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25. PrefessenBernhand
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einzelne sich zu dem Falle stellt, enthüllt ihn, macht ihn
verächtlich oder unerheblich oder liebenswert. Der will
Bernhardi halten, jener will ihn stürzen. Die Gegensätze
platzen auf einander. Es gibt in jedem Akt parlamen¬
Bernhardi.
tarische und unparlamentarische Redeschlachten, die das
n Arthur-Echuitler.
Interesse nicht sinken lassen, aber niemals ein Drama zu¬
stande brächten, wenn nicht auch Bernhardt von dem Ge¬
Stadttheater Samstag, den
ptember.
lärm in einen Konflikt getrieben würde — in den Konfl kt,
der unvermeidlich ist: daß er an der Berechtigung seiner
und der Fehler von Arthur
Handlungsweise irre wird. Dieser Konflikt erfährt im
rofessor Bernhardi kein „Held“
Laufe der fünf Akte mannigfache Wandlungen und Ver¬
heit hatte, einer zu werden.
schiebungen, Retardierungen und Aufschwellungen, ohne
inem erzkatholischen Lande! —
die er die fünf Akte gar nicht füllen könnte; und er er¬
einer Sterbenden, damit sie
fäht am Ende der fünf Akte eine Schlichtung, die wahr¬
rfahre. Unhell, du bist im
scheinlich keinen Zuschauer befriedigt hat.
nes Kunststück des Technikers
Die eine Hälfte dieser Zuschauer kam von Gutzkow
kheil sich hatte bereiten lassen.
und Ibsen und hatte sich nicht schlecht gefreut, mit welcher
das Gefühl der S.cherheit, daß
Kühnheit der Gesianungsgenosse Thomas Stockmanns
der er ein Stück herausschnitzen,
gegen jeden Zwang für die Ueberzeugung des freien
will — nämlich die Welt von
Mannes eingetreten war, mit welch strömender Vered¬
n, und von Oesterreich, dem
samkeit der Glaubensgenosse Uelel Acostas liderale Apercus
achen und nicht ganz so vielen
gegen die Kirche und für die Wissenschaft geformt —
hre verräterischen Winzigkelten
und zugleich besteitten hatte, daß er das tue. Jetzt war
ein paar Fachansdrücken wie
man buter enttäuscht, daß Bernharbi unterkroch, klein¬
die Atmoshäre eines Kranken¬
beigab, sich in den Quetismus rettete. Ee war fälschlich
leicht ist es, von vierzehn
beschuldigt worden, jenem Priester an der Tür des Sterbe¬
nigen einzuführen, ohne deren
zimmers einen Stoß vor die Beust versetzt zu haben,
ung, a'so kein dramatischer
hatte seine zwei Menale wegen Religionsstörung abge¬
enigen zurückzuhalten, die für
sessen, wir von seinen Anhäugern im Trir oh aus dem
sten Aktes gebraucht werden.
Kerker geholt worden und sah nicht ein, warum eine
iner Planmäßigkeit vor, die zu
Krankenschwester, die sich selbst des Meinelds bezichtigte,
Eist allmählich lernt man
ihn bestimmen sollte, die Unbequemlichkeiten eines Be¬
l seiner Buntheit kennen: die
rufungsverfahrens auf sich zu nehmen. Für diese Zu¬
stasten, die Dunkelmänner und
schauer hätte Bernhardl bis zum letzten Augenblick für
en und die falschen Biederleute,
ein Prinzip kämpfen müssen und keiner besseren Ensicht
rläufer, die Antisemiten und
zugänglich sein dürfen.
oleriker und die Phelgmatiker.
ernhardi aufgestört. Wie jeder
Es ist ein Vorzug des Stückes, daß man
spürt, wie ernst en gemeint it. Es ist seine Schwäche,
daß eben doch ein ganz farkee Kerl dazu gehört, um aus
diesem Zustand der Unkraft, aus diesem schmerzlichen
Zwiespalt ein Drama, ein noch stärkerer, um daraus eine
Komödie zu machen. Daß eine Faust dazu gehört — eine,
die zupack, nachdem sie sich oft geballt hat. Schnitzler
hat eine Hand, eine wunderooll welche, streichelnde Hand.
Wenn sich sein Aczt und sein Priester gegenüberstehen,
so brechen sie belleibe nicht aus, sondern triefen von
Toleraaz, überbieten einander an Edelmut, bereiten uns
eine ästhetische Freude durch die Bereitschaft ihrer Argu¬
mente, die Geschmeidigkeit ihres Esprits, die vollendete
Höflichkeit ihrer Ucgangeformen. Der eine bezeichnet nach
zahlreichen Anlänfen mit der christlichen Sanftmut, die
seinem Rocke ziem den andern als — also wicklich: als
vermessen. Wär ers doch! Dieser Bernhardt ist nur pri¬
mitto. Wir sehen, daß er Aczt und Jud= und Wiener ist
und zuerst protestiert, zuletzt resigniert. Das ist alles. Der
Mann hat seinen Beraf, seine Abstammung und seine
Wahlhelmat — aber wo sind seine Neroen? Er schreitet
oder gleitet von einer schönen Würde zu einer schönen
Wurschtigkeit — aber wo sind die Züge seines Wesens,
durch die er uns trotzdem reizvoll wiede? Wis allo ist
er? Ein Titelheld. Der Mittelpunkt — wena auch nicht
gerabe die Seele — eines ungemein geschckten Theater¬
stückes, das zwar keine Längen hat, well man ja von
Anfang bis zu Ende diesem spöltischen, kultioierten, fun¬
kelnden Gerede gespant zuhört, das aber von einer un¬
geheuren Länge ist, weil das Eegebnis den Aufwand
nicht lohnt. O, du mein Oesterreich! Du hast das Glück
(ober das Ungück), daß deine Aakläger deine Opfer sind.
Daß deine Suttriker, statt gemnig zu lachen, ironisch
lächeln. Daß sie witzigfflickern, statt verzehrend zu flammen.
Daß sie, statt aufschreckende Streitscheiften, beruhlgend¬
Theaterstücke verfassen, deren Gefährlichkelt du über¬
schätzest, wenn du sie oerhietest.
25. PrefessenBernhand
61
einzelne sich zu dem Falle stellt, enthüllt ihn, macht ihn
verächtlich oder unerheblich oder liebenswert. Der will
Bernhardi halten, jener will ihn stürzen. Die Gegensätze
platzen auf einander. Es gibt in jedem Akt parlamen¬
Bernhardi.
tarische und unparlamentarische Redeschlachten, die das
n Arthur-Echuitler.
Interesse nicht sinken lassen, aber niemals ein Drama zu¬
stande brächten, wenn nicht auch Bernhardt von dem Ge¬
Stadttheater Samstag, den
ptember.
lärm in einen Konflikt getrieben würde — in den Konfl kt,
der unvermeidlich ist: daß er an der Berechtigung seiner
und der Fehler von Arthur
Handlungsweise irre wird. Dieser Konflikt erfährt im
rofessor Bernhardi kein „Held“
Laufe der fünf Akte mannigfache Wandlungen und Ver¬
heit hatte, einer zu werden.
schiebungen, Retardierungen und Aufschwellungen, ohne
inem erzkatholischen Lande! —
die er die fünf Akte gar nicht füllen könnte; und er er¬
einer Sterbenden, damit sie
fäht am Ende der fünf Akte eine Schlichtung, die wahr¬
rfahre. Unhell, du bist im
scheinlich keinen Zuschauer befriedigt hat.
nes Kunststück des Technikers
Die eine Hälfte dieser Zuschauer kam von Gutzkow
kheil sich hatte bereiten lassen.
und Ibsen und hatte sich nicht schlecht gefreut, mit welcher
das Gefühl der S.cherheit, daß
Kühnheit der Gesianungsgenosse Thomas Stockmanns
der er ein Stück herausschnitzen,
gegen jeden Zwang für die Ueberzeugung des freien
will — nämlich die Welt von
Mannes eingetreten war, mit welch strömender Vered¬
n, und von Oesterreich, dem
samkeit der Glaubensgenosse Uelel Acostas liderale Apercus
achen und nicht ganz so vielen
gegen die Kirche und für die Wissenschaft geformt —
hre verräterischen Winzigkelten
und zugleich besteitten hatte, daß er das tue. Jetzt war
ein paar Fachansdrücken wie
man buter enttäuscht, daß Bernharbi unterkroch, klein¬
die Atmoshäre eines Kranken¬
beigab, sich in den Quetismus rettete. Ee war fälschlich
leicht ist es, von vierzehn
beschuldigt worden, jenem Priester an der Tür des Sterbe¬
nigen einzuführen, ohne deren
zimmers einen Stoß vor die Beust versetzt zu haben,
ung, a'so kein dramatischer
hatte seine zwei Menale wegen Religionsstörung abge¬
enigen zurückzuhalten, die für
sessen, wir von seinen Anhäugern im Trir oh aus dem
sten Aktes gebraucht werden.
Kerker geholt worden und sah nicht ein, warum eine
iner Planmäßigkeit vor, die zu
Krankenschwester, die sich selbst des Meinelds bezichtigte,
Eist allmählich lernt man
ihn bestimmen sollte, die Unbequemlichkeiten eines Be¬
l seiner Buntheit kennen: die
rufungsverfahrens auf sich zu nehmen. Für diese Zu¬
stasten, die Dunkelmänner und
schauer hätte Bernhardl bis zum letzten Augenblick für
en und die falschen Biederleute,
ein Prinzip kämpfen müssen und keiner besseren Ensicht
rläufer, die Antisemiten und
zugänglich sein dürfen.
oleriker und die Phelgmatiker.
ernhardi aufgestört. Wie jeder
Es ist ein Vorzug des Stückes, daß man
spürt, wie ernst en gemeint it. Es ist seine Schwäche,
daß eben doch ein ganz farkee Kerl dazu gehört, um aus
diesem Zustand der Unkraft, aus diesem schmerzlichen
Zwiespalt ein Drama, ein noch stärkerer, um daraus eine
Komödie zu machen. Daß eine Faust dazu gehört — eine,
die zupack, nachdem sie sich oft geballt hat. Schnitzler
hat eine Hand, eine wunderooll welche, streichelnde Hand.
Wenn sich sein Aczt und sein Priester gegenüberstehen,
so brechen sie belleibe nicht aus, sondern triefen von
Toleraaz, überbieten einander an Edelmut, bereiten uns
eine ästhetische Freude durch die Bereitschaft ihrer Argu¬
mente, die Geschmeidigkeit ihres Esprits, die vollendete
Höflichkeit ihrer Ucgangeformen. Der eine bezeichnet nach
zahlreichen Anlänfen mit der christlichen Sanftmut, die
seinem Rocke ziem den andern als — also wicklich: als
vermessen. Wär ers doch! Dieser Bernhardt ist nur pri¬
mitto. Wir sehen, daß er Aczt und Jud= und Wiener ist
und zuerst protestiert, zuletzt resigniert. Das ist alles. Der
Mann hat seinen Beraf, seine Abstammung und seine
Wahlhelmat — aber wo sind seine Neroen? Er schreitet
oder gleitet von einer schönen Würde zu einer schönen
Wurschtigkeit — aber wo sind die Züge seines Wesens,
durch die er uns trotzdem reizvoll wiede? Wis allo ist
er? Ein Titelheld. Der Mittelpunkt — wena auch nicht
gerabe die Seele — eines ungemein geschckten Theater¬
stückes, das zwar keine Längen hat, well man ja von
Anfang bis zu Ende diesem spöltischen, kultioierten, fun¬
kelnden Gerede gespant zuhört, das aber von einer un¬
geheuren Länge ist, weil das Eegebnis den Aufwand
nicht lohnt. O, du mein Oesterreich! Du hast das Glück
(ober das Ungück), daß deine Aakläger deine Opfer sind.
Daß deine Suttriker, statt gemnig zu lachen, ironisch
lächeln. Daß sie witzigfflickern, statt verzehrend zu flammen.
Daß sie, statt aufschreckende Streitscheiften, beruhlgend¬
Theaterstücke verfassen, deren Gefährlichkelt du über¬
schätzest, wenn du sie oerhietest.