II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 511

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25. PrfBernhad
3.. „5 =Walfen Oesterreichs.
Antisemitische Kundgebung im
Wiener=Neustädter Theater.
Her südlsche „Arbeiterrat“ Hübl als Provokateur.
Mittelschüler vom sozlaldemokratischen Bizebürgermeister
geohrseigt.
Eintägiger Proteststreik sämtlicher Wiener¬
Neustüdter Mittelschulen.
(Eigenbesicht'der „Reichspost“.)
Wiener=Neustadt, 24. Oktober.
Zu bewegten Sienen kam es Mittwoch abends im
Wiener=Neustädter Theater bei der Aufführung des
Tendenzstückes „Professor Bernhardi“. Schon die erste
Aufführung am vorigen Samstag hatte wegen der vielen
für die christliche Bevölkerung beleidigenden Stellen dieses
Stückes unter der hiesigen Studentenschaft lebhaften Un¬
willen erregt. Diese wollte schon damals gegen
die Brüskierung
der christlichen Gefühle demon¬
strieren, konnte jedoch dank der Bemühungen
des christlichsozialen Redakteurs Dr. Thurner
von ihrem Vorhaben abgebracht werden. Als nun die
Direktion des Theaters das Stück für Mittwoch wieder
ansetzte, legte eine Abordnung der Studentenschaft da¬
gegen Verwahrung ein. Die Direktion begründete die
Wiederholung dieser Aufführung mit einem „Mängel an
Repertoirestücken“, versicherte jedoch nach langwierigen
Verhandlungen, daß die gröbsten Beleidigungen gestrichen
würden, wogegen Dr. Thurner, der die Verhandlungen
im Namen der Studentenschaft führte, erklärte, daß diese
auch der zweiten Aufführung keinerlei Schwierigkeiten
machen werden.
Tatsächlich wäre am Mittwoch das Stück, dessen
Aufführung zahlreiche Hoch= und Mittelschüler beiwohnten,
um die Einhaltung der Abmachungen zu kontrollieren,
ohne jeden Zwischenfall ruhig zu Ende gespielt worden,
wiewohl einzelne Schauspieler sich nicht an des Ver¬
sprechen der Direktion hielten. Die Sozialdemokraten
wollten es aber auf eine Machtprobe ankommen lassen.
Vizebürgermeister Puchler fand sich mit mehreren
Arbeiter= und Soldatenräten bei der Vorstellung ein,
um jede Aeuzerung des Mißfallens niederzuschlagen.
Drei
Alte waren bereits beendet.
Da
provozierte
der jüdische. Soldatenrat Hübl,
dem offenbar die Ruhe nicht gefiel, die anwesenden
Studenten, indem er zu VB. Puchler sagte: „Die seige
Bagage getraut sich doch nicht zu pseifen, sonst möchte
sie auch was erleben!“ Als nun darauf der vier. Akt
begann und der den Professor Bernhardi darstellende
Schauspieler Paulmany erzählte, daß ihm die
Studenten beim Gerichtstore mit dem Rufe: „Nieder
mit den Juden!“ empfangen hätten,
kam die durch
Hübls Provokationen verursachte Gereiztheit der
Studenten zum Ausbruch. Diese beantworteten die
Worte des Schauspielers mit dem Ruf: „Hinaus mit
den Juden und ihren jüdischen Stücken!“ Es entstand
nun ein großer Tumult, so daß die Vorstellung unter¬
brochen werden mußte. Die Anhänger Hübls wollten
nämlich kurzerhand die Studenten aus dem Zuschauer¬
raum hinauswerfen. Dr. Thurner und andere suchten
beschwichtigend einzugreifen, während VVgm. Puchler,
das Recht eines Hausherin sich anmaßend, mit Be¬
schimpfungen gegen Dr. Thurner losging und die
Studenten anschrie: „Wenn euch das nicht paßt, geht's
in die Passionsspiele!“ Der Jude Hübl tobte wie be¬
REICHSPOST, WIEN