen fünf Mittelschulen der Unterricht
eingestellt und die
Studenten zogen
demonstrativ in den Festsaal des Gymnasiums,
woselbst sich auch der Lehrkörper sämtlicher An¬
stalten eingefunden hatte. Dort wurde nun eine
„Protestversammlung abgehalten, bei der Stud. phil.
Kukertz namens der Studenten erklärte, daß
sich durch das Vorgehen des Vizebürgermeisters
Püchler die gesamte Studentenschaft betroffen
fähle und deshalb durch einen eintägigen
Streik dagegen protestiere, um der Ueberzeugung
Ausdruck zu geben, daß sie sich nicht terrorisieren
lassen werde. Auch die Professoren hielten An¬
sprachen, wirkten jedoch auf die Studenten be¬
ruhigend ein.
Nach der Versammlung gingen die Studenten
ruhig nach Hause.
Lurchtbare Eisenbahnkatastrophe
in Preußisch=Schlesten.
Bishee 41 Tote und 120 Verletzte.
Beuthen, 24. Oktober. Heute früh ist auf de
Itrecke Ratiber—Zve: