II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 541

25 Prefessen-Bernhandl
Stadttheater.
„Professor Bernhardi.“ Komödie von Arthur
ler Im Pori####lebie die Komödie auf unserer
Vat##hesige Erstaufführung Schon damals und
spöter ist über das Für und Wider, über die Licht= und
Schattenseiten der Komödie viel, sehr viel geschrieben
worden. Im Vorjahre erregte die Auffährung allgemeines
Aufsehen; man lah die Leute im Theater, die zu den
seltensten Besuchern gehören. Die Begeisterung für Pro¬
fessor Bernhardi ist ganz gewiß etwas geschwunden, ein
Beweis daß auch viele einstige Sensationskomödie zu
einer Darbietung mütlerer Quolität herabsinken kann
Die Handlung selbst ist ein jetter Bissen für den ausge¬
reiften Mann der Gesellschaft, für den Philosophen, für
den Arzt, für dn Psychologen Die breiten Schichten
sehen in Professor Berahardi nur den Mann, der dem
Vriester den Weg zur Kranken verwehrt und dafür zwei
Monate einge perrt wird, daß aber in der Komödie ein
unendlich=s Kapital von Gesellschaftswissenschaft einge¬
schlossen ist, daß der Philosoph seine Prooleme entwick it,
daß hier sich Vorstellungen von geistigen Dingen ver¬
birden und trennen, das sieht nur ein kleiner Bruchteil
der Zuhörer. Es ist zu viel Abstraktes, welches da spricht.
Schnitzler nimmt den Gestalten den Körper und jagt zu¬
viel nach und mit Dingen, die man nicht sehen kann.
Die Darbietung selbst war wohl recht annehmbar, reicht
aber an die Erstauffährung der vergangenen Spielzei¬
Leitmeritzer Zeitung
19907 19
nicht heran. Einzelne Szenen waren mit recht viel Ehr¬
geiz durchgeführt, so z. B die Beratung der Aerzte des
Elisabethinums, die Szene Professor Bernhacdi und Do'ior
Ebenwald, Bernhardi und Priester. Huur Dieekior We¬
ninger war als Bernhardi wie aus ureigenem Guß,
der Ton seiner Sprache, die ganze Gestalt, jede einzel###
Bewegung spiegelten die ganze Kraft seines Willens. Ihm
am nächsten standen Herr v Janko als Dr Ebenwald,
Herr Renner als Dr. Pflugfelder und Herr Tragau:
als Unterrichtsminister Dr Flint. Mit extremem, ver¬
fehltem Pathos sprach Herr Reismann als Dr. Löwen¬
stein. Herr Reismann spricht und spielt am besten in
Rollen, wie Amandas, Waldschratt, also in Rollen, wo
er eine extreme, psychologische Siellung einnimmt. Frl.
Baldow, die verwaist als einzige Dame eine größere
Rolle führt, gab eine rechte, seelenvolle Krankenschwester.
Besondere Erwähnung verdient noch Herr Neff als
Pfarrer Reder und Herr Diestel in der undankbaren
Hofratsrolle. Heir Nesf war ganz von der Philosophie
seiner Rede erfaßt, er fand den richtigen Akzent. Die
langsame, bedächtige Sprechweise verriet die Acbeit des
Gedankens. Professor Bernhardi hatte als Neuheit viel
Aufsehen erregt, ob sich die Begeisterung erhält, das bleibt
R.
eine Frage der Zukunft.
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11131 137,
Prager Taabi¬
Stunden sind von jener Euphe
Professor Bernhardi.
perlichen und seelischen Glüch
die nur die blühendste Hoffnun
Damals, als Schnitzlers politische Komödie
danken an Todesnähe aufkomm
rschien und ihre-Aufführung ih Wien verboten
ohne das Sahament empfana
vurde, war sie ein aktuelles Stück; heute ist sie,
politisch gewertet, eine Reminiszenz. Ab und zu Professor wirk Objekt einer i
jat auch ein Dichter, dessen Eigentlichstes das Auf¬ Kuratorium di Anstalt demiss
spüren zarter Seelenstimmungen, das Sich=Versen- pellation soll im Parlament
er könnte sie hindern, wenn er
ken in die ewigen Rätsel der männlich-weiblichen
promiß bei des Derufung ein
Verflechtungen ist, das Verlangen, ein ganz
männliches, ein aller Erotik entkleidetes Stück zu verstünde. Erfflehnt ab, die 1
eingebracht. Der Unterrichtsm
schreiben; es wurde damals, als die Frau noch nicht
Vernhardis, mll den Profes
in die Politik eingetreten war, ein politisches
Sturm der Zyischenrufe knich
Drama und, da es ein österreichisches, ein Wiener
läßt Bernharkt fallen, die A
Drama war, eins, das seinen Konflikt aus dem
gionsstörung wird erhoben, die
Kulturkampf nahm. Die österreichischen „Fälle“
urteilen Bernhardi. Er sitzt sei
waren, wenn sie nicht die landesühliche nationale
um dann, in bürgerlichem
Färbung hatten, fast immer solche, in denen der
von mancher teuerworbenen
Aufklärer gegen den Gläubigen, der Atheist gegen
seinem Beruf zurückzukehren.
den Klerikalen, der Professor gegen den Pfarrer, ist selbstverstätzdlich und dart
der Jude gegen den Christen stand. Der Fa“
nur Komödie.
Wahrmund, der Fall Feilbogen: es war meist die
Der ironisch=wehmütige
gleiche Melodie. Auch der Fall Bernhardi, zu
dem Wiener Roman „Der W.
dessen Konstruktion es keiner dichterischen Phan¬
ches politisch=Pychologische
tasie bedurfte, ist ein wahrheitsgetreu erzähltes richtet sich hies auf das Innen
Kapitel aus der österreichischen Chronik, dieses
sorengruppe, deren Mitglieder
interssant-ärgerlichen Epos von Hinterhältigkei¬
ferpose gegenüberstehen. M
ten und Intriguen, von Verleumdungen und feigen Charakterbeobachtung haben eit
Persekutionen. Die Affäre dieses jüdischen Pro¬
schimmerndes Gemälde gescha
von Gesinnungen, vom Schur
fessors und Spitalsdirektors ist für jeden, der nur
ein paar Jahre Oesterreicher war, so selbstver¬
listen, vom Streber bis zum
ständlich, daß Entrüstung oder auch nur Verwun= Kollegium der Aerzte
derung das abgeschmackteste Gefühl wäre, mit dem alle Arten deutsch
man auf sie antworten könnte. Ein Professor geordnet nach#
hält den Pfarrer von der Türe des Krankenzim=Man findet hier
mers ab. in dem eine Sterbende liegt; ihre letzten Antisemiten, Anti