box 31/3
25 Professer Bernhandi
Stadttheater Leitmeritz.
□
Professor Bernhardi. (Schluß). So ist
das Drama die Tragödie des anständigen Mannes,
der, wie ihm der waschlappige, zu jedem Seelenhandei
bereite Hofrat Dr. Winkler versichert, vor dem Abend
im Kerker sitzen muß, weil er den ganzen Tag das
Richtige tut. Bernhardi ist kein Tendenzheid, er sucht
keine Gegensätze, sondern die Gegensätze suchen ihn
und finden ihn, weil er es wagt, anders zu sein
als andere. Seine einzige Schuld ist die des lauteren
Tharalters, der im alten Oesterreich in der einflu߬
reichen, öffentlichen Stellung, die er einnimmt, einfach
nicht bestehen konnte. Seine Lauterkeit in keine selbst¬
gefällige Pose, sondern ist bei seiner seinen, angeborenen
und angearbeiteten Herzenskultur in ihm fast unbewußt
wirksam, ist ihm so selbstverständlich, daß er gar nicht
begreift, wieso andere anders sein können als er. So
ist mit ihm — gleich Parcifal — das Symbol des
reinen Toren lebendig geworden, nur übersetzt in mo¬
dernes Gefühlsleben und in den Widerstreit moderner
Geisteskräfte. Bernhardi steht über der Parteien kurz¬
atmigen Tagesinteressen und über den konstruierten
Sophiemen geistiger Gegensätze. Selbst durch und
durch Mensch — und das ist ja das Endziel seellscher
Voilkommenheit — sucht er keine Anhänger, sondern
nur Menschen, findet sie auch zu seiner größten Freude,
die sich — gerade gegenüber dem Priester — bis
zur Ergrifsenheit steigert, und achtet sie als solche,
ganz unbekümmert, wenn ihre Weltanschauung gar
keine Berührungspunkte mit seiner eigenen bietet. Es
ist ergreifend, in dem fesselnden Dialoge zwischen Bern¬
hardi und Reder, zwischen Arzt und Priester, zu ver¬
folgen, wie diese beiden gegensätzlichen Pole in einer
Art unterbewußter Ahnung ihres gegenseitigen Wertes
einander suchen, anziehen, wie rasch sie über die Ge¬
gensätze der Weltanschauung, für deren Repräsenkanten
man sie nur bei flüchtiger Betrachtung halten kann,
emporwachsen und zur Erkenntnis des vollwertigen
Menschentums in dem anderen gelangen, die sie zwingt,
als Freunde mit ehrlichem Händedruck von einander
zu scheiden; dieses Sichfinden ist für Bernhardi der
schönste Lohn für alle erlittenen Widerwärtigkeiten.
Gerade diese wichtige Szene ist der besie Beweis für
Bernhardis Uninteressiertheit an niederen Gegensätzen
zu einem Glauben, zur katholischen Kirche. Und mit
Bernhardi iventificiert sich in diesem Sinne der Autor.
Dazu, das Drama zu einem Tendenzdrama gegen die
katholische Kirche zu stempeln, wird eine kurzsichtige
Zensur und oberflächliche Kritik nur durch die Männer
verleitet, die sich um Bernhardi reihen, die ihn alle
nicht verstehen und glauben, ihm anzuhängen, wenn
sie sich in geistigen Interessenstreit mit seinen Wider¬
sachern verbeißen. Daß diese Männer nur Milien¬
sind, nur da sind, um Bernhardis große Distanz von
ihnen gerade erst sinnfällig zu machen, hat diese
Kritik ganz außer acht gelassen. Auch keine Verherrli¬
chung des Judentums ist das Drama, denn Bernhardi
ist nur der Geburt nach Jude, sonst nichts als Mensch.
Wollte Schnitzler das Judentum verherrlichen, dürfte
#r die Juden unter Bernhardis Kollegen nicht als so
fragwürdige Ehrenmänner hinstellen, wie er es tut.
Mit ihnen hat Vernhardi, wenn sie nicht seinem Men¬
schentum nachstreben, ebensowenig zu tun, wie mit
Angehörigen onderer Konfessionen. So bleiben nur
noch Schnitzlers Streiflichter auf Oesterreichs Art, Po¬
litik zu treiben, welche die Zensur zu ihrem Vervot
veranlassen kynnte, womit sie nur Bernhardis-Schnitz¬
lers Behauptung, daß in Oesterreich jede soeelle Frage
auf das politische Gebiet abgedrängt werde, bestätigt
hat. Der Autor identifiziert sich in seinem Drama
ganz mil Bernhardi, der seine Vorläufer in Lessings
„Nathan“ und G. Hauptmanns „Der Narr in Christo
Emanuel Quint“ gefunden hat. Wie Bernhardi will
Schnitzler nichts, als die Ahnung von einem schöneren
Zulunftsmenschentum vermitteln das in der Ver#chm##
25 Professer Bernhandi
Stadttheater Leitmeritz.
□
Professor Bernhardi. (Schluß). So ist
das Drama die Tragödie des anständigen Mannes,
der, wie ihm der waschlappige, zu jedem Seelenhandei
bereite Hofrat Dr. Winkler versichert, vor dem Abend
im Kerker sitzen muß, weil er den ganzen Tag das
Richtige tut. Bernhardi ist kein Tendenzheid, er sucht
keine Gegensätze, sondern die Gegensätze suchen ihn
und finden ihn, weil er es wagt, anders zu sein
als andere. Seine einzige Schuld ist die des lauteren
Tharalters, der im alten Oesterreich in der einflu߬
reichen, öffentlichen Stellung, die er einnimmt, einfach
nicht bestehen konnte. Seine Lauterkeit in keine selbst¬
gefällige Pose, sondern ist bei seiner seinen, angeborenen
und angearbeiteten Herzenskultur in ihm fast unbewußt
wirksam, ist ihm so selbstverständlich, daß er gar nicht
begreift, wieso andere anders sein können als er. So
ist mit ihm — gleich Parcifal — das Symbol des
reinen Toren lebendig geworden, nur übersetzt in mo¬
dernes Gefühlsleben und in den Widerstreit moderner
Geisteskräfte. Bernhardi steht über der Parteien kurz¬
atmigen Tagesinteressen und über den konstruierten
Sophiemen geistiger Gegensätze. Selbst durch und
durch Mensch — und das ist ja das Endziel seellscher
Voilkommenheit — sucht er keine Anhänger, sondern
nur Menschen, findet sie auch zu seiner größten Freude,
die sich — gerade gegenüber dem Priester — bis
zur Ergrifsenheit steigert, und achtet sie als solche,
ganz unbekümmert, wenn ihre Weltanschauung gar
keine Berührungspunkte mit seiner eigenen bietet. Es
ist ergreifend, in dem fesselnden Dialoge zwischen Bern¬
hardi und Reder, zwischen Arzt und Priester, zu ver¬
folgen, wie diese beiden gegensätzlichen Pole in einer
Art unterbewußter Ahnung ihres gegenseitigen Wertes
einander suchen, anziehen, wie rasch sie über die Ge¬
gensätze der Weltanschauung, für deren Repräsenkanten
man sie nur bei flüchtiger Betrachtung halten kann,
emporwachsen und zur Erkenntnis des vollwertigen
Menschentums in dem anderen gelangen, die sie zwingt,
als Freunde mit ehrlichem Händedruck von einander
zu scheiden; dieses Sichfinden ist für Bernhardi der
schönste Lohn für alle erlittenen Widerwärtigkeiten.
Gerade diese wichtige Szene ist der besie Beweis für
Bernhardis Uninteressiertheit an niederen Gegensätzen
zu einem Glauben, zur katholischen Kirche. Und mit
Bernhardi iventificiert sich in diesem Sinne der Autor.
Dazu, das Drama zu einem Tendenzdrama gegen die
katholische Kirche zu stempeln, wird eine kurzsichtige
Zensur und oberflächliche Kritik nur durch die Männer
verleitet, die sich um Bernhardi reihen, die ihn alle
nicht verstehen und glauben, ihm anzuhängen, wenn
sie sich in geistigen Interessenstreit mit seinen Wider¬
sachern verbeißen. Daß diese Männer nur Milien¬
sind, nur da sind, um Bernhardis große Distanz von
ihnen gerade erst sinnfällig zu machen, hat diese
Kritik ganz außer acht gelassen. Auch keine Verherrli¬
chung des Judentums ist das Drama, denn Bernhardi
ist nur der Geburt nach Jude, sonst nichts als Mensch.
Wollte Schnitzler das Judentum verherrlichen, dürfte
#r die Juden unter Bernhardis Kollegen nicht als so
fragwürdige Ehrenmänner hinstellen, wie er es tut.
Mit ihnen hat Vernhardi, wenn sie nicht seinem Men¬
schentum nachstreben, ebensowenig zu tun, wie mit
Angehörigen onderer Konfessionen. So bleiben nur
noch Schnitzlers Streiflichter auf Oesterreichs Art, Po¬
litik zu treiben, welche die Zensur zu ihrem Vervot
veranlassen kynnte, womit sie nur Bernhardis-Schnitz¬
lers Behauptung, daß in Oesterreich jede soeelle Frage
auf das politische Gebiet abgedrängt werde, bestätigt
hat. Der Autor identifiziert sich in seinem Drama
ganz mil Bernhardi, der seine Vorläufer in Lessings
„Nathan“ und G. Hauptmanns „Der Narr in Christo
Emanuel Quint“ gefunden hat. Wie Bernhardi will
Schnitzler nichts, als die Ahnung von einem schöneren
Zulunftsmenschentum vermitteln das in der Ver#chm##