II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 539

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25 Professer Bernhandi
sei. Der Priesler macht dem Direktor Vor¬
würse und auch die Haltung der übrigen
Aerzteschaft ist eine geleilte: die arischen
Aerzle und selbst einige gelausle und un¬
gelauste Juden sind gegen die Handlungs¬
weise des Professors, zwei jüdische Aerzle
nehmen jedoch in entschiedener Weise für
ihn Stellung und schimpfen über die „Kie¬
rikalen“ und Anlisemiten, die als Gesindel
bezeichnet werden.
Das Vorgehen des Professors Bern¬
hardi wird auch in weiteren Kreisen ruch¬
bar und hat sowohl für ihn als auch für
die Krankenanstalt weiltragende Folgen.
Die Fürstin Stixenstein legt das Protekkorat
über den Ball zu Gunsten des „Elisabethi¬
nums“ nieder, das Kuralorium dankt ab
und der Besland des Prioalkrankenhauses
erscheint gefährdet, im Abgeordnetenhause
wird diesbezüglich eine Interpellation ein¬
gebracht, der Staalsanwalt leitet gegen
Professor Bernhardi die Unkersuchung wegen
Religionsslörung ein und derselbe wird auch
laisächlich zu 2 Monalen Gefängnis verur¬
teilt. Schließlich kündigt ihm auch seine
Wirtschafterin und zwar auf Veranlassung
ahres Beichtvaters die Stelle.
Am selben Tage nach dem Prozesse
Sat
erscheint der oberwähnke Priester in der
Wohnung des Prof ssors Bernhardi und
Iube
teilt ihm mit, er müsse sein Gewissen er¬
leichtern und ihm gestehen, daß er den
Standpunkt desselben in der genannten
Se
Asseite für richtig halte. Auf die Einwen¬

dung des Arztes, das hälte er als Zeuge
bei der Gerichtsverhandlung vorbringen
„Professor Bernhardi“. Komödie in
sollen, da es von ausschlaggebender Wir¬
5 Abten von Ariar Schnlßler.Dem Stück
kung auf deren Ausgang gewesen wäre,
ging die große Rekläme voraus, daß es
erwidert der Geistliche, er habe sich nicht
in Allösterreich von der Zensur verholen
gelraut, da ihm dies in kirchlichen Kreisen
war. Wahrlich nicht mit Unrecht, denn es
übel genommen worden wäre; „Golk habe
ist dies em Tendenzstück schlimmssee Sorle.
ihm die Zeugenaussage in den Mund ge¬
Die republikanische „Freiheil“ hal ihm zum
legt“, worauf der Professor entgegnet: „Ihr!
Rampenlicht verholfen, während die Toges¬
Golt hat es Ihnen aber bequem gemacht.“
presse bekannllich in dieser Beziehung recht
Nun widerruft der Priester sein früheres
sliefmülterlich behandell wird. Dr. Schnitzler
Geständnis und wirft dem Professer vor,
ist ein jüdischer Arzt und hat die Handlung
daß der eigenlliche Grund, warum er ihm
des Stückes dem Milieu seines Standes
nicht aus Krankenbett der Sterbenden zu¬
eninommen. In dem Privatkrankenhause
gelassen habe, die Abneigung gegen seinen
„Elisabeihinum“ befindet sich ein sterbens¬
priesterlichen Stand und seine Religion sei,
krankes Mädchen, das einen operaliven
was der Professor nach einigen Ausflüchten
Eingriff an sich hatle vornehmen lassen, um
schließlich auch zugibt.
die Folgen eines Fehltriktes zu beseiligen.
Die Rolle des Priesters ist höchst un¬
Ein Priester will die Kranke mit Gott
aussöhnen und ihr die Sterbesakramente
Fücklich gekennzeichnel. Es war selbstver¬
reichen; der jüdische Direktor der Anstalt,
ständlich seine Pflicht, nachdem das Mädchen
dem Tode nahe war, für das Seelenheil
Professor Bernhardi, verwehrt jedoch dem
desselben besorgt zu sein. Das Gespräch
Geistlichen mit Gewalt den Zutritt zum
in der Wohnung Bernhardis und der
Krankenbette des Mädchens mit der Mo¬
sprunghofte Wechsei des Urteils über das
livierung, daß dasselbe zwar unreitbar ver¬
loren, sich aber dieses Justandes nicht be¬
Vorgehen desselben stellt ein psychologisches
Nälsel dar. Dem Arzt kann nie und nimmer
wußl sei und der Schreck über das Er¬
das Recht zugebilligt werden, aus scheinbar
scheinen des Priesters daher die Kalastrophe
zarter Rücksicht für einen Kranken und um
beschleunigen Könnte. (Der Verfasser scheint
ihm das Leben vielleicht um wenige Mi¬
offenbar die Zustände in Krankenhäusern
nulen oder Stunden zu verlängern, das
nach der Trennung der Kirche vom Staale
Seelenheil des letzieren in Frage zu stellen.
vorgeahnt zu haben.) Während der Debolle
Läßt ja doch der Verfasser selbst einem von
zwischen dem Priester und dem Professor
erscheint die weltliche Pflegeschwester und i den #erzlen sagen, daß die Spendung der
teilt mit, daß die Kranke bereits gestorben! Tröstungen der Religion oft auch eine un¬

geahnte Wirzung auf den leiblichen Ge¬
sundheilszustand des Kranken ausübl.
Die Handlung des Stückes bringt
aber noch eine Sensation. Nachdem Prof.
Bernhardi seine Strafe abgesessen, langt
beim Justizministerium eine Selbstanzeige
der eingangs erwähnten welllichen Kranken¬
pflegerin ein, die sich über Anraten des
Beichtoalers der falschen Zeugenaussage in
dem Prozesse beschuldigt. Sie habe als
Kronzeugin erklärt, daß Bernhardi den
Priester gesloßen habe, das sei aber nicht
richlig. Diese Episode zeigt jedoch eine
krasse Unkenntnis der Strasprozeßordnung,
denn der eigentliche Kronzeuge war ja der
Priester, der aber solches nicht behaupiet
hat. Der Verleidiger hätte sich diesen Um¬
stand gewiß zunuten gemacht.
Die einzelnen „Schlager“ in dem
Stücke, durchwegs antireligiöser Tendenz,
wurden von dem massenhaft erschienenen
Publisum teilweise mit demonstrativem
Beifall aufgenommen. Zur Charakteriftik
der Theaterbesucher auf den Stehplätzen
wäre zu bemerken, daß von dem besseren
Publikum die Mahnung an sie gerichtet
würde, sich anständig zu benehmen, da sie
hier nicht im Ziraus sind. Manche derben
Spässe, wie Rufe um Hilfe und nach der
Feuerwehr, hätten leicht eine folgenschwere
Panik zeitigen können.
Über das Spiel der Mitwirkenden ist
zu berichter, daß die vielen Aerzterollen
zumeist in guten Händen waren. Besonders
gab Herr Direktor Weninger in der Titel¬
rolle eine imposanle Gestalt ab. Auch der
Priester fand in Herrn Reinhold einen
würdigen Repräsentanten.
H. 5.—