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25. PrBernhand
—
B. G. „Professor Bernhardi“ Komöbe¬
fünf Aften von Arthur AmRLen
Stück von so ausgeprägter Lendenz, daß ####n
dadurch von dem eigentlichen Zweck des Theate
zu weit entfernt. Nicht die Kunst. sondern nur die
Gefinnung ist es, die hier den Esfelt orzielt und
die Bühne zur Reonertribüne macht. Der Kern
punkt des Ganzen ist die Frage „Hat der be¬
handelnde Arzt das Recht, dem Priester den Zu¬
tritt zum Krankenhette zu verweigern, wenn ha¬
ZLOKT 1915
Volkstreund, Brünn,
Nr. 225
Brüns, Dienstag
umr#atertesncR
durch dem ahnungslosen Patienten die Hoffnung
auf Genesung erhalten bleibt und somit sein
Sterben ein leichteres wird?“ Professor Bernhardt,
Direktor des Elisabethinums, bejaht diese Frage
durch die Tat und die Folgen dieser Handlungs¬
weise köllen nun die nächsten vier Akte des Stückes,
denen der Zuhörer zwar mit äußeren Teilnahme,
doch ohne inneres Erleben folgt. Dr. Bernhardir
kommt vor Gericht und wird wegen Religions=t
störung zu zweimonatiger Haft verurteilt. Nach
seiner Cntlassung aus dem Gefängnis kommt es
zwischen ihm und dem Priester zu einer Aus¬
sprache, an deren Schluß die beiden Gegner sich
über dem trennenden Abgrund“ die Hände reichen,
Herrn Rudolf Zeisel war die dankbare Auf¬
gabe zugefallen, die Idealgestalt des Professor
Bernhardi zu verkörpern. Er wurde ihr in allen
Teilen gerecht und hielt sich anerkennenswerter¬
weise von billiger Effekthascherei fern. Herrn
Strauß gelang es als Dr. Ebenwald, den her¬
vorragendsten Vertreter der Gegenpartei gut zu
kennzeichnen. Herr Hartberg lieh dem Doktor
Pflugfelder seine knarrende Art, die sich diesmal
der darzustellenden Figur glücklich anpaßte. Herr
Marlitz meisterte als Dr. Flint mit bekanntem!
Geschick den Dialog, sprach aber stellenweise etwas
zu undeutlich. Herr Fischer=Colbri hielt
sich als Pfarrer Franz Reder in bescheidenen
Grenzen. Unter den zahlreichen Darstellern der
Aerzte und Assistenten fielen die Herren Reckel!
und Lenoir angenehm auf. Herr Teller,
war nur in der Maske ein „Dr. Löwenstein“:
sonst gelang es ihm nicht hinreichend, sein Juden¬
tum glaubhaft zu machen. Herr Götz stattete
seinen Hofrat Dr. Winkler mit sein charakteri¬
sierenden Zügen aus und stellte damit eine
lebensvolle Figur auf die Bühne; sein überflüssiges!
Extempore von den annullierten Wahlen blieb
ziemlich unbeachtet. Die Herren Eisner, Ma¬
luschinsky und Ecker sowie Frl. Gerljs
fügten sich gut in den Rahmen des Stückes. Die!
Spielleitung Dr. Beers verlieh der Sitzungs=st
szene im dritten Akt Schwung und Leben. Doktorse
Beer fand hernach Gelegenheit, im Namen desn
Dichters für die freundliche Aufnahme des Stückes 13
zu danken. Das volle Haus kargte an den Akt=?
schlussen nicht mit Beifall.
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0
ur. rndder mir #
Meter: . Wiener Athletik=Sportklub 50 Sek., II. Poszony=Torna¬
Egyesület, III. Brünner Sportklub
Der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen be¬
aßt sich mit der Vorbereitung einer freien Hochschule für
Leibesübungen. Am 20. Juni 1920 findet ein Werbefest für
Im Herbste nächsten Jahres ist ein Kon¬
Kampfspiel statt.
greß für Leibesübungen geplant. Geheimrat Professor Dr.
Hueppe. früher Hygieniker in Prag, ist als Mitglied in den
Deutschen Reichsausschuß ausgenommen worden.
Automobilismus.
Das Rennen um die Targa=Florio auf Sizilien findet
statt. Genannt sind drei Eric,
am 23. November
2 Itala und 2 Pengeot. Rennfahrer sind Snipe, Moriondo.
Landi, A. Voillot (Bruder des Grand=Prix=Siegers), und der "
berühmte Goug.
Bübne, Kunst und Scbrifttum.
9
Professor Bernbardi.
Komödie in fünf Akten von Artur Schnitzler.
(Deutsches Schauspielhaus.)
J. G. — Schnitzlers Komödie ist ein Kulturkampfbrama,
in dem das österreichische Problem in mannigfaltigster Schat¬
nierung zum Ausdruck gelangt. Die Zeit und die unerbittlich
in ihr wirkenden Krafte haben zwar gegen das politische Gebilde
„Osterreich“ entschieden, doch werden die Nachfolgestaaten noch
einige Generationen hindurch das geistige Erbe zu spüren be¬
kommen. Infolge des jahrhundertelangen Aneinandergeschlos.
senseins zahlreicher verschieden veranlagter Volksstämme ent¬
standen nicht bloß Blutmischungen von einzigartiger Tempe¬
ramentstönung, die gegenseitige geistige Durchdringung schuf
auch Kulturschichten und Ausprägungen allmenschlicher Cha¬
rakterzüge, die für die Gefühls- und Geistesgeschichte der ge¬
samten Welt von unschätzbarer Bedeutung sind. Manche Tat,
die anderswo entweder überhaupt nicht eingetreten oder deren
Folgen rasch und eindeutig entschieden worden wären, erregte
in der österreichischen Atmosphare Wirdel und Strömungen,
deren schließlichen Effekt kein Prophet zu erraten imstande
war. Ein solcher „Fall“ liegt der Komödie Schnitzlers zu¬
grunde. Professor Bernhardi, Direktor einer großen Pridat¬
heilanstalt, des „Elisabethinums", verweigert einem Pfarrer
den Zutritt zu einer Sterbenden, da sie sich bereits im be¬¬
seligenden Zustand der Euphorie befindet, das heißt, des
Gefühls, völlig gesund zu werden, das dem Tod unmittel¬
bar vorangeht. Die Kranke stirbt ohne die „Tröstungen“ der
Kirche, nach denen sie selbstverständlich gar nicht verlangt
hat. Der Pfarrer erstattet Meldung an seine Behörde und
(das Kesseltreiben setzt ein. Bernhardi ist Inde. Das Kura¬
torium, in dem einige Betschwestern beider Geschlechter sitzen,
demissioniert und infolgedessen stoßen die Gegensätze im Pro¬
fessorenkollegium der Anstalt aufeinander. Es handelt sich
hier auch um die Neubesetzung einer Dozentenstelle. Die Po¬
litik, die in Österreich alle Personalfragen an sich riß, ver¬
krüpft sofort die beiden Ereignisse. Bernhardi könnte die Sache
mit dem Priester aus der Welt schaffen, wenn er bei der Ab¬
stimmung über die Besetzung der Dozentur seine Stimme statt
dem wissenschaftlich hochwertigen jüdischen Bewerber, dem un¬
befähigten Christen gäbe. Diesen Kuhhandel weist er ent¬
rüstet ab — und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Der
Unerrichtsminister Dr. Flint, ein Jugendfreund Bernhardis,
greist persönlich im Parlament ein, um ihn zu schützen, treibe
ihn aber, halb unbewußt, halb bewußt, erst recht der Justiz
in die Arme. Zwei Monate Gefängnis sind das Resultat.
Bernhardi sitzt sie ab und verzichtet, als sich später infolge
einer falschen Zeugenaussäge die Möglichkeit dieret, den Pro¬
zer zu seinem Gunsten zu revidieren, auf seine Ehrenrettung,
angeeselt von der Partcipolitik, die ihn, der nur seine ärzt¬
liche und menschliche Pflicht erfüllte, ins Gefängnis gebracht
hat. „Meine Sache ist es, Leute gesund zu machen — oder
ihnen wenigstens einzureden, daß ich es kann.
Diese äußere Handlung ist gewiß nicht die beste Grund¬
lage für ein Drama im strengen Sinn. Darauf kam es
Schnitzler auch gar nicht an. Was er gibt, ist ein überwälti¬
gendes Eharaktergemälde eines Ausschnittes der österreichischen
Gesellschaft. Klerikalismus, Antisemitismus, Schutz der bei¬
ligsten Güter, Glaube an göttliche Berufung und Glaube an
die Berechtigung, für die Möglichkeit ferneren großen Wir¬
kens auch einen Freund im Stiche lassen zu dürfen, das
sind die Energiequellen, von denen sich diese Stützen der Ge¬
sellschaft treiben lassen. Die Sicherheit der Zeichnung, die
Fülle treffend erfaßter Menschlichkeiten, die pockende Unmit¬
tlbarkeit, mit der ein dem Dichter vertrautes Milien zum,
Abbild des gesamten Staatswesens wird, in dessen Gemäner
———
25. PrBernhand
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B. G. „Professor Bernhardi“ Komöbe¬
fünf Aften von Arthur AmRLen
Stück von so ausgeprägter Lendenz, daß ####n
dadurch von dem eigentlichen Zweck des Theate
zu weit entfernt. Nicht die Kunst. sondern nur die
Gefinnung ist es, die hier den Esfelt orzielt und
die Bühne zur Reonertribüne macht. Der Kern
punkt des Ganzen ist die Frage „Hat der be¬
handelnde Arzt das Recht, dem Priester den Zu¬
tritt zum Krankenhette zu verweigern, wenn ha¬
ZLOKT 1915
Volkstreund, Brünn,
Nr. 225
Brüns, Dienstag
umr#atertesncR
durch dem ahnungslosen Patienten die Hoffnung
auf Genesung erhalten bleibt und somit sein
Sterben ein leichteres wird?“ Professor Bernhardt,
Direktor des Elisabethinums, bejaht diese Frage
durch die Tat und die Folgen dieser Handlungs¬
weise köllen nun die nächsten vier Akte des Stückes,
denen der Zuhörer zwar mit äußeren Teilnahme,
doch ohne inneres Erleben folgt. Dr. Bernhardir
kommt vor Gericht und wird wegen Religions=t
störung zu zweimonatiger Haft verurteilt. Nach
seiner Cntlassung aus dem Gefängnis kommt es
zwischen ihm und dem Priester zu einer Aus¬
sprache, an deren Schluß die beiden Gegner sich
über dem trennenden Abgrund“ die Hände reichen,
Herrn Rudolf Zeisel war die dankbare Auf¬
gabe zugefallen, die Idealgestalt des Professor
Bernhardi zu verkörpern. Er wurde ihr in allen
Teilen gerecht und hielt sich anerkennenswerter¬
weise von billiger Effekthascherei fern. Herrn
Strauß gelang es als Dr. Ebenwald, den her¬
vorragendsten Vertreter der Gegenpartei gut zu
kennzeichnen. Herr Hartberg lieh dem Doktor
Pflugfelder seine knarrende Art, die sich diesmal
der darzustellenden Figur glücklich anpaßte. Herr
Marlitz meisterte als Dr. Flint mit bekanntem!
Geschick den Dialog, sprach aber stellenweise etwas
zu undeutlich. Herr Fischer=Colbri hielt
sich als Pfarrer Franz Reder in bescheidenen
Grenzen. Unter den zahlreichen Darstellern der
Aerzte und Assistenten fielen die Herren Reckel!
und Lenoir angenehm auf. Herr Teller,
war nur in der Maske ein „Dr. Löwenstein“:
sonst gelang es ihm nicht hinreichend, sein Juden¬
tum glaubhaft zu machen. Herr Götz stattete
seinen Hofrat Dr. Winkler mit sein charakteri¬
sierenden Zügen aus und stellte damit eine
lebensvolle Figur auf die Bühne; sein überflüssiges!
Extempore von den annullierten Wahlen blieb
ziemlich unbeachtet. Die Herren Eisner, Ma¬
luschinsky und Ecker sowie Frl. Gerljs
fügten sich gut in den Rahmen des Stückes. Die!
Spielleitung Dr. Beers verlieh der Sitzungs=st
szene im dritten Akt Schwung und Leben. Doktorse
Beer fand hernach Gelegenheit, im Namen desn
Dichters für die freundliche Aufnahme des Stückes 13
zu danken. Das volle Haus kargte an den Akt=?
schlussen nicht mit Beifall.
box 31/3
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ur. rndder mir #
Meter: . Wiener Athletik=Sportklub 50 Sek., II. Poszony=Torna¬
Egyesület, III. Brünner Sportklub
Der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen be¬
aßt sich mit der Vorbereitung einer freien Hochschule für
Leibesübungen. Am 20. Juni 1920 findet ein Werbefest für
Im Herbste nächsten Jahres ist ein Kon¬
Kampfspiel statt.
greß für Leibesübungen geplant. Geheimrat Professor Dr.
Hueppe. früher Hygieniker in Prag, ist als Mitglied in den
Deutschen Reichsausschuß ausgenommen worden.
Automobilismus.
Das Rennen um die Targa=Florio auf Sizilien findet
statt. Genannt sind drei Eric,
am 23. November
2 Itala und 2 Pengeot. Rennfahrer sind Snipe, Moriondo.
Landi, A. Voillot (Bruder des Grand=Prix=Siegers), und der "
berühmte Goug.
Bübne, Kunst und Scbrifttum.
9
Professor Bernbardi.
Komödie in fünf Akten von Artur Schnitzler.
(Deutsches Schauspielhaus.)
J. G. — Schnitzlers Komödie ist ein Kulturkampfbrama,
in dem das österreichische Problem in mannigfaltigster Schat¬
nierung zum Ausdruck gelangt. Die Zeit und die unerbittlich
in ihr wirkenden Krafte haben zwar gegen das politische Gebilde
„Osterreich“ entschieden, doch werden die Nachfolgestaaten noch
einige Generationen hindurch das geistige Erbe zu spüren be¬
kommen. Infolge des jahrhundertelangen Aneinandergeschlos.
senseins zahlreicher verschieden veranlagter Volksstämme ent¬
standen nicht bloß Blutmischungen von einzigartiger Tempe¬
ramentstönung, die gegenseitige geistige Durchdringung schuf
auch Kulturschichten und Ausprägungen allmenschlicher Cha¬
rakterzüge, die für die Gefühls- und Geistesgeschichte der ge¬
samten Welt von unschätzbarer Bedeutung sind. Manche Tat,
die anderswo entweder überhaupt nicht eingetreten oder deren
Folgen rasch und eindeutig entschieden worden wären, erregte
in der österreichischen Atmosphare Wirdel und Strömungen,
deren schließlichen Effekt kein Prophet zu erraten imstande
war. Ein solcher „Fall“ liegt der Komödie Schnitzlers zu¬
grunde. Professor Bernhardi, Direktor einer großen Pridat¬
heilanstalt, des „Elisabethinums", verweigert einem Pfarrer
den Zutritt zu einer Sterbenden, da sie sich bereits im be¬¬
seligenden Zustand der Euphorie befindet, das heißt, des
Gefühls, völlig gesund zu werden, das dem Tod unmittel¬
bar vorangeht. Die Kranke stirbt ohne die „Tröstungen“ der
Kirche, nach denen sie selbstverständlich gar nicht verlangt
hat. Der Pfarrer erstattet Meldung an seine Behörde und
(das Kesseltreiben setzt ein. Bernhardi ist Inde. Das Kura¬
torium, in dem einige Betschwestern beider Geschlechter sitzen,
demissioniert und infolgedessen stoßen die Gegensätze im Pro¬
fessorenkollegium der Anstalt aufeinander. Es handelt sich
hier auch um die Neubesetzung einer Dozentenstelle. Die Po¬
litik, die in Österreich alle Personalfragen an sich riß, ver¬
krüpft sofort die beiden Ereignisse. Bernhardi könnte die Sache
mit dem Priester aus der Welt schaffen, wenn er bei der Ab¬
stimmung über die Besetzung der Dozentur seine Stimme statt
dem wissenschaftlich hochwertigen jüdischen Bewerber, dem un¬
befähigten Christen gäbe. Diesen Kuhhandel weist er ent¬
rüstet ab — und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Der
Unerrichtsminister Dr. Flint, ein Jugendfreund Bernhardis,
greist persönlich im Parlament ein, um ihn zu schützen, treibe
ihn aber, halb unbewußt, halb bewußt, erst recht der Justiz
in die Arme. Zwei Monate Gefängnis sind das Resultat.
Bernhardi sitzt sie ab und verzichtet, als sich später infolge
einer falschen Zeugenaussäge die Möglichkeit dieret, den Pro¬
zer zu seinem Gunsten zu revidieren, auf seine Ehrenrettung,
angeeselt von der Partcipolitik, die ihn, der nur seine ärzt¬
liche und menschliche Pflicht erfüllte, ins Gefängnis gebracht
hat. „Meine Sache ist es, Leute gesund zu machen — oder
ihnen wenigstens einzureden, daß ich es kann.
Diese äußere Handlung ist gewiß nicht die beste Grund¬
lage für ein Drama im strengen Sinn. Darauf kam es
Schnitzler auch gar nicht an. Was er gibt, ist ein überwälti¬
gendes Eharaktergemälde eines Ausschnittes der österreichischen
Gesellschaft. Klerikalismus, Antisemitismus, Schutz der bei¬
ligsten Güter, Glaube an göttliche Berufung und Glaube an
die Berechtigung, für die Möglichkeit ferneren großen Wir¬
kens auch einen Freund im Stiche lassen zu dürfen, das
sind die Energiequellen, von denen sich diese Stützen der Ge¬
sellschaft treiben lassen. Die Sicherheit der Zeichnung, die
Fülle treffend erfaßter Menschlichkeiten, die pockende Unmit¬
tlbarkeit, mit der ein dem Dichter vertrautes Milien zum,
Abbild des gesamten Staatswesens wird, in dessen Gemäner
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