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25. Profe, Sor Bernhardi
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und ihn auch nie erfahren würde; er sei für das
meine Rezension der Uraufführung von „Professor
g, die
Glück seiner Kranken verantwortlich und verbiete
Bernhardi“ nachzulesen.
eGroß.
den Eintritt eines Menschen, der, sei es auch aus
Es fällt mir auf, wie sehr mir damals
nheims
den heiligsten Ueberzeugungen, daran mindere.
daran gelegen war, das Über-Gesellschaftliche,
.Ein
Das Mädchen stirbt ohne den Kirchentrost, die
Mythische dieses Schauspiels zu betonen.
nd
Freunde des Priesters gehen hin und denunzieren
Das wird seine Gründe gehabt haben ... Einst¬
t:
weilen lese ich. Und veröffentliche:
Bernhardi wegen Religionsverletzung, das Gescheh¬
nis dringt aus den Mauern des Krankenhauses und
„An Arthur Sehnitzlers Wollungen in den letzten
frißt sich tief ins Herz der Parteien. Ein Wort¬
Jahren gemessen, lebt im PProfessor Bernhardie
wechsel zwischen zwei Menschen — Parlaments¬
das Formproblem des =Jungen Medarduse weiter
konflikt, Gefängnis, Staatsstreich. So ist man ver¬
— aus einer Anekdote wächst ein Drama heraus —
kettet . .. so wenig lebt man sich selbst ... 8o
aber es drücken auf diesem vor Gegenwart krei¬
sehr ist das Leben unser aller ein See, in den kein
Benden, in jedem Molekül belebten Stücke keine
ssen
Stein fällt, ohne daß seine entferntesten Uferränder
toten Historismen; im „Jungen Medarduse gab es
s und
beben. Nicht das Thematische reizt mich. Was
manchen Federhut, der nur Garderobe war. An¬
onola
ist es mir, daß Bernhardi ein Arzt und ein Jude,
dererseits sind gewisse Seiten im PProfessor Bern¬
in
daß sein Widersacher ein Priester ist? Daß sich
hardig von keiner geringeren Intimität als die
Stück
der Liberale am Klerikalen warmreibt und der An¬
schönsten Partieen des.Weiten Landesg, ohne doch
von
tisemit am Fortschrittsmann explodiert, was ist es
Hohlräume mit Teegeschwätz ausfüllen zu müssen.
Eugen
mir? Aber das ich meinen Arm nicht bewegen
Zwischen leidiger Histoire-pour-I’histoire und lei¬
viel¬
werde, ohne einen Reflex davon in eine Straße
digem Monde-pour-le-monde ging Schnitzler sicher
musi¬
Pekings zu treiben (durch eben jene geheimnis¬
vorbei und schrieb ein Stück, das voller Geschichte
dreier
volle und höchst wahnsinnige Macht, die nicht
und voller Gesellschaft ist . .. ein von den Ber¬
jegen,
schreckenloser wird, wenn man sie Kausalnerus
linern jedenfalls wunderbar unterschätztes Stück.
ildern!
nennt): diese Erkenntnis, die ich nach Kleist
Wenn ich jedoch (der ich dieses Stück nicht
Alfred
niemandem verdanke, verdanke ich nach nie¬
zu überschätzen hoffe) jetzt meiner berauschten
inahe
mandem Schnitzler. Das Wundervollste, was der
Achtung, meinem seit der Uraufführung sich täg¬
nstück
Naturalismus zeigte (nein: bildete, da Kunst nicht
lich steigernden Entzücken mit einem -Woher?
, der
zeigt), war, daß das Entfernteste auf mich wirkt.
kritisch nacheile, so finde ich, daß die Erkenntnis
d
ng
Berauschender noch ist die Erkenntnis — sie be¬
von etwas rein Formphilologischem, diese schnitzler-
des
jaht mich grenzenlos — daß auch ich auf das
historische Seminarentdeckung von der Zusammen¬
Entfernteste wirke, daß mein Handeln (mögen
führung zweier Stile, daran allein nicht schuld sein
mich seine Folgen dann noch so oedipodeisch
kann.
verstricken) nicht untergeht. Und niemand fühlt,
Dem Roßkamm Michael Kohlhaas — erzählte
wie die Dichtung vom PProfessor Bernhardig ganz
Kleist — werden durch Junkerübermut zwei Pferde
voll ist von diesen Urdingen, die jenseits alles
genommen; als er sie wiedererhält, sind sie (durch
Anekdotalen, Pragmatischen schweben? Und da¬
einen geheimnisvollen Wahnsinn des Weltlaufs,
bei ist hier nicht Kleist-Epigonismus, sondern,
den man nicht schreckenloser macht, wenn man
wie man zu empfinden zögert, etwas wie Eben¬
ihn Kausalnexus nennt) behangen mit vielhundert
bürtigkeit. Für tausend Jahre innerer Novellen¬
Leichen und seinem eigenen Tode. Daß ein Ding,
technik wird vorbildlich sein, wie harmlos das
eine Geringfügigkeit, ein Nihil seine Umgebung,
die Katastrophenreihe auslösende Geschehnis im
zuerst seine nächste, anstößt, sich mit ihr amal¬
Michael Kohlhaas (das Zurückbehalten der Pferde)
gamiert, durch das Umliegende hinrollt, Interessen,
ursprünglich aussieht, ehe es Zähne, Klauen, Fänge
Menschen, Meinungen, Taten reißend ansaugt und
bekommt und wie ein Raubvogel über die er¬
Lawine wird — la naissance d’ une affaire — hat
schrockene Zukunft stürzt: nun beobachtet ein¬
seit Kleist niemand so bedeutend gebildet wie
mal, wie wunderbar leise und scheinbar nichts¬
afts-
Schnitzler im PProfessor Bernhardis. Dieser Leiter
sagend auch die Lawinenkern-Szene bei Schnitzler
eines großen Krankenhauses weist einem Priester,
Rotter
(das Renkontre zwischen Bernhardi und dem
der gekommen ist, einer Sterbenden die Sakra¬
mir Lust
Priester) vor sich geht. Parturit mus, nascuntur
mente zu bringen, mit dem Bedeuten von der
/13 der
montes.
Schwelle, daß die Sterbende den Tod nicht erwarte
gen und
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und ihn auch nie erfahren würde; er sei für das
meine Rezension der Uraufführung von „Professor
g, die
Glück seiner Kranken verantwortlich und verbiete
Bernhardi“ nachzulesen.
eGroß.
den Eintritt eines Menschen, der, sei es auch aus
Es fällt mir auf, wie sehr mir damals
nheims
den heiligsten Ueberzeugungen, daran mindere.
daran gelegen war, das Über-Gesellschaftliche,
.Ein
Das Mädchen stirbt ohne den Kirchentrost, die
Mythische dieses Schauspiels zu betonen.
nd
Freunde des Priesters gehen hin und denunzieren
Das wird seine Gründe gehabt haben ... Einst¬
t:
weilen lese ich. Und veröffentliche:
Bernhardi wegen Religionsverletzung, das Gescheh¬
nis dringt aus den Mauern des Krankenhauses und
„An Arthur Sehnitzlers Wollungen in den letzten
frißt sich tief ins Herz der Parteien. Ein Wort¬
Jahren gemessen, lebt im PProfessor Bernhardie
wechsel zwischen zwei Menschen — Parlaments¬
das Formproblem des =Jungen Medarduse weiter
konflikt, Gefängnis, Staatsstreich. So ist man ver¬
— aus einer Anekdote wächst ein Drama heraus —
kettet . .. so wenig lebt man sich selbst ... 8o
aber es drücken auf diesem vor Gegenwart krei¬
sehr ist das Leben unser aller ein See, in den kein
Benden, in jedem Molekül belebten Stücke keine
ssen
Stein fällt, ohne daß seine entferntesten Uferränder
toten Historismen; im „Jungen Medarduse gab es
s und
beben. Nicht das Thematische reizt mich. Was
manchen Federhut, der nur Garderobe war. An¬
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ist es mir, daß Bernhardi ein Arzt und ein Jude,
dererseits sind gewisse Seiten im PProfessor Bern¬
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daß sein Widersacher ein Priester ist? Daß sich
hardig von keiner geringeren Intimität als die
Stück
der Liberale am Klerikalen warmreibt und der An¬
schönsten Partieen des.Weiten Landesg, ohne doch
von
tisemit am Fortschrittsmann explodiert, was ist es
Hohlräume mit Teegeschwätz ausfüllen zu müssen.
Eugen
mir? Aber das ich meinen Arm nicht bewegen
Zwischen leidiger Histoire-pour-I’histoire und lei¬
viel¬
werde, ohne einen Reflex davon in eine Straße
digem Monde-pour-le-monde ging Schnitzler sicher
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vorbei und schrieb ein Stück, das voller Geschichte
dreier
volle und höchst wahnsinnige Macht, die nicht
und voller Gesellschaft ist . .. ein von den Ber¬
jegen,
schreckenloser wird, wenn man sie Kausalnerus
linern jedenfalls wunderbar unterschätztes Stück.
ildern!
nennt): diese Erkenntnis, die ich nach Kleist
Wenn ich jedoch (der ich dieses Stück nicht
Alfred
niemandem verdanke, verdanke ich nach nie¬
zu überschätzen hoffe) jetzt meiner berauschten
inahe
mandem Schnitzler. Das Wundervollste, was der
Achtung, meinem seit der Uraufführung sich täg¬
nstück
Naturalismus zeigte (nein: bildete, da Kunst nicht
lich steigernden Entzücken mit einem -Woher?
, der
zeigt), war, daß das Entfernteste auf mich wirkt.
kritisch nacheile, so finde ich, daß die Erkenntnis
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Berauschender noch ist die Erkenntnis — sie be¬
von etwas rein Formphilologischem, diese schnitzler-
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jaht mich grenzenlos — daß auch ich auf das
historische Seminarentdeckung von der Zusammen¬
Entfernteste wirke, daß mein Handeln (mögen
führung zweier Stile, daran allein nicht schuld sein
mich seine Folgen dann noch so oedipodeisch
kann.
verstricken) nicht untergeht. Und niemand fühlt,
Dem Roßkamm Michael Kohlhaas — erzählte
wie die Dichtung vom PProfessor Bernhardig ganz
Kleist — werden durch Junkerübermut zwei Pferde
voll ist von diesen Urdingen, die jenseits alles
genommen; als er sie wiedererhält, sind sie (durch
Anekdotalen, Pragmatischen schweben? Und da¬
einen geheimnisvollen Wahnsinn des Weltlaufs,
bei ist hier nicht Kleist-Epigonismus, sondern,
den man nicht schreckenloser macht, wenn man
wie man zu empfinden zögert, etwas wie Eben¬
ihn Kausalnexus nennt) behangen mit vielhundert
bürtigkeit. Für tausend Jahre innerer Novellen¬
Leichen und seinem eigenen Tode. Daß ein Ding,
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eine Geringfügigkeit, ein Nihil seine Umgebung,
die Katastrophenreihe auslösende Geschehnis im
zuerst seine nächste, anstößt, sich mit ihr amal¬
Michael Kohlhaas (das Zurückbehalten der Pferde)
gamiert, durch das Umliegende hinrollt, Interessen,
ursprünglich aussieht, ehe es Zähne, Klauen, Fänge
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Lawine wird — la naissance d’ une affaire — hat
schrockene Zukunft stürzt: nun beobachtet ein¬
seit Kleist niemand so bedeutend gebildet wie
mal, wie wunderbar leise und scheinbar nichts¬
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Schnitzler im PProfessor Bernhardis. Dieser Leiter
sagend auch die Lawinenkern-Szene bei Schnitzler
eines großen Krankenhauses weist einem Priester,
Rotter
(das Renkontre zwischen Bernhardi und dem
der gekommen ist, einer Sterbenden die Sakra¬
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