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25 Bernhand
Nach der Aufführung des „Professor
Bernhardi“ Aus Wiener=Neustadt wird
uns berichtet: Vor dem Strafrichter des Bezirks¬
gerichtes Dr. Schabauet hatte sich der sozial¬
demokratische Vizebürgermeister Püchler wegen
leichter Körperverletzung zu verantworten.“ Im
Oktober vorigen Jahres war es im hiesigen Stadt¬
theater anläßlich der Aufführung von Schnitzlers
„Professor Bernhardi“
zu Demonstrationen ge¬
kommen, wobei einige Mittelschüler verhaftet wurden.
Noch der Vorstellung zogen etwa hundert Demon¬
„skranten vor die Sicherheitswachstube im Rathause
und verlangten die Freilassung der Verhafteten.
Hiebei versetzte Vizebürgermeister Püchler dem
16jährigen Mittelschüler Leiß eine derartige Ohr¬
feige, daß er eine Verletzung des Trommelfelles erlitt.
Der Beschuldigte verantwortete sich dahin, daß er
über das Benehmen der jungen Leute, welche auch
Zettel mit der Inschrift „Hinaus mit den Juden“
austeilten, sehr erbost geweien sei.
Der Saal war mit Parteigenossen des Ange¬
klagten beinahe gefüllt. Einem Antrage des Ver¬
treters des Privatbeteiligen Abgeordneten Doktor
Walter Riehl, ein anderes Gericht zu delegieren,
weil der Richter unter dem Einflusse des Audi¬
e
loriums in seinen Entschließungen nicht frei sein
könne, wurde nicht stattgegeben. Bewegung rief dies a
Nitteilung des Verteidigers Dr. Viktor Dworzak
ervor, daß Dr. Riehl in einer Eingabe an das
v
berlandesgericht um Delegierung eines anderen?
erichtes angesucht habe, mit der Begründung,
as hiesige Gericht werde sich in diesem Falle dem
Zinflusse der Straße nicht entziehen können und
licht den Mut aufbringen, den Vizebürgermeister
Zuchler zu bestrafen. Das Bezirksgericht er¬
viderte diese Eingabe mit der Erklarung, daß es
iese unerhörte Zumutung mit Entrüstung zurück¬
veise. Als Dr. Riehl in seinen Ausführungen
segen die sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit
lusfälle machie und bemerkte, daß dieses Vorgehen
des Vizebürgermeisters auf der Straße die Menge
aufgereizt habe, erwiderte Püchler: „Wir haben in
Wiener=Neustadt die Ruhe und Ordnung in den
gefährlichsten Zeiten aufrechterhalten, und das Ver¬
dienst der Sozialdemokraten ist es, wenn hier noch
kein Blut geflossen ist wie anderwärts; übrigens
waren Sie selbst in dieser Stadt einmal als Sozial¬
demokrat tätig.“
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Vorrh und Bug zu fagr
Mondien schweren Kexiers.
Auffühtun des#. Prösessor
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uns besschten Vor dem“ Strafrichter des Bezirks¬
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gerichtes Dr. Schabauer hatte sich der sozial¬
demokratische Vizebürgermeister Püchler wegen
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leichter Körperverletzung zu verantworten.
Oktober vorigen Jahres war es im hiesigen Stadt¬
M.
theater anläßlich der Aufführung von Schnitzlers
„Professor Bernhardi“ zu Demonstrationen ge¬
kommen, wobei einige Mittelichüler verhaftet wurden.
Nach der Vorstellung zogen etwa hundert Temon¬
stranten vor die Sicherheitswachstube im Rathause
und verlangten die Freilassung der Verhafteten.
Hiebei versetzte Vizedürgermeister Püchler dem
16jährigen Mittebchüler Leiß eine derartige Ohr¬
feige, daß er eine Verletzung des Trommelfelles erlitt.
Der Beichuldigte verantwortete sich dahin, daß er
über das Benehmen der jungen Leute, welche auch
Zettel mit der Inschrift „Hinaus mit den Juden“
austeilten, sehr erbost geweien sei
Der Saal war mit Parteigenessen des Ange¬
klagten beinahe gefüllt. Einem Antrage des Ver¬
treters des Privatbeteiligen Abgeordneten Doktor
Walter Riehl, ein anderes Gericht zu delegieren,
weil der Richter unter dem Einflusse des Audi¬
toriums in einen Eutschließungen nicht frei sein
könne, wurde nicht stattgegeben. Bewegung rief die
Mitteilung des Verteidigers Dr Viktor Dworzak
hervor, daß Dr. Riehl in einer Eingabe an das
Oberlandesgericht um Delegierung eines anderen
Gerichtes angesucht habe, mit der Begründung,
das hiesige Gericht werde sich in diesem Falle dem
Einflusse der Straße nicht entziehen können und
nicht den Mut aufbringen, den Vizebürgermeister
[Püchler zu bestrafen. Das Bezirksgericht er¬
widerte diese Eingabe mit der Erklärung, daß es
diese unerhörte Zumutung mit Entrüstung zurück¬
weise. Als Dr. Riehl in seinen Ausführungen
gegen die sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit
Ausfälle machte und bemerkte, daß dieses Vorgehen
des Vizebürgermeisters auf der Straße die Menge¬
aufgereizt habe, erwiderte Püchler: „Wir haben in
Wiener=Neustadt die Ruhe und Ordnung in den
gefährlichsten Zeiten aufrechterhalten, und das Ver¬
dienst der Sozialdemokraten ist es, wenn hier noch
kein Blut geflossen ist wie anderwärts; übrigens
waren Sie elbst in dieser Stadt einmal als Sozial¬
demokrat tätig.“
Vizebürgermeister Püchler wurde wegen
Uebertretung der leichten Körperverletzung zu
fünfhundert Kronen Geldstrafe, eventuell
[drei Tagen Arrest verurteilt. Ein zweites
Anklagefakum, dahingehend, daß Püchler, der Loko¬
motivführer ist, zurzeit der ungarischen Räteregierung
einen Lastenzug mit Kompensationsartikeln, auf den
die Grenzgendarmerie bei Katzelsderf, in der
Meinung, es handle sich um einen Munitions¬
schmuggel, geschossen hat, ohne bahnämtliche Siche¬
rung nach Ungarn geführt habe, wurde über Antrag
des Staatsanwaltes Dr. Nießlein ausge¬
schieden.
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Nach der Aufführung des „Professor
Bernhardi“ Aus Wiener=Neustadt wird
uns berichtet: Vor dem Strafrichter des Bezirks¬
gerichtes Dr. Schabauet hatte sich der sozial¬
demokratische Vizebürgermeister Püchler wegen
leichter Körperverletzung zu verantworten.“ Im
Oktober vorigen Jahres war es im hiesigen Stadt¬
theater anläßlich der Aufführung von Schnitzlers
„Professor Bernhardi“
zu Demonstrationen ge¬
kommen, wobei einige Mittelschüler verhaftet wurden.
Noch der Vorstellung zogen etwa hundert Demon¬
„skranten vor die Sicherheitswachstube im Rathause
und verlangten die Freilassung der Verhafteten.
Hiebei versetzte Vizebürgermeister Püchler dem
16jährigen Mittelschüler Leiß eine derartige Ohr¬
feige, daß er eine Verletzung des Trommelfelles erlitt.
Der Beschuldigte verantwortete sich dahin, daß er
über das Benehmen der jungen Leute, welche auch
Zettel mit der Inschrift „Hinaus mit den Juden“
austeilten, sehr erbost geweien sei.
Der Saal war mit Parteigenossen des Ange¬
klagten beinahe gefüllt. Einem Antrage des Ver¬
treters des Privatbeteiligen Abgeordneten Doktor
Walter Riehl, ein anderes Gericht zu delegieren,
weil der Richter unter dem Einflusse des Audi¬
e
loriums in seinen Entschließungen nicht frei sein
könne, wurde nicht stattgegeben. Bewegung rief dies a
Nitteilung des Verteidigers Dr. Viktor Dworzak
ervor, daß Dr. Riehl in einer Eingabe an das
v
berlandesgericht um Delegierung eines anderen?
erichtes angesucht habe, mit der Begründung,
as hiesige Gericht werde sich in diesem Falle dem
Zinflusse der Straße nicht entziehen können und
licht den Mut aufbringen, den Vizebürgermeister
Zuchler zu bestrafen. Das Bezirksgericht er¬
viderte diese Eingabe mit der Erklarung, daß es
iese unerhörte Zumutung mit Entrüstung zurück¬
veise. Als Dr. Riehl in seinen Ausführungen
segen die sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit
lusfälle machie und bemerkte, daß dieses Vorgehen
des Vizebürgermeisters auf der Straße die Menge
aufgereizt habe, erwiderte Püchler: „Wir haben in
Wiener=Neustadt die Ruhe und Ordnung in den
gefährlichsten Zeiten aufrechterhalten, und das Ver¬
dienst der Sozialdemokraten ist es, wenn hier noch
kein Blut geflossen ist wie anderwärts; übrigens
waren Sie selbst in dieser Stadt einmal als Sozial¬
demokrat tätig.“
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demokratische Vizebürgermeister Püchler wegen
„m.
leichter Körperverletzung zu verantworten.
Oktober vorigen Jahres war es im hiesigen Stadt¬
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theater anläßlich der Aufführung von Schnitzlers
„Professor Bernhardi“ zu Demonstrationen ge¬
kommen, wobei einige Mittelichüler verhaftet wurden.
Nach der Vorstellung zogen etwa hundert Temon¬
stranten vor die Sicherheitswachstube im Rathause
und verlangten die Freilassung der Verhafteten.
Hiebei versetzte Vizedürgermeister Püchler dem
16jährigen Mittebchüler Leiß eine derartige Ohr¬
feige, daß er eine Verletzung des Trommelfelles erlitt.
Der Beichuldigte verantwortete sich dahin, daß er
über das Benehmen der jungen Leute, welche auch
Zettel mit der Inschrift „Hinaus mit den Juden“
austeilten, sehr erbost geweien sei
Der Saal war mit Parteigenessen des Ange¬
klagten beinahe gefüllt. Einem Antrage des Ver¬
treters des Privatbeteiligen Abgeordneten Doktor
Walter Riehl, ein anderes Gericht zu delegieren,
weil der Richter unter dem Einflusse des Audi¬
toriums in einen Eutschließungen nicht frei sein
könne, wurde nicht stattgegeben. Bewegung rief die
Mitteilung des Verteidigers Dr Viktor Dworzak
hervor, daß Dr. Riehl in einer Eingabe an das
Oberlandesgericht um Delegierung eines anderen
Gerichtes angesucht habe, mit der Begründung,
das hiesige Gericht werde sich in diesem Falle dem
Einflusse der Straße nicht entziehen können und
nicht den Mut aufbringen, den Vizebürgermeister
[Püchler zu bestrafen. Das Bezirksgericht er¬
widerte diese Eingabe mit der Erklärung, daß es
diese unerhörte Zumutung mit Entrüstung zurück¬
weise. Als Dr. Riehl in seinen Ausführungen
gegen die sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit
Ausfälle machte und bemerkte, daß dieses Vorgehen
des Vizebürgermeisters auf der Straße die Menge¬
aufgereizt habe, erwiderte Püchler: „Wir haben in
Wiener=Neustadt die Ruhe und Ordnung in den
gefährlichsten Zeiten aufrechterhalten, und das Ver¬
dienst der Sozialdemokraten ist es, wenn hier noch
kein Blut geflossen ist wie anderwärts; übrigens
waren Sie elbst in dieser Stadt einmal als Sozial¬
demokrat tätig.“
Vizebürgermeister Püchler wurde wegen
Uebertretung der leichten Körperverletzung zu
fünfhundert Kronen Geldstrafe, eventuell
[drei Tagen Arrest verurteilt. Ein zweites
Anklagefakum, dahingehend, daß Püchler, der Loko¬
motivführer ist, zurzeit der ungarischen Räteregierung
einen Lastenzug mit Kompensationsartikeln, auf den
die Grenzgendarmerie bei Katzelsderf, in der
Meinung, es handle sich um einen Munitions¬
schmuggel, geschossen hat, ohne bahnämtliche Siche¬
rung nach Ungarn geführt habe, wurde über Antrag
des Staatsanwaltes Dr. Nießlein ausge¬
schieden.
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