25.
box 31/6
—TOLeSSOERernhanaT
In einer mäßigen aufführung würde ein Gähnen durchs
= wo man immerhin in „Akten“ und nicht in „Bildern“
Parkett gehen.
dichtete — so üblich. Dieser letzte Akt ist an sich überflüssig,
Bei der Inszenierung Victor Barnowskys gab
wenn nich Arthur Schnitzler seine Bezeichnung „Komödie“
es einen großen Erfolg, der nach dem zweiten und dritten
damit rechtfertigen wollte. Während man vorher drei ernste
Akt beträchtliche Ausmaße annahm und selbst nach dem
Akte sah, die eine, im Grunde ein wenig sentimentale,
liebenswürdig blassen vierten die Darsteller noch vor den
Weltbetrachtung mit Witz und Intelligenz geschickt ver¬
eisernen Vorhang zitierte. Wieder erlebte man es, daß
kleiden, hat Schnitzler mit dem vierten den versöhnlichen
starke Fähigkeiten an Regie und Darstellung in Szene
Schluß angefügt.
gesetzt wurden, die ein besseres Stück verdienten.
Ein Wiener Hofrat im Unterrichtsministerium ist da,
Mit Ausnahme einer Nebenrolle kommen in diesem
der Liedln singt, an schöne Frauen denkt, und im Grunde
Stück nur Männer vor. Etwa zwei Dutzend Darsteller
ein guter Kerl ist. Zu dem sagt dann der aus dem Ge¬
wurden gebraucht, und zwar Darsteller, die dem Stück
fängnis zurückgekehrte Bernhardt, bevor der letzte Vor¬
von sich aus Form und Farbe verleihen mußten. Wie
hang fällt: An meiner Stelle hätten sie sich gerade so ver¬
es Barnowsky fertigbrachte, hier Gesichter und Persön¬
halten wie ich. Das mag österreichisch sein, das mag sogar
lichkeiten auf die Bühne zu bringen und diese wieder zu
weise sein, aber man wird den Eindruck nicht los, daß mit
einem einheitlichen, dramatisch bewegten Gebilde zusam¬
dieser Szene dem Publikum noch ein Zuckerl vorgehalten
menzuschließen, das muß ihm als Verdienst algerechnet
werden soll, damit es die Sache besser schluckt. Denn kein
werden.
Mensch versteht, warum dieser Bernhardi nun auf einmal
Kortner spielte den Bernhardi, zurückhaltender als
sich mit weltkluger Resiznation begnügt, schdem er vorher
sonst und bei einer gewissen Monotonie des Tons mit
auf den Tisch geschlagen hatte.
einer natürlichen ungezwungenen Schlichtheit, die sicher
auch der starken Hand des Regisseurs zu danken war.
Bressart war diesmal kein paralytischer Troddel,
Zugegeben, daß dieses Stück, in dem Antisemitismus,
sonderr ein steinalter, weißmähniger Gelehrter, dessen
Klerikalismus und andere politische Strömungen die
schlenktige Bewegung und gemäßigte Fahrigkeit eine un¬
treibende Rolle spielen, haushoch intelligenter ist, als das,
konventionelle, überlegen=kluge Komödienfigur auf die
was man im letzten Jahrzehni mit dem Ettkett „Zeit¬
Beine stellte. Salfner, auch einer der alten Pro¬
theater“ vorgesetzt bekam Aber was hat es mit uns noch
fessoren, brachte Schwung und ideelle Begeisterung auf,
zu iun? Es liegt nich allein daran, daß die Alternative
die das Publikum mitriß. Mamelok war ein bös¬
heute anders lautet als: Hier Individvalität und reines
artiger blonder Vollbart, erfüllt mit kalter, unterdrückter
dort Engstirnigkeit, Frömmelei und
Feindseligkeit, Schnell ein großer, eleganter und
Menschentum
schmeidiger Frauenarzt mit echter ironischer Selbstgefällig¬
Strebertum unter der Maske höherer Interessen.
Paul Otto, als Minister in keiner leichten Rolle,
Es liegt vielmehr daran — und es ist der Augenblick
eit.
mit Gehrock und Händereiben, zeigte die kalte Glätte eines
gekommen, dies laut und vernehmlich auszusprechen —
Menschen, der sein rücksichtsloses Strebertum hinter un¬
daß uns das politische Theater nichts, aber auch gar nichts
gezwungener Herzlichkeit zu verbergen wußte. Stahl¬
mehr angehl! Es handelt sich, um deutlicher zu sein, nicht
Nachbaur spielte den Priester, wie man es bei ihm
darum, daß, während früher für den Dr. Bernhardi, der
erwarten konnte, mit einer noblen Ruhe, die auf alle
von dem nationalen vollbärtigen Dr. Ebenwald verdrängt
naheliegenden billigen Zutaten verzichtete. Man könnte
wurde, ein Schrifisteller eintrat, heute vielleicht für den
diese Ausführungen fortsetzen, denn durchaus in gleicher
Ebenwald, der unterdessen von Bernhardi verdrängt
Reihe sind zu nennen Ettel, Kalser, Wolf, Hardt,
worden ist, Stücke geschrieben werden sollen. Es handelt
Platte, Behal, Grünbaum und der lächelnde, sym¬
sich darum, daß das volitische Theater überhaupt ver¬
pathische Hörbiger.
schwindet.
Die ganze Fähigkeit des heutigen Theaters, gute,
Das „linksgerichiete" Theater wird nicht von dem
prägnant gezeichnete Komödienfiguren der Wirklichkeit auf
„rechtsgerichteten“, sondern vom guten Theater verdrängt
die Bretter zu bringen, wurde hier in seltener Reichhaltig¬
werden!
keit offenbar. Nun sollten sich die Direktoren nur noch
nach den geeigneten Autoren umsehen. Sie sind vor¬
banden.
Schnitzlers Komödie ist an sich kein wirksames Bühnen¬
Vorsichtshalber sei festgestellt, daß unsere Vornotiz
stück. Es wird viel geredet und dialogisiert. In jedem
ursprünglich etwas anders aussah, als sie aus der Setz¬
Akt treten alle Leute der Reihe nach auf, nachdem vorher
maschine kam. Es sollte heißen, daß die Komödie
die Visitenkarte hineingeschickt wurde. Geschehen tut wenig.
„intelligenter und verstaubter“ war als heutiges Zeit¬
Inserne österreichische Probleme werden aufgerollt, die
Bruno E. Werner
selbst an der Donau heute nicht mehr ganz aktuell sind. 1 theater.
box 31/6
—TOLeSSOERernhanaT
In einer mäßigen aufführung würde ein Gähnen durchs
= wo man immerhin in „Akten“ und nicht in „Bildern“
Parkett gehen.
dichtete — so üblich. Dieser letzte Akt ist an sich überflüssig,
Bei der Inszenierung Victor Barnowskys gab
wenn nich Arthur Schnitzler seine Bezeichnung „Komödie“
es einen großen Erfolg, der nach dem zweiten und dritten
damit rechtfertigen wollte. Während man vorher drei ernste
Akt beträchtliche Ausmaße annahm und selbst nach dem
Akte sah, die eine, im Grunde ein wenig sentimentale,
liebenswürdig blassen vierten die Darsteller noch vor den
Weltbetrachtung mit Witz und Intelligenz geschickt ver¬
eisernen Vorhang zitierte. Wieder erlebte man es, daß
kleiden, hat Schnitzler mit dem vierten den versöhnlichen
starke Fähigkeiten an Regie und Darstellung in Szene
Schluß angefügt.
gesetzt wurden, die ein besseres Stück verdienten.
Ein Wiener Hofrat im Unterrichtsministerium ist da,
Mit Ausnahme einer Nebenrolle kommen in diesem
der Liedln singt, an schöne Frauen denkt, und im Grunde
Stück nur Männer vor. Etwa zwei Dutzend Darsteller
ein guter Kerl ist. Zu dem sagt dann der aus dem Ge¬
wurden gebraucht, und zwar Darsteller, die dem Stück
fängnis zurückgekehrte Bernhardt, bevor der letzte Vor¬
von sich aus Form und Farbe verleihen mußten. Wie
hang fällt: An meiner Stelle hätten sie sich gerade so ver¬
es Barnowsky fertigbrachte, hier Gesichter und Persön¬
halten wie ich. Das mag österreichisch sein, das mag sogar
lichkeiten auf die Bühne zu bringen und diese wieder zu
weise sein, aber man wird den Eindruck nicht los, daß mit
einem einheitlichen, dramatisch bewegten Gebilde zusam¬
dieser Szene dem Publikum noch ein Zuckerl vorgehalten
menzuschließen, das muß ihm als Verdienst algerechnet
werden soll, damit es die Sache besser schluckt. Denn kein
werden.
Mensch versteht, warum dieser Bernhardi nun auf einmal
Kortner spielte den Bernhardi, zurückhaltender als
sich mit weltkluger Resiznation begnügt, schdem er vorher
sonst und bei einer gewissen Monotonie des Tons mit
auf den Tisch geschlagen hatte.
einer natürlichen ungezwungenen Schlichtheit, die sicher
auch der starken Hand des Regisseurs zu danken war.
Bressart war diesmal kein paralytischer Troddel,
Zugegeben, daß dieses Stück, in dem Antisemitismus,
sonderr ein steinalter, weißmähniger Gelehrter, dessen
Klerikalismus und andere politische Strömungen die
schlenktige Bewegung und gemäßigte Fahrigkeit eine un¬
treibende Rolle spielen, haushoch intelligenter ist, als das,
konventionelle, überlegen=kluge Komödienfigur auf die
was man im letzten Jahrzehni mit dem Ettkett „Zeit¬
Beine stellte. Salfner, auch einer der alten Pro¬
theater“ vorgesetzt bekam Aber was hat es mit uns noch
fessoren, brachte Schwung und ideelle Begeisterung auf,
zu iun? Es liegt nich allein daran, daß die Alternative
die das Publikum mitriß. Mamelok war ein bös¬
heute anders lautet als: Hier Individvalität und reines
artiger blonder Vollbart, erfüllt mit kalter, unterdrückter
dort Engstirnigkeit, Frömmelei und
Feindseligkeit, Schnell ein großer, eleganter und
Menschentum
schmeidiger Frauenarzt mit echter ironischer Selbstgefällig¬
Strebertum unter der Maske höherer Interessen.
Paul Otto, als Minister in keiner leichten Rolle,
Es liegt vielmehr daran — und es ist der Augenblick
eit.
mit Gehrock und Händereiben, zeigte die kalte Glätte eines
gekommen, dies laut und vernehmlich auszusprechen —
Menschen, der sein rücksichtsloses Strebertum hinter un¬
daß uns das politische Theater nichts, aber auch gar nichts
gezwungener Herzlichkeit zu verbergen wußte. Stahl¬
mehr angehl! Es handelt sich, um deutlicher zu sein, nicht
Nachbaur spielte den Priester, wie man es bei ihm
darum, daß, während früher für den Dr. Bernhardi, der
erwarten konnte, mit einer noblen Ruhe, die auf alle
von dem nationalen vollbärtigen Dr. Ebenwald verdrängt
naheliegenden billigen Zutaten verzichtete. Man könnte
wurde, ein Schrifisteller eintrat, heute vielleicht für den
diese Ausführungen fortsetzen, denn durchaus in gleicher
Ebenwald, der unterdessen von Bernhardi verdrängt
Reihe sind zu nennen Ettel, Kalser, Wolf, Hardt,
worden ist, Stücke geschrieben werden sollen. Es handelt
Platte, Behal, Grünbaum und der lächelnde, sym¬
sich darum, daß das volitische Theater überhaupt ver¬
pathische Hörbiger.
schwindet.
Die ganze Fähigkeit des heutigen Theaters, gute,
Das „linksgerichiete" Theater wird nicht von dem
prägnant gezeichnete Komödienfiguren der Wirklichkeit auf
„rechtsgerichteten“, sondern vom guten Theater verdrängt
die Bretter zu bringen, wurde hier in seltener Reichhaltig¬
werden!
keit offenbar. Nun sollten sich die Direktoren nur noch
nach den geeigneten Autoren umsehen. Sie sind vor¬
banden.
Schnitzlers Komödie ist an sich kein wirksames Bühnen¬
Vorsichtshalber sei festgestellt, daß unsere Vornotiz
stück. Es wird viel geredet und dialogisiert. In jedem
ursprünglich etwas anders aussah, als sie aus der Setz¬
Akt treten alle Leute der Reihe nach auf, nachdem vorher
maschine kam. Es sollte heißen, daß die Komödie
die Visitenkarte hineingeschickt wurde. Geschehen tut wenig.
„intelligenter und verstaubter“ war als heutiges Zeit¬
Inserne österreichische Probleme werden aufgerollt, die
Bruno E. Werner
selbst an der Donau heute nicht mehr ganz aktuell sind. 1 theater.