II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 574

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25. BrofessaBerhhad
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den intrigierenden und streberischen Vizedirektor ohne in Karikatur
Residenz-Theater.
zu verfallen, außerdem gelang ihm der Wiener Ton in meisterhafter
Weise. Josef Klein war ein fanatischer Dr. Pflugfelder,
„Professor Bernharbi“ Komödie in fünf Aufzügen
Max'milian Wolff gab den Dr. Cyprian, Edmund Löwe den
von Arthur Schnitzler.
Dr. Löwenstein, beides nicht minder sanatische Anhänger ihres
Das Stück — weshalb es Komödie heißt, ist nicht recht ersicht¬
Direktors. Dagegen scheint Heinrich Schroth noch nie das Glück
lich — hat bei seiner Veröffentlichung schon von sich reden gemacht.
gehabt zu haben, einen katholischen Pfarrer, am allerwenigsten einen
Es ist ein Tendenzstück. Es zegt uns einen ganz andern Schnitzler
österreichischen gesehen zu haben, sonst wäre er nicht so steif aufge¬
als den aus dem „Reigen“ bekannten. Im Elisabeth'num in Wien
treten Der grundsatz= und bedenkenlose Hofrat sand in W. Schrö¬
ist ein Mädchen am Sterben, aber die Kampherinjektionen haben ihr
der=Schromm einen Darsteller, der sich sofort die Sympathien
die Täuschung beigebracht, als sei sie schon ganz gesund. Der Priester
des Publikums eroberte. Den Unterrichtsminister gab Kurt Keller¬
erscheint — warum gerade mit der grünen statt der violetten
Nebri. Sehr gelungen waren die beiden Sitzungen, in denen die

Stola? Könnte man sich für solche Dinge nicht bei einem Fachmann
beiden Parteien in wirkungsvoller Weise aneinandergerieten. Die
Rats holen? —
- um der Kranken die letzte Oelung zu spenden (es
Darbietungen der Schauspieler waren eines besseren Stückes würdig.
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ist auch von Absolution die Rede, deren die Kranke dringend be¬
Brunner.
durfte; der Verfasser scheint aber Beicht und letzte Oelung als ein und
dasselbe zu halten). Aber Professor Vernhardi, der D’rektor, lehnt
das ab; er will der Kranken nicht die Illusion von Glück rauben,
selbst dann nicht, als es sich herausstellt daß die Kranke den Priester
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zulassen will. Während Priester und Direktor verhandeln, stirbt die
Kranke. Die Sache wird kundbar; die Klerikalen richten eine Inter¬
pellation an die Regierung.
Es kommt
zur
Gerichts¬
verhandlung; krotzdem der Pfarrer wahrheitsgetreu ausgesagt,
daß von Anwendung von Gewalt nicht die
Rede
konnte, und daß der Direktor nicht in religionsseindlicher Art ge¬
handelt, wird der Direktor auf das falsche Zeugnis der Schwester
und des klerikalen Kandidaten der Medizin hin von den Geschworenen
wegen Religionsfrevels zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Kurz, Bernhardi ist der Märtyrer seiner Ueberzeugung, wenn das
Martyriumn seinem Wohlbefinden auch sehr bekömmlich ist. Die ganze
Geschichte ist eine insame Intrige der mit den Deutschnationalen
verbündeten Klerikalen. Auch der
Antisemitismus
spielt
eine Rolle, aber Schnitzler ist
gerecht genug, auch unter
die Gesinnungslumpen zwei Juden zu mischen, allerdings sind
es getaufte Juden. Der Pfarrer ist eine Nummer für sich. Es hat
Schnitzler gereut, daß er ihn vor Gericht die Wahrbeit hat sagen
lossen. Das verlangte eine Sühne. Er schckt nün den Pfarrer dem
Direktor ins Haus, um ihm mitzuteilen, daß er (der Direktor) als
Arzt ganz so handeln mußte, wie er gehandelt hatte, worüber der
Jude sehr erstannt ist, und noch mehr darüber daß der Pfarrer
das nicht vor Gericht gesagt hat. Der Dialog, der sich nun
zwischen beiden entspinnt, zeigt uns, daß der Pfarrer seine Theologie
bei irgend einem Schüler Schleiermachers oder Ritschels studiert haben
muß, jedenfalls nicht bei einem katholischen Theolsgen. Er ist also
auch ein Heuchler. Da kann es einem natürlich nicht wundern, wenn
im ganzen Stück niemand, auch der Pfarrer nicht, Veranlassung
nimmt, den Standpunkt der katholischen Seelsorge zu vertreten, daß
das Seelenheil doch mehr wert ist, als eine künstlich erzeugte Illusion
von Wohlbefinden
Das Publikum klatschte laut Beifall, besonders als sich im
zweiten Auszug schon absehen ließ wo die Geschichte hinausging.
Die einzelnen Darsteller emledigten sich ihrer Rollen mit großem
Geschick. Heinz Salfner war ein selbstbewußter nicht aus der
Fassung zu bringender Bernhardi; Rudolf Klein=Rhoden gab