II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 531

box 31/3
25 Professor Bernhandi
Angeklagte mit solcher Kraft gebremst hate, dus
sich das Auto im Halbkreise herumagrht habe,
doch konnte der Zusammenstoß nich mehr ver¬
hindert werden. — Der Richter z#rteilte Johann
Zecher unter Anwendung d##ußerordentlichen
Milderungsrechtes zu drei „Monaten strengen
3 JIN 1920
Axrests.
Ein Nachspiel zugeTheaterlhandal in Wiener¬
Neugadt.
Dergageklagte Vizebürgermeister.
###s Wiener=Neustadt wird uns
berchte: Vor dem Strafrichter des hiesigen Be¬
zirksgerichtes Dr. Schabauer hatte sich der hiesige
sozialdemolratische Vizebürgermeister Püchler
wegen Uebertretung der leichten Körperverietzung
zu verantworten. Im Oktober v. J. war es im
hiesigen Stadttheater anläßlich der Aufführung von
Schnitzlers-„Professor Bernhardi“ zu antisemitischen!
Tenonstrationen gekommen, wobei einige Mittel¬
schüler verhaftet wurden. Nach der Vorstellung
zogen etwa hundert Demonstranten vor die Sicher¬
heitswachstube im Rathause und verlangten die
Freigabe der Verhaftelen. Hiebei versetzte Vize¬
bürgermeister Püchter dem 16jährigen Mittelschüler
Leiß eine derartige Oyrseige, daß er eine Ver¬
letzung des Trommelselles erlitt. Der Beschuldigte
verantworlete sich dahin, daß er über das Be¬
nehmen der Mittelschüler, welche auch Zettel mit
der Iuschrift „Hinaus mit den Juden“ austeilten,
sehr erbost gewesen und provoziert worden sei.
Einem Antrage des Vertreters des Privatbetei¬
tigten Abgeordneten Dr. Walter Riehl, die Ver¬
handlung zu vertagen und ein anderes Ge¬
richt zu delegieren, weil der Richter unter dem
Einfluß des Auditoriums in seinen Entschließungen
nicht frei sein könne, wurde nicht staigegeben.
Verleidiger Dr. Viktor Dworzat teilte
mit, daß Dr. Riehl in einer Eingabe an das
Oberiandesgericht um Delegierung eines anderen
Gerichtes angesucht habe, mit der Begründung, das
hiesige Gericht werde sich in diesem Falle dem Ein¬
früsse der Straße nicht eutziehen können. Das
hiesige Bezirkggericht erwiderte diese Eingabe mit
der Erklätung, daß es diese unerhörte Zumutung
mit Entrüstung zurückweise.
Als Dr. Riehl in seinen Ausführungen
gegen die sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit
Ausfalle machte und bemerkte, daß dieses Vor¬
gehen des Vizebürgermeistels auf der Straße die
Menge aufgereizt habe, erwiderte Püchier: „Wir
haben in Wiener=Neustadt die Ruhe und Ordnung
in den gefährlichsten Zeiten aufrechterhalten und das
Verdienst der Sozialdemokraten ist es, wenn hier
noch kein Blut geflossen ist, wie anderwärts. Hin¬
gegen haben Sie, Herr Doktor, erst gestern die
er
Leute auf die Straße geführt und gehetzt
spielte auf die antisemitischen Demonstrationen vor
übrigens waren

dem Wiener Rathause an
Sie selbst in dieser Stadt einmal als Sozial¬
demotrat tätig und sind somit ein politischer Urber¬
läuser.“ (Bewegung im Auditorium.)
Vizebürgermeister Püchler wurde wegen Ueber¬
tretung der leichten Körperverletzung zu fünf¬
hundert Kronen Geldstrafe verurteilt.