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5 S C
Bernhardi
1IFEB. 19 1
TU
Stadttheater.
Professor Bernhardi. Auf zahlreiche
Anfragen aus dem Publikum, ob die Aufführung
des Schnitzlerschen Werkes auch für die Jugend
und namentlich für Mädchen geeignet ist, wird
mitgeteilt, daß das seinerzeitige Aufführungs¬
verbot nicht etwa aus gegen die Ethik verstoßen¬
den Gründen erfolgte, sondern nur, weil dem
Stücke von der Zensur eine andere Tendenz
zugeschoben wurde, welche Schnitzler aber nie
und niemals verfolgte. Arthur Schnitzler
hat mit diesem köstlichen Schattenspiel nur die
Zustände öffentlicher Anstalten im „guten Alt¬
Oesterreich“ beleuchten wollen. Professor Bern¬
hardi ist die Tragikomödie des anständigen
Mannes, und wird ihm ein stramm organisiertes,
„Hochwitz=Pointertum“, gegenübergestellt, eine
fein zusammenhaltende Gesellschaft von Brüderln
mit akademischen Graden. Die Gemeinheit in
allen Formen, die schlichte Gemeinheit, die be¬
gabte Gemeinheit, die nackte, uninteressante, nur
an sich selbst vergnügte, die unfähige und die
prachtvoll geistig maskierte treten Bernhardi
gegenüber und veranstalten das Kesseltreiben, von
dem ein Kandidat gemütvoll meint, es werde
dem Direktor das Genick brechen. Das Stück
entspringt aus einer Spitalsepisode, einer Situ¬
ation in der Bernhardi nur einfach das tut, was
inneres Gefühl und bestes Wissen erheischen.
Und darum ist der Brennpunkt des Stückes
nicht die Polarität des einen oder anderen
Glaubens, die Anlaß des Konfliktes bilden soll,
sondern die Polarität des anständigen Mannes
und der vielfältigen Gemeinheit, die sich gegen
ihn verbindet. Schnitzler ist im Bernhardi ein
strengerer und betrübterer Moralist als bisher.
box 31/3
AFERIS
tzer Zeitung
„Professor Bernhardi.“ Komödie in 5 Akten
von Arthur Schnitzler Die Direktion hat uns zu ihrem
###heiten nicht gerade ver¬
zihenen Schibee
wöhnt. Der große Erfolg der Schnitzlerschen Komödie
wird hoffentlich darin eine Wandlung schaffen. Professor
Bernhardi hat einem Pfarrer den Eintritt zu einer Kran¬
ken verwehrt, da diese knapp vor ihrem unausbleiblichen
Ende in dem Zustand der Euphorie, jenem glücklichen
Zustand völliger Ahnungslosigkeit und großer Hoff ungs¬
freudigkeit sich befindet und er in menschlicher Weise der
armen Kranken diesen letzten Gläckstrauin nicht stören
will. Die Kranke erschrickt, als sie ohne Wssen des Pro¬
fessors von der Schwester Ludmilla „schonend“ auf den
Besuch des Seelsorgers vorbereitet wird und stirbt, ohne
die Tröstungen der heiligen Religion empfangen zu haben.
Die Sache wird von politischen Parteien freudig aufge¬
griffen, aufgebauscht und geht — siehe Wahrmundaffäce —
den im alten Oesterreih beliebien Weg: Inlecpel###
##hritihen Ministers vor
#igen Partei und Verurteilung des Professors
auf Grund falscher Zeugenaussagen. Wird ihm auch die
Genuginung, daß der Pfarrer selbsi die Rechtlichkeit seines
Handelns anerkennt, daß sich die Zeugenaussage der Kran¬
kenschwester als falsch herausstellt, Prof. Bernhardi ver¬
zichtet auf eine Erneuerung des Prozesses versichtet auf
die Abrechnung mit dem Minister und findet, angeekelt
von den sozialen und politischen Verhältnissen, Trost in
seinem edlen Berufe, der leidenden Menschheit ein Retter
und Helfer zu sein. Professor Bernhardi ist kein Reformaior,
keine Kampfnatur wie Ludwigs Erbförster oder Kleists
Michael Kohlhaas, sondern er hat aus rein menschlichem
Gefühl gehaudelt und ist gern bereit, soweit es sich um
seiner Ehre verträgt, die unliebsame Geschichte aus dem
Wege zu schassen. Er will kein Märtycer sein und weißt
jede Verhindung mit einer Partei, die seinen „Fall“ für
ihre Zwecke ausnützen will, ab. Er ist der Mann, der
der Stimm= der Menschlichkeit folgt, wie der Pfareer
Reder der der Kirche. Und so kann von einem einsettigen
Tendenzstück nicht die Rede sein, denn auch der Gegenpartei
Twirdein dem Pfarrer, der kein Eiterer sondern ein demü¬
ger Sohn der Kirche ist, volles Recht. Der Kampf, den
Schnitzler führt, gilt nicht dem Glauben, sondern jenen
Dunkelmännern, die nach der Volksgunst haschen und ihre
Süppchen an dem entfachten Feuer kochen, jenen Dunkel¬
männern, dank denen, Alt=Oesterreich die Ehre hatten, in
der religiösen Freiheit mit Spanien zusammen an letzter
Stelle unter den Kulturstaaten Eurspas zu stehen. Der
Kampf gilt ferner jenen Kriechern und Neidern, die Partei
und Eigennutz vor Ehre und Menschlichkeit, vor Recht
und Wissenschaft stellen und über deren Gemeinheit der
schlichte, menschliche Professor himmelhoch emvorragt.
Herr Direktor Weninger als Spielletter hatte sich
alle Mühe gegeben, dem Werke eine gute Auffüh ung zu
sichern. Als Träger der Hauptrolle hat er das Einfache,
Schlichte im Wesen Bernhardis betont, der auch dann
die Ruhe bewahrt, wenn alle andern sich hinreißen lassen,
und nur selten in heiligen Zorn gerät. Auch die feine
Ironie, mit der er den Mizister Flint und so manchen
seiner „strebsamen“ Kollegen behandelt, kim zu ausge¬
zeichneter Wirkun, so daß diese Rolle sich würdig an die
früheren Prachtleistungen anschließt. Der Pfarrer des
Herrn Reinhold konnte sich mit dieser Darstellung
nicht messen. Besonders das Mienenspiel hätte ausdrucks¬
voller sein können. Herr Zechner hatte sich mit dem
Unterrichtsminister Dr. Flint recht viel Mühe gegeben,
ohne die nötige Wärme aufbringen zu können Auch die
„Divlomatenmaske“ war ihm nicht sonderlich gelungen.
Von den Professorengestalten find besonders hervorzuheben
der neidige, um Stellungen feilschende Dr. Ebenwald
(Herr Wipplinger), der wickere zu Bernhardi haltende
Dr. Cyprian (Herr Braun), der alte Achtundvier iger von
echtem Schrot und Korn Dr. Pflugfelder Herr Renner),
der Eiserer Dr. Löwenstein (Herr Henke), der abtrännige
Dr Schaumann (Herr v. Janko, der schillernde Dr. Adler
(Hrr Asper) und der recht erbärmliche Kanditat der Me¬
diz n (Herr Lenhart). Herr Hückler hatte bie undank¬
bare Rolle des Hofrats Winiler übernommen und brachte
namentlich die Schlußperiode zu ausgezeichneter Wirkung.
Die andern Darsteller traten nur wnis hervor, zeigten
aber mit wenigen Ausnahmen (Herr Waraschitz ein recht
gutes Zusammenspiel. Das bis auf das letzte Plätzchen
gefüllte Haus spendete namentlich im 3 Akte recht stür¬
mischen Beifall. Die Aufführung, die durch keinen M߬
ton gestört wurde, bildete ein kleines Ereignis Einige
Dr. A. H.
Wiederholungen sind dem Stücke sicher.
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Stadttheater.
Professor Bernhardi. Auf zahlreiche
Anfragen aus dem Publikum, ob die Aufführung
des Schnitzlerschen Werkes auch für die Jugend
und namentlich für Mädchen geeignet ist, wird
mitgeteilt, daß das seinerzeitige Aufführungs¬
verbot nicht etwa aus gegen die Ethik verstoßen¬
den Gründen erfolgte, sondern nur, weil dem
Stücke von der Zensur eine andere Tendenz
zugeschoben wurde, welche Schnitzler aber nie
und niemals verfolgte. Arthur Schnitzler
hat mit diesem köstlichen Schattenspiel nur die
Zustände öffentlicher Anstalten im „guten Alt¬
Oesterreich“ beleuchten wollen. Professor Bern¬
hardi ist die Tragikomödie des anständigen
Mannes, und wird ihm ein stramm organisiertes,
„Hochwitz=Pointertum“, gegenübergestellt, eine
fein zusammenhaltende Gesellschaft von Brüderln
mit akademischen Graden. Die Gemeinheit in
allen Formen, die schlichte Gemeinheit, die be¬
gabte Gemeinheit, die nackte, uninteressante, nur
an sich selbst vergnügte, die unfähige und die
prachtvoll geistig maskierte treten Bernhardi
gegenüber und veranstalten das Kesseltreiben, von
dem ein Kandidat gemütvoll meint, es werde
dem Direktor das Genick brechen. Das Stück
entspringt aus einer Spitalsepisode, einer Situ¬
ation in der Bernhardi nur einfach das tut, was
inneres Gefühl und bestes Wissen erheischen.
Und darum ist der Brennpunkt des Stückes
nicht die Polarität des einen oder anderen
Glaubens, die Anlaß des Konfliktes bilden soll,
sondern die Polarität des anständigen Mannes
und der vielfältigen Gemeinheit, die sich gegen
ihn verbindet. Schnitzler ist im Bernhardi ein
strengerer und betrübterer Moralist als bisher.
box 31/3
AFERIS
tzer Zeitung
„Professor Bernhardi.“ Komödie in 5 Akten
von Arthur Schnitzler Die Direktion hat uns zu ihrem
###heiten nicht gerade ver¬
zihenen Schibee
wöhnt. Der große Erfolg der Schnitzlerschen Komödie
wird hoffentlich darin eine Wandlung schaffen. Professor
Bernhardi hat einem Pfarrer den Eintritt zu einer Kran¬
ken verwehrt, da diese knapp vor ihrem unausbleiblichen
Ende in dem Zustand der Euphorie, jenem glücklichen
Zustand völliger Ahnungslosigkeit und großer Hoff ungs¬
freudigkeit sich befindet und er in menschlicher Weise der
armen Kranken diesen letzten Gläckstrauin nicht stören
will. Die Kranke erschrickt, als sie ohne Wssen des Pro¬
fessors von der Schwester Ludmilla „schonend“ auf den
Besuch des Seelsorgers vorbereitet wird und stirbt, ohne
die Tröstungen der heiligen Religion empfangen zu haben.
Die Sache wird von politischen Parteien freudig aufge¬
griffen, aufgebauscht und geht — siehe Wahrmundaffäce —
den im alten Oesterreih beliebien Weg: Inlecpel###
##hritihen Ministers vor
#igen Partei und Verurteilung des Professors
auf Grund falscher Zeugenaussagen. Wird ihm auch die
Genuginung, daß der Pfarrer selbsi die Rechtlichkeit seines
Handelns anerkennt, daß sich die Zeugenaussage der Kran¬
kenschwester als falsch herausstellt, Prof. Bernhardi ver¬
zichtet auf eine Erneuerung des Prozesses versichtet auf
die Abrechnung mit dem Minister und findet, angeekelt
von den sozialen und politischen Verhältnissen, Trost in
seinem edlen Berufe, der leidenden Menschheit ein Retter
und Helfer zu sein. Professor Bernhardi ist kein Reformaior,
keine Kampfnatur wie Ludwigs Erbförster oder Kleists
Michael Kohlhaas, sondern er hat aus rein menschlichem
Gefühl gehaudelt und ist gern bereit, soweit es sich um
seiner Ehre verträgt, die unliebsame Geschichte aus dem
Wege zu schassen. Er will kein Märtycer sein und weißt
jede Verhindung mit einer Partei, die seinen „Fall“ für
ihre Zwecke ausnützen will, ab. Er ist der Mann, der
der Stimm= der Menschlichkeit folgt, wie der Pfareer
Reder der der Kirche. Und so kann von einem einsettigen
Tendenzstück nicht die Rede sein, denn auch der Gegenpartei
Twirdein dem Pfarrer, der kein Eiterer sondern ein demü¬
ger Sohn der Kirche ist, volles Recht. Der Kampf, den
Schnitzler führt, gilt nicht dem Glauben, sondern jenen
Dunkelmännern, die nach der Volksgunst haschen und ihre
Süppchen an dem entfachten Feuer kochen, jenen Dunkel¬
männern, dank denen, Alt=Oesterreich die Ehre hatten, in
der religiösen Freiheit mit Spanien zusammen an letzter
Stelle unter den Kulturstaaten Eurspas zu stehen. Der
Kampf gilt ferner jenen Kriechern und Neidern, die Partei
und Eigennutz vor Ehre und Menschlichkeit, vor Recht
und Wissenschaft stellen und über deren Gemeinheit der
schlichte, menschliche Professor himmelhoch emvorragt.
Herr Direktor Weninger als Spielletter hatte sich
alle Mühe gegeben, dem Werke eine gute Auffüh ung zu
sichern. Als Träger der Hauptrolle hat er das Einfache,
Schlichte im Wesen Bernhardis betont, der auch dann
die Ruhe bewahrt, wenn alle andern sich hinreißen lassen,
und nur selten in heiligen Zorn gerät. Auch die feine
Ironie, mit der er den Mizister Flint und so manchen
seiner „strebsamen“ Kollegen behandelt, kim zu ausge¬
zeichneter Wirkun, so daß diese Rolle sich würdig an die
früheren Prachtleistungen anschließt. Der Pfarrer des
Herrn Reinhold konnte sich mit dieser Darstellung
nicht messen. Besonders das Mienenspiel hätte ausdrucks¬
voller sein können. Herr Zechner hatte sich mit dem
Unterrichtsminister Dr. Flint recht viel Mühe gegeben,
ohne die nötige Wärme aufbringen zu können Auch die
„Divlomatenmaske“ war ihm nicht sonderlich gelungen.
Von den Professorengestalten find besonders hervorzuheben
der neidige, um Stellungen feilschende Dr. Ebenwald
(Herr Wipplinger), der wickere zu Bernhardi haltende
Dr. Cyprian (Herr Braun), der alte Achtundvier iger von
echtem Schrot und Korn Dr. Pflugfelder Herr Renner),
der Eiserer Dr. Löwenstein (Herr Henke), der abtrännige
Dr Schaumann (Herr v. Janko, der schillernde Dr. Adler
(Hrr Asper) und der recht erbärmliche Kanditat der Me¬
diz n (Herr Lenhart). Herr Hückler hatte bie undank¬
bare Rolle des Hofrats Winiler übernommen und brachte
namentlich die Schlußperiode zu ausgezeichneter Wirkung.
Die andern Darsteller traten nur wnis hervor, zeigten
aber mit wenigen Ausnahmen (Herr Waraschitz ein recht
gutes Zusammenspiel. Das bis auf das letzte Plätzchen
gefüllte Haus spendete namentlich im 3 Akte recht stür¬
mischen Beifall. Die Aufführung, die durch keinen M߬
ton gestört wurde, bildete ein kleines Ereignis Einige
Dr. A. H.
Wiederholungen sind dem Stücke sicher.