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„Professor Bernhardi“, Komödie in 5 Auf¬
zügen von Arthur Schnitzler. (Spielleitung Di¬
rektor Alfred Huttig.) Die ungeahnte Freiheit der
wir uns jetzt erfreuen. fördert so manches von
der ehemaligen k. k. Zensur ängstlich vor dem
Rampenlichter behütele Sück zu Tage. War tman
doch im lieben Oesterreich immer von „amtswe¬
gen“ speziell nervös wenn der Dichter es wagte
überhaupt die Gestalt eines katholischen Priesters
auf die Bühne zu bringen und witterte leicht in
der Tendenz des Stückes eine Beleidigung der Kir¬
che. So erging es auch dem „Professor Bernhar¬
Oten
di“
Daß es sich hier um keinen Angriff ge¬
der
gen religiöse Einrichtungen handelt, sondern
Dichter nur in einem speziellen Falle das An¬
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einanderprallen von zwei, besser gesagt von
mehreren, Weltanschauungen aufzeigt, das zu
erkennen war wohl die damalige Zensur zu kurz¬
sichtig. Schnitzters Stück versetzt uns in ei¬
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ne Umwelt der verschiedensten politischen Cha¬
raktergestalten und Typen des alten Oesterreich
und zeigt die Kämpfe in ihren mannigfachen Er¬
scheinungsformen auf, welche wir noch in fri¬
scher Erinnerung haben. Mutel uns die Tendenz
des ech österreichischen Dramas freilich heute,
wo der Bann der darauf lastete, gelöst ist, veral¬
tet an, so bürgt doch die an und für sich inte¬
ressante Fabei des Stückes, die meisterhafte schar¬
fe Charakterisierung der vielen Personen, von
denen fast jede ein Stück Lebensanschauung ver¬
tritt, auch jett noch für größte Bühnenwirksam¬
keit. Und so war es auch: Das Drama fand —
vor allem auch Dank der vortrefflichen Darstel¬
lung eine äußerst freundliche Aufnahm und
namentlich nach der glänzend gespielten großen
Sitzungsszene wollte der stürmische Beifall kein
Ende nehmen. Hier fand auch Herr Direktor
Huttig Gelegenheit im Namen des Tichters
zu danken Unsere Bühnenleitung hat mit der
schwierigen Einstudierung dieses interessanten per¬
sonenreichen Stückes wieder ihr schönes Strehen
und bestes Können bewiesen und auch die Gin¬
zeinleistungen waren von echt künstlerischem Ei¬
ser beseeit. Bei der großen Anzahl der Mit¬
wirkenden, weiche faßt alle wie Räder in ein Uhr¬
werk einzugreifen hatten, können hier nur die
Vertreter der Hauptgestalten gewürdigt werden
und die Uebrigen mögen sich mit allgemeiner An¬
erkennung begnügen. Die Titelrolle spielte Herr
Gibiser mit trefflicher Charakterisierung die¬
ses nur auf sich und sein Gewissen gestellten Man¬
nes. Prächtig gelang ihm auch stellenweise der
teicht ironische Ton der sich den Gegnern ge¬
genüber Bahn bricht mit ergreifender Wirkung
spielte er in der grosen Sitzungsszene, der Aus¬
einandersetzung imit dem Pfarrer im viecten Ak¬
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Samstag den 29. Jänner.
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te. Aus der Reihe der Professoren sei Herr
Marich, der dem Dr. Ebenwald den geforder¬
ten gewissen christlichsozialen und echt österrei¬
chischen Anstrich gab, dann der cholerische und
temperamentvolle Professor Filita des Herrn Ei¬
tel der namentlich die grose Szene des 3. Al¬
tes zu besonderer Wirkung brachte und der jüdi¬
sche Dr. Löwenstein des Herrn Karner hervor¬
gehoben. Es spricht für die künstlerische Einsicht
des letzgenannten Darstellers, daß er der nahe¬
liegenden Versuchung aus dem Wege ging, diese
Figur zu sehr in's Drastische zu ziehen. Herr
Lee als geschwätziger alter Professor Dr. Cy¬
prian war nahe daran dieser Gefahr zu erliegen.
Herr Sima bot als Hochroitzpointner ein ganz
gutes Bild dieses geschmeidigen hinterlistigen
Strebers und eine recht gelungene Figur war
der beschränkte Sezierarzt Dr. Feuermann des
Herrn Fuchs. Dem Pfarrer verlieh Herr Ma¬
rauschet die entsprechende geistliche Würde ohne
frömmelnden Beigeschmack. Es ist zu hoffen, daß
für Wiederholungen die schwierige Szene im 4.
Akte noch an Vertiefung gewinnen wird. Herr
Norfolk war die richtige Verkörperung eines
politisch ewig schwankenden Ministers des alten
Oesterreich und Herr Helfer (??) bot uns eine
köstliche Wiener Hofratssigur.