II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 594

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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Bearbeitet die deutsche und ausländische Presse auch auf l##te.
Lisfert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
National=Zeitung
Berlin NW. 6
(8=Uhr=Abendblatt)
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Ke
S. MAI W24

[Nachdruck verboten.]
Von
Felix Hollaender.
III.
Die Stegreifkomödie eines höchst Lebendigen, Pirandellos blut¬
volles Werk: „Sieben Personen suchen einen Autor“ hatte das
Raimund=Theater in verstümmelter Form herausgebracht. Dem
modernen Ahnherrn dieser Kunstgattung wollte Reinhardt in der
glänzenden Eröffnungsvorstellung des Josefstädter Theaters
ncuen Lebensodem einblasen.
Aber Goldoni ist wirklich tot. Seine derben Rüpelspäße, seine
buntschillernden Verwechselungssituationen sind verbraucht und von
tausend Machern bis zum Erbrechen kopiert worden. Dies
theatralische Genie hat seine Schuldigkeit getan und mit unserer
Gegenwart nichts mehr zu schaffen — man gönne ihm seine Grabes¬
ruhe.
Ich verstehe, weshalb Reinhardt mit dem „Diener
zweier Herren“ seine Wiener Epoche eröffnete. Er suchte ein
klassisches und ein Schauspielerstück. Der eigentliche Grund liegt
tiefer. Seit Jahren träumt er von der neuen Stegreifkomödie, in
der er die Wiedergeburt der Bühne sieht.
Mit witzsprühenden Stegreifscherzen in „Schall und Rauch“
hatte er begonnen. Wäre es verwunderlich, wenn seine theatralische
Sendung mit einer Neuschöpfung dieses Genres ihren stilgemäßen Ab¬
schluß fände. Denn zur Stegreifkomödie drängt die Zeit. Wer Augen
hat zu sehen — und Ohren zu hören, vernimmt die Zeichen. Darüber
wird noch mancherlei zu sagen sein.
Reinhardt gab das klassische Musterbeispiel der Vergangenheit.
Er wird ihm die Improvisationen der Gegenwart folgen lassen
müssen, wenn er eine Revolution der heutigen Bühne in die Wege
leiten will. Ueber die sprudelnde Laune und den Reichtum der Ein¬
fälle, von denen seine Inszenierung des Goldoni getragen war, ist
genügend berichtet worden — ebenso über das Haus, dessen zauber¬
hafte Anmut unvergleichlich ist.
Sehr merkwürdig, die Familie Thimig in diesen Aufführungen
bei der Arbeit zu sehen. Historische Erinnerungen tauchen auf
Zeiten, in denen Theaterdirektoren mit ihren engsten Angehörigen
eine Truppe bildeten, durch das Land zogen und die deutsche Schau¬
spielkunst begründeten. Man konnte da wirklich noch von Ensemble
und Cinheitlichkeit des Stils reden.
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anlangt, so können wir unmöglich in Scharen heimkehren. Wir 1 Dann breche ich alls. Iu)
Das Blutsband, das die Thimigs verbindet, wird auch in ihrer
Auf eine ganz äußerliche
Darstellung lenntlich, deren Gemeinsames ihre schlichte Menschlichkeit
zeitgemäßen und antiquierten
ist. Rührend der alte Papa Hugo, der die siebzig überschritten und
Wollte der Dichter das
Abend für Abend Arme und Beine verrenken und die kleinen lustigen
Dachte er an die Minna vor
Augen weit aufreißen muß, wenn ein Schwall von Reden auf ihn
wie Minna leidenschaftlich ur
herunterprasselt. Zwerchsellerschütternd, in Schweiß gebadet, vor
gekehrten Mann. In beide
Hunger stöhnend, Hermann Thimig, der Sohn, und etwas
Ehrbegriffen der liebende Lie
befremdlich Helene, deren Innerlichkeit sich Liedchen und Beweg¬
von seinem Mädchen eingefa
lichkeiten dieser Art widersetzt.
Aber damit sind auch all
Man muß sie in Hofmannsthals Lustspiel „Der Schwierige“
lebendig mutet uns immer n
erleben, in dem sie auch eine Helena spielt und in ihrer Herbheit
Gefühlsgehalt seiner Zeit n
und Süße — in ihrem leidenschaftlichen Ernst und holdseligen Humor
vergilbt wirken heute bereit
sich ausströmt.
mannsthals Pinsel schuf.
Die Aufführung dieses Stückes war die letzte, die ich bei Rein¬
Reinhardt wird jetzt „Di
mann von Venedig“
hardt gesehen. Die Wiener bewunderten neben Helene Thimig
Das ist alles gewiß gut und
Frau Else Eckersberg, die unter den Händen dieses Regisseurs
nicht die alten Abonnente
von ungewöhnlicher Delikatesse und Diskretion war — sie bewun¬
sehnsüchtig das Neue.
derten Herrn Waldau, dessen Bescheidenheit für mein Gefühl
Wo liegt es? In der jü
viel zu betont ist (es gibt auch eine Arroganz der Bescheidenheit,
schüchternen Ansätzen trostlos
und man muß schon ein Genie sein, um sich diesen Grad der Zurück¬
P
Ich erwischte im Wier
haltung leisten zu ronnen), sie schüttelten sich vor Lachen über Her¬
mittlerweile beden
mann Thimig — und sie waren höchst angetan von der selbst¬
Bernhardi, ein Aerztest
verständlichen Natürlichkeit, mit der hier Konversation gemacht wurde.
der Medizin, als der Partei
Hofmannsthals Komödie, die bei uns wenig Anklang ge¬
und einem gerüttelten Maß
funden, hat in Wien stark gewirkt. Die österroichische Note, die
liche und weltliche Gegensät
leichte, spielerische Art, der aufgefangene Jargon der Wiener Aristo¬
verhütet es, daß Rede und
kratie und nicht zuletzt das seltsame Gemisch von Sentiment und
wird.
Spaßigkeit entschieden den Erfolg beim Publikum.
Diese Art des feierlichen
Ich selbst vermochte bei aller Berehrung für den Verfasser und
denklich zwischen dem Pfa
trotz einer Aufführung, in der das Zarte und Humorige, die Eleganz
Akosta schaukelt — trägt
und Lässigkeit des Wiener Salons vollendet zum Ausdruck kamen,
Schlagworte für Kommunal
nicht recht warm zu werden.
unleidlich auf dem Theater
Gewiß spürt man Hofmannsthals noble Art, Dialog zu machen,
männer könnte man in di
sein feines Ohr für heimatliche Klänge aus jeder Szene. Aber das
politische Kannegießer aus
Ganze ist doch arm und ein wenig aufgeblasen. Es wird ein Wesens
Ist es nicht etwas befre
von Dingen gemacht, die nicht sehr tief an uns rühren. Gar so eine
Arzt, die Kollegen nur aus
Heldentat ist es am Ende nicht, wenn die Helene dieser Komödie ihrem
man darf gar nicht an Sh
sie verschmähenden Liebhaber zu nächtlicher Stunde nachläuft.
infernalische Kraft, mit der
Unser teurer Dichter, schien über dies Heroentum entsetzt, ver¬
Koryphäen der medizinischen
hindert denn auch glücklich noch in letzter Minute die „furchtbare“
höhere Kurpfuschertum vom
Entgleisung.
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