II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 512


nen va die gröbsten Veleidigungen gestlichen
würden, wogegen Dr. Thurner, der die Verhandlungen
im Namen der Studentenschaft führte, erklärte, daß diese
auch der zweiten Aufführung keinerlei Schwierigkeiten
machen werden.
Talsächlich wäre am Mittwoch das Stück, dessen
Aufführung zahlreiche Hoch= und Mittelschüler beiwohnten,
um die Einhaltung der Abmachungen zu kontrollieren,
ohne jeden Zwischenfall ruhig zu Ende gespielt worden,
wiewohl einzelne Schauspieler sich nicht an das Ver¬
sprechen der Direktion hielten. Die Sozialdemokraten
wollten es aber auf eine Machtprobe ankommen lassen.
Vizebürgermeister Puchler fand sich mit mehreren
Arbeiter= und Soldatenräten bei der Vorstellung ein,
um jede Aeuzerung des Mißfallens niederzuschlagen.
Alte
Drei
waren bereits beendet.
Da
provozierte
der jüdische. Soldatenrat Hübl,
dem offenbar die Ruhe nicht gefiel, die anwesenden
Studenten, indem er zu VB. Puchler sagte: „Die feige
Bagage getraut sich doch nicht zu pfeifen, sonst möchte
sie auch was erleben!“ Als nun darauf der vierte Akt
hegann und der den Professor Bernhardi darstellende
Schauspieler Paulmany erzählte, daß ihm die
Studenten beim Gerichtstore mit dem Rufe: „Nieder
mit den Juden!“ empfangen hätten, kam die durch
Hübls Provokationen verursachte Gereiztheit der
Studenten zum Ausbruch. Diese beantworteten die
Worte des Schauspielers mit dem Ruf: „Hinaus mit
den Juden und ihren jüdischen Stücken!“ Es entstand
nun ein großer Tumult, so daß die Vorstellung unter¬
brochen werden mußte. Die Anhänger Hübls wollten
nämlich kurzerhand die Studenten aus dem Zuschauer¬
raum hinauswerfen. Dr. Thurner und andere suchten
beschwichtigend einzugreifen, während VBgm. Puchler,
das Recht eines Hausherrn sich anmaßend, mit Be¬
schimpfungen gegen Dr. Thurner losging und die
Studenten anschrie: „Wenn euch das nicht paßt, geht's
in die Passiousspiele!“ Der Jude Hübl lobte wie be¬
REICHSPOST WIEN
25. Oktober 1919
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fessen und belegte die Studenten mit nicht wiederzugebenden
Schimpfworten. Schließlich konnte das Stück bis zun
Ende wieder ruhig weiter gespielt werden bis auf eine
Zwischenfall, der von den Sozialdemokraten herausge
fordert, durch das vermittelnde Eingreisen der Wach
organe jedoch bald beigelegt wurde.
Nach Schluß der Vorstellung verließen die Studenter
in Rutze das Schauspielhaus und erkundigten sich au
der Wachstube im Rathaus nach dem Schicksal ihrer
angeblich verhafteten Kollegen. Als ihnen versicher
wurde, daß keiner verhaftet sei, wollten sie sich
ruhig entfernen. Da kam neuerdings Vizebürgermeisten
hinzu,
Püchler
beschimpfte
die
Studenter
als reaktionären Lausbuben, ging hinter einem heim¬
kehrenden Studententrupp unter fortwährendem Schimpfer
her und gab schließlich einem vierzehnjähriger
schwächlichen Jungen eine Ohrfe
Dann ließ er von dem Studenten ab, worauf soson
Ruhe eintrat.
Dieses Vorgehen des sozialdemokratischen Vizebürger¬
meisters und des jürischen Arbeiterrates hat am folgen¬
den Tage in der ganzen Bevölkerung Erbilterung her¬
vorgerusen. Um nuin die Schuld an diesem Skandal auf
die Studenten abzuwälzen, wurde die Lüge ausgestreut,
daß Flugzeitel mit der Aufforderung zu einem Pogrom
verbreitet und die Studenten von Dr. Thurner aufgehetzt
worden seien, weswegen en auch aus dem Theater hin¬
ausgewiesen worden sei. An all dem ist nalürlich kein
wahres Wort.
Dia Mana##n. v
UZ
Die Ordnungs=Ohrfeige.
Wie gewöhnlich sing es mit den Juden
an und endigte mit einem Streik. Und da¬
zwischen fällt eine Ohrfeige, die der Wr.=Neu¬
städter V zebürgermeister einer Studentin ver¬
abreicht haben soll. Und weshalb war der ganze
Rummel?
Weil Schnitzlerz. „Professor
Vernhardi“, gespiell ##und ein paar
übermütige Leute den Anlaß wahrnahmen,
wieder einmal gegen die Juden loszugehen. Die
Sozialdemokraten witterten natürlich sofort Re¬
Wiener Allgemeine Zeitung“
Wien.
25. N.1919
kto

aktion und so gab es durch ein paar=Tage kleine#
Skandale. Das Ganze ist natürlich, wie alle diesef
künstlich geschürten Kundgebungen, höchst über¬
flüssig und von einer Wirkung, die kaum über
den Wr.=Neustädter Hauptplatz hinausgeht. Dies
Mittelschüler benützen nach bewährtem Muster die
Gelegenheit, ihrer politischen Meinung durch
einen Streik Ausdruck zu geben. Es ist auch ein¬
Zeichen der Z eit, daß jetzt sogar die Gymnasiasten
streiken dürfen, wenn es ihnen nicht paßt in die
Schule zu gehen. Aber was soll man zu dems
V zebürgermeister sagen, der eine so handgreif¬
liche sozialistische Ueberzeugung hat und sich
wenn es um Ohrfeigen geht, persönlich bemüht#
In welcher Eigenschaft teilt dieser Herr Ohr¬
feigen aus? Gibt er dabei seiner Meinung
als Privatmann Ausdruck oder soll die Ohrfeige
gar einen energ.schen Ordnungsruf symbolisieren,
den der Vizebürgermeister dem nichtsozialistisch
gesinnten Volke erteilt?