II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 525

Vertreter vorsprechen werden, mit dem An¬
suchen, den Unterricht für einen Protest= und
Sympathiestreik für die oberen Klassen frei¬
zugeben. Dr Schön erklärte, er werde sich mit
den beiden Direktionen ins Einvernehmen setzen,
riet aber von einem Streike ab, sagte für den
Fall des Einverständnisses mit den beiden
anderen Direktionen den Festsaal zu, um die
Schüler nicht in ein öffentliches Lokal zu
zwingen, sie besser überwachen und vor unüber¬
legtem Tun zurückhalten zu können Er ersuchte,
dem Unterrichte nicht fern zu bleiben und die
Versammlung auf den Nachmittag zu verlegen.
Der Unterricht im Untergymnasium müsse un¬
bedingt aufrecht erhalten bleiben Schließlich
wurde die Abhaltung der Versammlung um
12 Uhr mittags vereinbart, vorbehaltlich der
Zustimmung der beiden anderen Mittelschulen.
Nach seiner Unterrichtsstunde (8 bis 9) erfuhr der
Leiter Dr. Schön, daß der größere Teil des
Lehrkörpers von den Vorfällen bereits in
Kenntnis gesetzt sei. Gegen 11 Uhr hatte er
eine Besprechung mit dem Direktor der Real¬
schule, der bereits von dem unliebsamen Er¬
eignisse gehört hatte, aber vonseiten der Schüler
seiner Anstalt noch keinen genauen Bericht hatte.
Bei der nachmittägigen Besprechung der Schüler
konnte der Vorschlag des Leiters Dr. Schön
nicht durchgesetzt werden. Die Vertreter der
beiden anderen Mittelschulen erklärten, mit
Zustimmung ihrer Direktionen Freitag 9 Uhr
ruc
Dr. Beirer wies auch mit Nachdruck
die Demonstration als reaktionären Putsch zu
bezeichnen, und protestierte gegen die Benennung
der Schüler und Professoren als Monarchisten
und Reaktionäre. Hierauf sprachen die Schüler
vertreter der Realschule und des Lehrerseminars,
im Namen der Hochschüler Ing. Leister.
Die Redner versicherten sich gegenseitiger Soli¬
darität, forderten Genugtnung für die angetanen
Beschimpfungen und Mißhandlung und hoben
hervor, daß sie deutschfühlende Schüler seien
und bleiben werden. Nun richtete der Leiter
der Versammlung an die anwesenden Professoren
die Aufforderung, zu ihren Schülern zu sprechen,
und ersuchte namentlich Dr. Schön, das Wort
zu ergreifen. Dieser kam der Aufforderung nach.
Anknüpfend an die Vorredner, betonte er, daß
die Schüler an ihm und an den Professoren
deutschfühlende Berater hätten, die
ihre Erregung wohl begreiflich fänden. Er sagte
ihnen zu, daß berechtigte Beschwerden von den
Lehrkörpern gerne geprüft würden, da sie aber
in dieser Aufregung zu einer sicheren Fassung
ihrer Beschwerden nicht kommen könnten, mögen
sie Vertreter aus ihrer Mitte wählen, um die
Beschwerden niederzuschreiben und ihren Lehr¬
körpern vorzulegen, denen sie vollkommenes
Vertrauen bei der Beurteilung entgegenbringen
könnten Er legt besonderes Gewicht darauf, die
für zu erbringen, ob und
Lem
Nr. 85.
von wem die Beschuldigungen erhoben wurden,
daß die Direktionen und Lehrkörper die An¬
stifter des Theaterskandals gewesen seien. Schlie߬
lich forderte er die versammelten Schüler auf,
die würdig verlaufene Versammlung mit dem
studentischen Weihelied zu schließen, ruhig nach
Hause zu gehen und sich jeder weiteren Kund¬
gebung zu enthalten. Er dankte noch dem
Prof. Dr. Beirer, der denselben Appell mit
warmen Worten in seiner Rede an die Schüler
gerichtet hatte.
Dr. Schön hat also nicht sofort nach
Dr. Beirer das Wort ergriffen, wie es in dem
genannten Artikel der „Gleichheit“ heißt. Er hat
auch keine Frage gestellt, den Vizebürgermeister
Püchler betreffend. Es entstand also auch keine
Pause, nach der er seine Hetzrede auf die Juden
und die jüdische Regierung fortsetzte. Von Juden
und jüdischer Regierung ist von ihm kein Wort
gesprochen worden. Seine sogenannte Hetzrede
hatte den ruhigen Abschluß der Versammlung
zur Folge. Es sprach nur noch der zum Worte
gemeldete Pros. Gidaly, der die Schüler auf.
forderte, nach der Versammlung wieder die
Schule zu besuchen, was abgelehnt wurde.
Nach einigen Bemerkungen des Leiters der
Versammlung, daß die Vertreter der Mittel¬
schüler der Anregung des Prof. Dr. Schön ent¬
sprechend nachmittags ein Beschwerdeprotokoll
abfassen werden, das den Direktionen zu über¬
reichen sei, wurde die Versammlung mit der
Absingung der ersten und letzten Strophe des
studentischen Weiheliedes geschlossen. Die Schüler
entfernten sich in der 10 Uhr=Pause in Ruhe
und Ordnung aus dem Gymnasium. Die Ver¬
sammlung hat etwa 50 Minuten gedauert.
3. LAbg. Dr. Beirer und Prof. Dr. Schön
führten nach Schluß der Versammlung im
Vordergrunde des Festsaales noch ein längeres
Gespräch, das einen Wunsch der Wähler des
Abgeordneten betraf. Als sie auf den Gang
traten, war das Gymnasium von den ver¬
sammelten Schülern bereits verlassen. Herr
Dr. Beirer, dessen Sahn
K