25 Professor Bernhandi
„Professor Bernhardi“
im Residenz-Theatet.
Schnitzlers Komödie, vor einem Jahr¬
zehnt im Kleinen Theater gespielt, wird nun im
Residenztheater der Direktion Rotter neu heraus¬
gebracht. Das Jahrzehnt hat genügt, dieses
Drama historisch werden zu lassen. Denn in¬
zwischen ist Oesterreich versunken und das öster¬
reichische Regierungssystem. Es gibt keinen Unter¬
richtsminister Dr. Flint mehr, der auch Hussarek
oder sonstwie heißen konnte und ein Knecht der
Christlichsozialen war. Vergangenheit ist die
Zeit des Thronfolgers Franz Ferdinand, in der
die Priester die Segnungen der Eucharistie über
Habsburgs Länder breiteten. Auch der k. k. Hof¬
rat Bahrscher oder Burckhardscher Observanz ist
nicht mehr, der von Gesinnung nicht beschwerte
Anarchist, der kokette Zyniker. Verändert ist das
Gesicht der Wiener Aerzteschaft, der Dr. Arthur
Schnitzler seine Modelle entnahm. Und doch:
diese Komödie ist noch immer lebendig. Ist sie
bloß ein Tendenzstück? Ein Tendenzstück, ja, ein
Kampfstück. Aber das Kampfstück eines Geisti¬
gen, mit Schattierungen, Brechungen, kleinen
Ironien und einem großen Pessimismus, der sich
nicht belügen will. Nicht zufällig liegt hinter
der Szene der Saal einer Klinik, wie in den
„Letzten Masken“, Stätte letzter Resignation und
Verzweiflung, tristester Menschlichkeiten.
Die Einstudierung des Residenztheaters hat
ihren Grundton durch Salfners Professor
Bernhardi. Es fehlt ihm ein Ungreifbares, denn
Bernhardis Glaube, Sir, ist nicht der seine.
Doch er vermeidet jedes Gesinnungspathos, er
gibt sich ruhig, gelassen, mit einer reservierten
Ueberlegenheit, die manchmal lustspielhaft wirkt,
und er hat, ohne sein joviales Naturburschentum
von früher, schlank im Umriß, die Wärme, die
stets von ihm kommt. Neben ihm: Herr
Schroth, ein Priester von jesuitischer Glätte
und Weltlichkeit, Herr Klein=Rohden als
untersetzter, langbärtiger Intrigant, wienerischer
Farbe gleich dem mit starkem Cholerikertempera¬
ment losbrechenden Pflugfelder Josef Kleins,
der maskenstarre Flint des Herrn Keller¬
Nebri. Das Ensemble von allen Winden zu¬
sammengeweht. Regisseur oder fleißiger Regie¬
führer ist Herr Dr. Kanehl. Wann werden
diese Bühnen sich für verpflichtet halten, zu einer
selbständigen Schauspielregie überzugehen, die
aus Solisten ein Ensemble bildet?
P. W.
ER:
Siebenmal Drillinge!
Wenn einem glücklichen Paar einmal Dril¬
linge beschert werden, so ist dies schon eine
seltene Ausnahme. Daß die Natur aber in ein¬
zelnen Fällen Wunder menschlicher Fruchtbarkeit
hervorbringt, kann man in einem englischen
Blatt lesen. Vor kurzer Zeit bevölkerte eine
belgische Frau ihre Kinderstube innerhalb eines
Jahres mit sechs neuen Erdenbürgern, und
zwar schenkte sie dem davon gewiß nicht sehr
entzückten Gatten im Januar gesunde Drillinge
und im Dezember desselben Jahres ein zweites
Trio. Diese Leistung wurde aber bei weitem
übertroffen durch den Rekord einer Pariser
Bäckersfrau, die in sieben aufeinanderfolgenden
Jahren siebenmal Drillinge zur Welt brachte,
#. a #ag. L.C.
Daut W# len 2
50
box 31/3
Schnitzler:
„Professor Bernhardi“.
K
Residenztheater.
Wenn der berlinische Theatergänger jetzt mit Hugo Wolf singt:
Herr, was trägt der Boden hier . . .?“ — so heißt heute die Ant¬
wort: Erfolge.
Diesmal einen ganz großen. Nicht ohne Recht. Das gilt sogar
für die Darstellung — unter Kanehl; und mit Salfner. (Erst im
vierten von fünf Akten begann dieser etwas zu schauspielern;
X
während er meistens menschlich war.)
Das Stück ist sozusagen Ibsens „Volksfeind“ an der schönen
blauen Donau.
Wie es mit Ibsen anfängt und mit der schönen, blauen Donau
endet, bleibt noch zu beklopfen.
K.r.
„Professor Bernhardi.“
S8
Residenz=Theater.
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ trug
im Residenz=Theater nach dem Schluß des dritten
Aktes den stärksten Beifall davon. Deutlich zeigte
I □ der begeisterte Beifall, daß er ausschließlich den
&
edlen Gesinnungen, dem moralischen Eifer des
8
Professors Pflugfelder galt, sonst aber mit der
Kunst nicht gerade viel zu tun hatte. Schnitzlers
eigener Glaube und eigenes Wähnen, wie sie im
letzten Akte sich verkündigen, fanden hingegen
X
weniger Anklang und Bekennerschaft. Im Publi¬
tum denkt man nun einmal noch immer absolu¬
tistisch und will die Mannesüberzeugung vor
Königsthronen. Schnitzlers relativistisch=spötti¬
sches Lächeln, mit dem er zuletzt seinem eigenen
Drama den Todesstoß gibt, wird nicht recht ver¬
standen. Man spielt in dieser Komödie weniger
als man disputiert. Aber diese Dispute kamen
lebendig heraus und wurden mit Interesse an¬
gehört.
J. Ht.
e
„Professor Bernhardi“
im Residenz-Theatet.
Schnitzlers Komödie, vor einem Jahr¬
zehnt im Kleinen Theater gespielt, wird nun im
Residenztheater der Direktion Rotter neu heraus¬
gebracht. Das Jahrzehnt hat genügt, dieses
Drama historisch werden zu lassen. Denn in¬
zwischen ist Oesterreich versunken und das öster¬
reichische Regierungssystem. Es gibt keinen Unter¬
richtsminister Dr. Flint mehr, der auch Hussarek
oder sonstwie heißen konnte und ein Knecht der
Christlichsozialen war. Vergangenheit ist die
Zeit des Thronfolgers Franz Ferdinand, in der
die Priester die Segnungen der Eucharistie über
Habsburgs Länder breiteten. Auch der k. k. Hof¬
rat Bahrscher oder Burckhardscher Observanz ist
nicht mehr, der von Gesinnung nicht beschwerte
Anarchist, der kokette Zyniker. Verändert ist das
Gesicht der Wiener Aerzteschaft, der Dr. Arthur
Schnitzler seine Modelle entnahm. Und doch:
diese Komödie ist noch immer lebendig. Ist sie
bloß ein Tendenzstück? Ein Tendenzstück, ja, ein
Kampfstück. Aber das Kampfstück eines Geisti¬
gen, mit Schattierungen, Brechungen, kleinen
Ironien und einem großen Pessimismus, der sich
nicht belügen will. Nicht zufällig liegt hinter
der Szene der Saal einer Klinik, wie in den
„Letzten Masken“, Stätte letzter Resignation und
Verzweiflung, tristester Menschlichkeiten.
Die Einstudierung des Residenztheaters hat
ihren Grundton durch Salfners Professor
Bernhardi. Es fehlt ihm ein Ungreifbares, denn
Bernhardis Glaube, Sir, ist nicht der seine.
Doch er vermeidet jedes Gesinnungspathos, er
gibt sich ruhig, gelassen, mit einer reservierten
Ueberlegenheit, die manchmal lustspielhaft wirkt,
und er hat, ohne sein joviales Naturburschentum
von früher, schlank im Umriß, die Wärme, die
stets von ihm kommt. Neben ihm: Herr
Schroth, ein Priester von jesuitischer Glätte
und Weltlichkeit, Herr Klein=Rohden als
untersetzter, langbärtiger Intrigant, wienerischer
Farbe gleich dem mit starkem Cholerikertempera¬
ment losbrechenden Pflugfelder Josef Kleins,
der maskenstarre Flint des Herrn Keller¬
Nebri. Das Ensemble von allen Winden zu¬
sammengeweht. Regisseur oder fleißiger Regie¬
führer ist Herr Dr. Kanehl. Wann werden
diese Bühnen sich für verpflichtet halten, zu einer
selbständigen Schauspielregie überzugehen, die
aus Solisten ein Ensemble bildet?
P. W.
ER:
Siebenmal Drillinge!
Wenn einem glücklichen Paar einmal Dril¬
linge beschert werden, so ist dies schon eine
seltene Ausnahme. Daß die Natur aber in ein¬
zelnen Fällen Wunder menschlicher Fruchtbarkeit
hervorbringt, kann man in einem englischen
Blatt lesen. Vor kurzer Zeit bevölkerte eine
belgische Frau ihre Kinderstube innerhalb eines
Jahres mit sechs neuen Erdenbürgern, und
zwar schenkte sie dem davon gewiß nicht sehr
entzückten Gatten im Januar gesunde Drillinge
und im Dezember desselben Jahres ein zweites
Trio. Diese Leistung wurde aber bei weitem
übertroffen durch den Rekord einer Pariser
Bäckersfrau, die in sieben aufeinanderfolgenden
Jahren siebenmal Drillinge zur Welt brachte,
#. a #ag. L.C.
Daut W# len 2
50
box 31/3
Schnitzler:
„Professor Bernhardi“.
K
Residenztheater.
Wenn der berlinische Theatergänger jetzt mit Hugo Wolf singt:
Herr, was trägt der Boden hier . . .?“ — so heißt heute die Ant¬
wort: Erfolge.
Diesmal einen ganz großen. Nicht ohne Recht. Das gilt sogar
für die Darstellung — unter Kanehl; und mit Salfner. (Erst im
vierten von fünf Akten begann dieser etwas zu schauspielern;
X
während er meistens menschlich war.)
Das Stück ist sozusagen Ibsens „Volksfeind“ an der schönen
blauen Donau.
Wie es mit Ibsen anfängt und mit der schönen, blauen Donau
endet, bleibt noch zu beklopfen.
K.r.
„Professor Bernhardi.“
S8
Residenz=Theater.
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ trug
im Residenz=Theater nach dem Schluß des dritten
Aktes den stärksten Beifall davon. Deutlich zeigte
I □ der begeisterte Beifall, daß er ausschließlich den
&
edlen Gesinnungen, dem moralischen Eifer des
8
Professors Pflugfelder galt, sonst aber mit der
Kunst nicht gerade viel zu tun hatte. Schnitzlers
eigener Glaube und eigenes Wähnen, wie sie im
letzten Akte sich verkündigen, fanden hingegen
X
weniger Anklang und Bekennerschaft. Im Publi¬
tum denkt man nun einmal noch immer absolu¬
tistisch und will die Mannesüberzeugung vor
Königsthronen. Schnitzlers relativistisch=spötti¬
sches Lächeln, mit dem er zuletzt seinem eigenen
Drama den Todesstoß gibt, wird nicht recht ver¬
standen. Man spielt in dieser Komödie weniger
als man disputiert. Aber diese Dispute kamen
lebendig heraus und wurden mit Interesse an¬
gehört.
J. Ht.
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