II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 513

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25. PrafesBernand
* Mittelschüler„streik“ in Wiener=Neustadt. Aus
Wiener=Neustadt wird gemeldet: Heute früh sind die
hiesigen Mittelschüler nicht aus der Schule gegangen. Sie
wollten damit den Obmann des Theatercomités Vizebürger¬
meister Püchler bestrafen. Der Theaterskandal war nämlich
von Mittelschülern veranstaltet. Als der Darsteller des
Professor Bernhardt, die ironischen Worte:
in
J.u b
ausrief, wurde der Ruf
von den im Theater anwesenden Schülern wiederholt.
Nun trat Vizebürgermeister Püchler und Soldatenrat
Hübl zu den Stehparterre, wo die „Demonstranten“ waren,
und nannte diese deutschnationale Politiker „Lausbuben“
und „Rotzbuben“ Auch verlangte er von den Polizei¬
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organen die Durchsuchung der Burschen nach Pfeiserln.
Heute um 9 Uhr vormittags wurde an sämtlichen fünf

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Mittelschulen der Unterricht eingestellt und die Schüler
zogen
in den
des
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Gymnasiums,
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sich auch der Lehrkörper sämtlicher Anstalten
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eingefunden hätte. Hier wurde nun eine Protestver¬
E
sammlung abgehalten, bei der ein Universitätsstudent erklärte,
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daß sich durch das Vorgehen des Vizebürgermeisters die ge¬
*
sarite „Studentenschaft“ betrofsen fühle und deshalb durch
einen eintägigen Streik dagegen protestiere, um der Ueber¬
zeugung Ausdruck zu geben, daß sie sich nicht terrorisieren
lassen werde. Auch die Professoren hielten Ansprachen.
Ob die Herren Professoren gesagt haben, daß es den Schülern
nicht zukommt, dem Theaterausschuß vorzuschreiben, was er
nicht spielen lassen dürfe, wird von der den zügendlichen
„Demonstranten“ sehr freundlichen Korrespondeng Weiß nicht
gemeldet.

archisten, Reaktionäre, Lausbuben!“ Einem
18jährigen Studenten soll der Vizebürgermeister
nach Aussage der Studenten eine Ohrfeige ver¬
setzt heben.
Gestorn um 9 Uhr vormittags wurde an

samtlichen fünf Mittelschulen der Unterricht ein¬
gestellt, und die Studentenschaft zog demonstrativ

Der Theaterstandal
in den Festsaal des Gymnasiums, wo sich
auch der Lehrkörper sämtlicher Anstalten ein¬
in Wiener=Neustadt.
gefunden hatte. Dort wurde nun eine Protest¬
Die Vorsälle, die sich während der vor¬
versammlung abgehalten, bei der Stud. phil.
or
gestrigen Aufführung von Schnitters iralen
Kukertz namens der Studenkenschaft erklärte,
Vernhardi“ im hiesigen Stadttyeater abspelten;
daß sich durch das Vorgehen des Vigebünger- 4
hatten gestern einen Streik der gesamten Stu¬
meisters Rüchler die gesamte Studentenschaft be¬
dentenschaft der hiesigen Mittelschule zur Folge
troffen fühle und deshalb durch einen ein¬
als Demonstration gegen die den Studenten
tägigen Streik dagegen protestiere, um der
seitens des Vizebürgermeisters und Obmannes
Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß sie sich
des Theaterkomitees Püchler zugefügten Be¬
nicht tervorisieren lassen werde. Auch die Pro¬
leidigungen.
fessoren hielten Ansprachen, wirkten jedoch auf
Die Skandalszene setzte ein, als der Dar¬
die Studenten beruhigend ein.
steller des Prof. Vernhardi, Herr Paulmann,
Nach der Versammlung gingen die Stu¬
die Worte „Nieder mit den Jnden!“ ausrief,
denten ruhig nach Hause.
welcher Ruf von den im Stehparlerre und auf
den Galerien anwesenden Studenten wiederholt
wurde Nun trat Vizebürgermeister Püchler mit
Soldatenrat Hilbl aus dem Parkelt zu der das
Stehparterre abschließenden Barriere und apo¬
strophierte die dort #wesenden Studenten mit
den Worten „Lausbuhen“ und „Rotzbuben“
Auch verlangte er an den Polizeiorganen die
Arretierung sämtlicher Studenten und ihre
Durchsuchung nach Pfeiferln. Es entspann sich
eine erregte Auseinandersetzung, in die auch
unter anderem Retakteur Dr. Thurner be¬
schwichtigend eingriff. Vizebürgermeister Püchler
bezeichnete Dr. Thurner als Anstifter, wogegen
dieser entschieden protestierte.
Als dann die Studenten zum Rathaus
zogen, um sich nach dem Schical ihrer verhaf¬
teten Kollegen zu erkundigen, folgte ihnen Vize¬
bürgermeister Büchler mit einer Schar Sezial¬
demokraten und rief den Studenten zu: „Mon- 1
Der Morgen Wien
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